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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: V B 150/05
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 46
UStG § 3 Abs. 1
UStG § 13 Abs. 1
UStG § 17
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss am 25. März 1994 mit der X GmbH (GmbH) einen Kaufvertrag, mit dem sie von der GmbH Grundstücke erwarb und die GmbH sich verpflichtete, diese mit einem Gewerbezentrum zu bebauen. Der Kaufpreis in Höhe von insgesamt ... DM sollte in Höhe von ... DM durch eine Abtretungsvereinbarung nach § 46 der Abgabenordnung (AO) und in Höhe von ... DM innerhalb von zwei Wochen nach der Übergabe auf ein Notaranderkonto gezahlt werden. Die Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises war unter anderem von dem Abschluss eines Mietvertrages zwischen der Klägerin und der GmbH abhängig. Die GmbH verpflichtete sich, das Objekt von der Klägerin zu mieten und trat ihr in Höhe ihrer Mietzinsverpflichtung ihre Mietzinsforderungen aus der Untervermietung ab. Die Fertigstellung und Übergabe des Objektes sollte spätestens am 1. August 1994 erfolgen. Am Tag der Übergabe sollten Gefahr, Nutzungen und Lasten auf die Klägerin übergehen.

Am 24. August 1994 wurde in das Grundbuch eine Eigentumsübertragungsvormerkung für die damaligen Gesellschafter der Klägerin als Gesellschafter bürgerlichen Rechts eingetragen. Am 8. September 1994 schlossen die Klägerin und die GmbH einen Generalmietvertrag, mit dem die Klägerin der GmbH das gesamte Einkaufszentrum vermietete. Das Mietverhältnis sollte mit Gebrauchsfertigkeit beginnen.

Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) vermerkten die Vertreter der Klägerin und der GmbH im Übergabeprotokoll neben diversen Mängeln die Mängelfreiheit einzelner Einheiten des Einkaufszentrums sowie, dass der Westflügel im Rohbau fertig gestellt, die Rohinstallation in den Bereichen Elektro, Sanitär, Heizung und Lüftung erfolgt sei und folgende Arbeiten fehlten: Anstrich der Wände, abgehängte Decken, Fußbodenbeläge, Treppenbelag nebst Putz und Geländer sowie das Galeriegeländer um die Deckenöffnung im Dachgeschoss.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2000 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer 1994 auf ... DM fest, wobei er einen Vorsteuerabzug aus dem Erwerb des Gewerbezentrums in Höhe von ... DM anerkannte.

Für das Streitjahr 1995 hatte die Klägerin zunächst keine Umsatzsteuererklärung abgegeben. Das FA schätzte in dem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid vom 20. August 1998 die Umsatzsteuer auf 0 DM. Mit Bescheid vom 6. März 2002 änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung für 1995 und setzte die Umsatzsteuer auf ... € (= ... DM) fest, indem es den Vorsteuerabzug nach § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) berichtigte.

Einspruch und Klage hiergegen blieben ohne Erfolg. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG im Wesentlichen aus, das bebaute Grundstück sei der Klägerin im Jahr 1994 geliefert worden, was auch den Vorsteuerabzug für dieses Jahr begründet habe. Eine Lieferung liege gemäß § 3 Abs. 1 UStG vor, wenn die wirtschaftliche Substanz eines Gegenstandes unbedingt von dem Leistenden auf den Leistungsempfänger übergehe und dies von den Beteiligten endgültig und nicht nur auf Zeit gewollt sei. Ein Unternehmer könne dem Abnehmer die Verfügungsmacht über ein bebautes Grundstück schon vor Eigentumsübergang verschaffen, wenn er ihm im Verhältnis der Vertragsparteien eine eigentümerähnliche Stellung verschaffe, die im Außenverhältnis abgesichert sei wie zum Beispiel durch Auflassungsvormerkung oder durch Verschaffung des mittelbaren Besitzes.

