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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 09.04.2008
Aktenzeichen: V B 143/07
Rechtsgebiete: FGO, AO
Vorschriften:
FGO § 60 Abs. 1 | |
FGO § 128 Abs. 1 | |
AO § 174 Abs. 4 | |
AO § 174 Abs. 4 Satz 1 |
Gründe:
I. Die Beigeladene und Beschwerdeführerin (Beschwerdeführerin) wendet sich gegen den Beschluss des Finanzgerichts (FG) vom 2. Mai 2007, durch den sie in dem Rechtsstreit ihres Ehemannes (Kläger) gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) wegen Umsatzsteuer 2000 bis 2002 (2 K 500/06) gemäß § 60 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Verfahren beigeladen worden ist.
Der Kläger hatte in von der Beschwerdeführerin gemieteten Räumen einen Groß- und Einzelhandel sowie eine Handelsvertretung betrieben. Durch "Unternehmenspachtvertrag" vom 1. Juli 2000 verpachtete der Kläger der Beschwerdeführerin den Groß- und Einzelhandel.
Im Anschluss an eine Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, die Pachtzahlungen der Beschwerdeführerin an den Kläger enthielten eine Miete für die Gewerberäume; insoweit könne aber kein Leistungsaustausch vorliegen, weil die Beschwerdeführerin Alleineigentümerin der Gewerberäume sei.
Dementsprechend verminderte das FA gegenüber der Beschwerdeführerin in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für 2000 bis 2002 vom 10. Mai 2005 deren steuerpflichtige Umsätze und kürzte gegenüber dem Kläger in den Umsatzsteuerbescheiden für 2000 bis 2002 vom 12. Juli 2005 dessen Vorsteuerabzug.
Der Kläger hat nach erfolglosem Einspruch vor dem FG Klage (Az. 2 K 500/06) erhoben.
Das FG hat die Beschwerdeführerin mit der Begründung beigeladen, die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Unternehmensverpachtung könne Auswirkungen auf die Umsatzsteuer der Beigeladenen haben.
Mit der Beschwerde macht die Beschwerdeführerin geltend, die Voraussetzungen für eine Beiladung lägen nicht vor, weil die in dem anhängigen Klageverfahren streitige umsatzsteuerrechtliche Behandlung der Unternehmensverpachtung keine Auswirkungen auf ihre Umsatzbesteuerung haben könne. Die gegen sie ergangenen Umsatzsteuerbescheide für 2000 bis 2002 seien bereits bestandskräftig, es sei keine Korrekturvorschrift einschlägig und für das Jahr 2000 sei bereits Festsetzungsverjährung eingetreten.
II. Die gemäß § 128 Abs. 1 FGO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Entscheidung des FG ist nicht zu beanstanden.
1. Gemäß § 60 Abs. 1 FGO kann das FG von Amts wegen oder auf Antrag andere beiladen, deren rechtliche Interessen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden. Das Gericht entscheidet dabei nach seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28. August 1990 VIII B 25/90, BFHE 161, 429, BStBl II 1990, 1072).
2. Nach der Rechtsprechung des Senats kann im Rechtsstreit des leistenden Unternehmers über die Steuerpflicht seiner Umsätze der den Vorsteuerabzug begehrende Leistungsempfänger gemäß § 60 Abs. 1 FGO beigeladen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2001 V B 199/00, BFHE 194, 23, BStBl II 2001, 418).
Dasselbe gilt im umgekehrten Fall --wie vorliegend-- für eine Beiladung des leistenden Unternehmers (hier: die Beschwerdeführerin) im Rechtsstreit des Unternehmers, der den Vorsteuerabzug begehrt (vgl. BFH-Beschluss vom 29. Oktober 2002 V B 186/01, BFH/NV 2003, 780).
a) Sollte die Klage des Klägers gegen die Kürzung seiner Vorsteuerbeträge in den gegen ihn ergangenen Umsatzsteuerbescheiden für 2000 bis 2002 Erfolg haben, sind möglicherweise --jedenfalls-- die gegen die Beschwerdeführerin ergangenen Umsatzsteuerbescheide für 2001 und 2002, bei denen noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten ist, zu ihren Lasten zu ändern.
b) Als Änderungsnorm kommt § 174 Abs. 4 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) in Betracht. Danach können, wenn aufgrund irriger Beurteilung eines bestimmten Sachverhalts ein Steuerbescheid ergangen ist, der aufgrund eines Rechtsbehelfs oder sonst auf Antrag des Steuerpflichtigen durch die Finanzbehörde zu seinen Gunsten aufgehoben oder geändert wird, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen steuerlichen Folgerungen gezogen werden. Dies gilt auch dann, wenn der Steuerbescheid durch das Gericht aufgehoben oder geändert wird (§ 174 Abs. 4 Satz 2 AO).
Ob i.S. von § 60 Abs. 1 FGO die rechtlichen Interessen des Beigeladenen nach den Steuergesetzen durch die Entscheidung berührt werden --hier also die Änderungsnorm des § 174 Abs. 4 AO (vgl. dazu z.B. BFH-Beschluss vom 21. Mai 2004 V B 30/03, BFH/NV 2004, 1497) anwendbar wäre-- muss zum Zeitpunkt der Beiladung nicht mit Gewissheit feststehen. Es reicht vielmehr aus, wenn --wie hier-- eine Änderungsmöglichkeit nach § 174 Abs. 4 AO ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Oktober 1997 IV B 147/96, BFH/NV 1998, 345 für eine in Betracht kommende Haftung für Umsatzsteuer; Spindler in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 60 FGO Rz 38; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 60 FGO Rz 17; Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 60 Rz 17).
Ende der Entscheidung
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