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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: V B 131/01 (1)
Rechtsgebiete: ZPO, InsO, FGO


Vorschriften:

ZPO § 240
InsO § 27 Abs. 3
FGO § 78
FGO § 107
FGO § 107 Abs. 1
FGO § 108
FGO § 109
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdegegner (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der X-GmbH, die vormalige Klägerin (Klägerin). Die Klägerin machte in ihrer Umsatzsteuererklärung für 1995 erfolglos die ihr von der H-GmbH für den Erwerb von Kfz in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) war der Auffassung, nicht die H-GmbH, sondern die Finanzierungs-GmbH, der die Fahrzeuge zur Sicherung übereignet gewesen waren und die nach Eintritt des Sicherungsfalles aufgrund ihres Eigentumsrechts die Herausgabe der Fahrzeuge beansprucht habe, habe der Klägerin die Fahrzeuge geliefert. Dass die Finanzierungs-GmbH mit dem Verkauf durch die Sicherungsgeberin, die H-GmbH, im eigenen Namen und "auf eigene Rechnung" einverstanden gewesen sei, sei insoweit unerheblich.

Im Verlauf des anschließenden Klageverfahrens erklärte die Klägerin, sie verkünde der Finanzierungs-GmbH den Streit und fordere sie auf, dem Rechtsstreit beizutreten. Das Finanzgericht (FG) lud daraufhin die Finanzierungs-GmbH bei (Beschluss vom 4. Juli 2001). Hiergegen wandte sich die Beigeladene mit der Beschwerde (V B 131/01), der sowohl die Klägerin (mit Schriftsatz vom 17. August 2001) als auch das FA entgegentraten.

Mit Urteil vom 25. September 2001 wies das FG die Klage der Klägerin als unbegründet zurück, ohne die Revision zuzulassen. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde (V B 188/01).

Mit Beschluss vom 1. Januar 2002 wurde über das Vermögen der Klägerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2002 erklärte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten die Aufnahme des Rechtsstreits unter Hinweis darauf, er, der Kläger, mache sich die Ausführungen der Klägerin einschließlich bisher gestellter Anträge zu Eigen.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2003 V B 131/01 hob der erkennende Senat den Beiladungsbeschluss des FG auf. Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin, der Beigeladenen, legte er den Beschwerdegegnern (FA und dem Kläger, der an die Stelle der Klägerin getreten war) auf. Durch ein offensichtliches Versehen wurde im Rubrum dieses Beschlusses der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen als Prozessbevollmächtigter des Klägers bezeichnet. Dementsprechend war auch ein Schriftsatz des Beigeladenen dem Kläger nicht bekannt gegeben worden.

Durch Beschluss vom 11. Juni 2003 wurde das Rubrum des Beschlusses vom 27. Februar 2003 V B 131/01 entsprechend berichtigt und sowohl der Beschluss vom 27. Februar 2003 als auch der Beschluss vom 11. Juni 2003 dem Kläger durch einfachen Brief bekannt gegeben.

Mit Beschluss vom 27. Februar 2003 V B 188/01 ließ der erkennende Senat die Revision zu. Die Revision ist unter dem Az. V R 9/03 anhängig; über sie ist noch nicht entschieden.

Gegen die Kostenentscheidung im Verfahren V B 131/01 wandte sich der Kläger mit Schriftsatz vom 30. September 2003 und per Telefax vom 14. Oktober 2003 und beantragte "Urteilsberichtigung" gemäß § 107 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Hilfsweise erhebt er Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom 27. Februar 2003. Dazu trägt er vor: Das Verfahren V B 131/01 sei durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen worden und dieses Verfahren habe er nicht aufgenommen. Er beantragt das Rubrum dahin gehend richtig zu stellen, dass für diesen Rechtsstreit der Klägerin klar gestellt wird, dass die Gesellschaft durch deren Geschäftsführerin vertreten wird und weiter, dass Kostenschuldner hinsichtlich des auf die Klägerin entfallenden Kostenanteils nicht der Kläger als Insolvenzverwalter über deren Vermögen sei.

Er, der Kläger, habe sich zum Verfahren V B 131/01 nicht geäußert und (lediglich) den Rechtsstreit wegen Nichtzulassung der Revision ausdrücklich aufgenommen; er habe bis zum Zugang des Beschlusses vom 27. Februar 2003 am 5. August 2003 keine Kenntnis von diesem Verfahren gehabt. Dieses Verfahren sei deshalb gemäß § 240 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen und eine Entscheidung gegen den Insolvenzverwalter unzulässig. Jedenfalls sei unabhängig von der Rubrumsberichtigung die Insolvenzmasse nicht Kostenschuldner, wenn er, wie hier, von dem Beschwerdeverfahren nichts erfahren habe. Auch sei eine Klarstellung zur Kostenschuldnerschaft der Masse angezeigt.

II. Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.

1. Gegen den Beschluss vom 27. Februar 2003 über die Aufhebung des Beiladungsbeschlusses des FG ist ein Rechtsmittel nicht gegeben.

2. Eine Gegenvorstellung kann in bestimmten Ausnahmefällen zu einer Änderung formell rechtskräftiger Entscheidungen führen, wenn das Recht auf rechtliches Gehör verletzt oder gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstoßen worden ist oder wenn die Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. Juli 2003 V B 250/02, BFH/NV 2003, 1596; vom 5. April 2000 VIII B 20/00, BFH/NV 2000, 1131). Daran fehlt es im Streitfall.

a) Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts vom 2. Januar 2002 waren beim BFH anhängig das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde (V B 188/01) und das Beschwerdeverfahren der Beigeladenen gegen den Beiladungsbeschluss des FG vom 4. Juli 2001 (V B 131/01). Beide Verfahren, sowohl das Hauptsacheverfahren betreffend die Nichtzulassungsbeschwerde wie auch das nicht selbständige Nebenverfahren betreffend die Beschwerde der Beigeladenen waren kraft Gesetzes mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen (§ 240 ZPO i.V.m. § 27 Abs. 3 der Insolvenzordnung --InsO--).

Am 30. Juni 2003 hat der Kläger ausdrücklich zwar nur die Aufnahme des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde (V B 188/01) erklärt. Mit der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter hat ein Austausch des Klägers stattgefunden. An die Stelle der bisherigen Klägerin ist der Insolvenzverwalter, der Kläger, als neuer Kläger eingetreten, und zwar nicht nur hinsichtlich des Hauptsacheverfahrens (V B 188/01), sondern auch hinsichtlich des unselbständigen Nebenverfahrens in Bezug auf die Beiladung (V B 131/01), denn dieser Rechtsstreit teilt hinsichtlich der Unterbrechung das Schicksal der Hauptsache. Gleiches gilt für die Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter.

Die isolierte Aufnahme des Hauptsacheverfahrens ist nicht möglich, denn ein anhängiger Streit wird stets in der Lage fortgesetzt, in der er sich ab Unterbrechung befand. Verfahrensrechtlich ist, weil mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter übergeht, der Insolvenzverwalter als Rechtsnachfolger des Gemeinschuldners Partei (vgl. Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 16. Januar 1997 IX ZR 220/96, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1997, 1445); ihm steht deshalb bereits vor Aufnahme des Prozesses das Recht zur Akteneinsicht i.S. von § 78 FGO zu (BFH-Beschluss vom 23. Mai 2000 IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134). Die durch § 240 ZPO angeordnete Unterbrechung des vom Konkurs betroffenen Prozesses dient u.a. dem Zweck, dem Insolvenzverwalter genügend Zeit zu geben, sich mit dem Prozessgegenstand zu befassen und zu entscheiden, ob es im Interesse der Konkursmasse und damit der Konkursgläubiger sinnvoll ist, den schwebenden Rechtsstreit zugunsten der Masse fortzuführen; die hierzu notwendigen Erkenntnisse kann er durch Akteneinsicht gewinnen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2000, 1134). Das Recht auf Akteneinsicht ist insoweit ein Ausfluss des Anspruchs auf rechtliches Gehör, da es den Beteiligten die Möglichkeit gibt, sich über den Inhalt der Gerichtsakten sowie der dem Gericht vorliegenden Akten und damit u.a. für die Aufnahme des Verfahrens nach Unterbrechung durch den Insolvenzverwalter die für die Rechtsverfolgung notwendigen Kenntnisse zu gewinnen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

Im Übrigen hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers an der im Beschluss vertretenen Rechtsauffassung fest, dass er Beschwerdegegner ist und (zusammen mit dem FA) die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin zu tragen hat; die Gegenvorstellung kann deshalb keinen Erfolg haben.

b) Eine Berichtigung gemäß § 107 Abs. 1 FGO kommt deswegen nicht in Betracht, weil es an der dafür erforderlichen offenbaren Unrichtigkeit fehlt. Mit Aufnahme des Verfahrens wurde der Kläger als Insolvenzverwalter Beteiligter sowohl des Hauptsacheverfahrens wie auch des Nebenverfahrens und war im Rubrum aufzuführen. Auch die Voraussetzungen für eine Berichtigung bzw. Ergänzung des Beschlusses gemäß § 108 FGO oder § 109 FGO liegen nicht vor.

c) Auch soweit der Kläger sich gegen die Kostenentscheidung wendet, hat die Gegenvorstellung aus den zuvor genannten Gründen keinen Erfolg. Denn auch insoweit rügt der Kläger nur, er müsse sich, weil er davon keine Kenntnis gehabt habe, das Verhalten der Klägerin nicht zurechnen lassen.

3. Über die Frage, inwieweit die durch ein vom Insolvenzverwalter aufgenommenes Verfahren entstehenden Kosten Massekosten sind (vgl. hierzu z.B. Braun/Bäuerle, Insolvenzordnung, Kommentar, 2002, § 55 Rz. 10; Schumacher in Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 3. Aufl. 2002, § 55 Rz. 8, mit weiteren Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen), war im finanzgerichtlichen Verfahren nicht zu entscheiden.

4. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht (vgl. BFH-Beschluss vom 19. August 1998 X B 84/98, BFH/NV 1999, 210).

Ende der Entscheidung

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