Das sei im Jahr 1994 der Fall gewesen, weil die Klägerin mit dem Übergang von Gefahr, Nutzungen und Lasten eine eigentümerähnliche Position erlangt habe. Das ergebe sich aus der Auflassungsvormerkung und daraus, dass sie grundsätzlich die Möglichkeit gehabt habe, das Objekt an Dritte zu vermieten und die Erträge zu vereinnahmen. Auch die Erstellung einer Mängelliste zeige, dass die Klägerin selbst nicht davon ausgegangen sei, dass nicht der Gegenstand des Kaufvertrages geliefert worden sei, weil sie in diesem Fall die Annahme der Leistung durch die Übergabe des Objektes hätte verweigern müssen. Ob die Lieferung des Grundstücks überhaupt rückgängig gemacht worden sei, könne dahinstehen, weil dies frühestens im Zuge der Rücktrittserklärung aus dem Jahr 1995 in Betracht komme. Fest stehe aber, dass das Entgelt für die Lieferung im Jahr 1995 uneinbringlich geworden sei, woraus sich die Verpflichtung der Klägerin zur Berichtigung des 1994 in Anspruch genommenen Vorsteuerabzugs ergebe. Eine Forderung sei nicht bereits bei verzögerter Zahlung uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG. Uneinbringlich sei eine Forderung aber, wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen sei, dass der Leistende den Anspruch auf die Gegenleistung auf absehbare Zeit nicht durchsetzen könne. Das sei bereits dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger das Bestehen der Entgeltsforderung substantiiert bestreite und erkläre, er werde die Verbindlichkeit nicht begleichen. Das habe die Klägerin erstmals mit der Rücktrittserklärung und der damit verbundenen Zahlungsverweigerung im Juli 1995 getan.

Mit der Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision. Die Klägerin macht geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem erfordere die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung durch den Bundesfinanzhof (BFH).

Grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob § 13 Abs. 1 UStG für das Entstehen der Umsatzsteuer einen zivilrechtlich abgeschlossenen Eigentumsübergang erfordere oder ob hierfür auch ein letztlich nicht zustande gekommener Eigentumsübergang ausreiche.

Mit seiner Beurteilung, die Uneinbringlichkeit sei "frühestens im Jahr 1995 gegeben, da die Klägerin erstmals im Juli 1995 mit der förmlichen Erklärung des Rücktritts vom Vertrag und der damit verbundenen Verweigerung der Zahlung das Bestehen der Entgeltforderung substantiiert bestritten hat", stehe das FG im Widerspruch zum Urteil des BFH vom 22. April 2004 V R 72/03 (BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684). Nach diesem Urteil sei eine Berichtigung der Vorsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG erforderlich, "... sobald der Leistungsempfänger das Bestehen und die Höhe des vereinbarten Entgelts substantiiert bestreitet. Das sei der Fall, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann". Diese Voraussetzung sei bereits 1994 erfüllt gewesen, da die GmbH nach den Feststellungen des FG zum Zeitpunkt der Übergabe ihren Verpflichtungen aus den Verträgen in wesentlichen Punkten nicht nachgekommen sei und klar gewesen sei, dass sie dies auf absehbare Zeit auch nicht tun könne.

Das Urteil des FG weiche auch insoweit von der "bisher vorliegenden Rechtsprechung" ab, als es von einer Berechtigung zum Vorsteuerabzug im Jahr 1994 ausgehe. Für sie, die Klägerin, sei die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aber gar nicht entstanden, weil es nie zur Lieferung des Vertragsgegenstandes gekommen sei.

Aus dem Urteil des BFH vom 24. Juli 2002 II R 33/03 (gemeint ist wohl das Urteil vom 4. August 2004 II R 33/03, BFH/NV 2005, 241) und dem Urteil des FG Baden-Württemberg vom 27. Februar 2002 2 K 326/98 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 786) folge, dass eine umsatzsteuerliche Grundstückslieferung voraussetze, dass die Umschreibung im Grundbuch und der Eigentumswechsel tatsächlich erfolgt seien.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

1. Die Frage, ob § 13 Abs. 1 UStG für das Entstehen der Umsatzsteuer für eine steuerpflichtige Grundstückslieferung einen zivilrechtlich abgeschlossenen Eigentumsübergang erfordert, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil die umsatzsteuerrechtlichen Grundsätze zur Lieferung eines Grundstücks geklärt sind (BFH-Beschluss vom 16. Januar 2004 V B 132/03, BFH/NV 2004, 987). Geklärt ist insbesondere, dass ein Grundstücksverkäufer dem Käufer bereits vor Eigentumsübergang die Verfügungsmacht an dem Grundstück verschaffen kann (BFH-Urteile vom 20. Juli 1995 V R 121/93, BFH/NV 1996, 270; vom 20. Januar 1997 V R 5/96, BFH/NV 1997, 811). Das entspricht den gemeinschaftsrechtlichen Grundsätzen. Der Begriff der Lieferung eines Gegenstandes bezieht sich nämlich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das anwendbare nationale Recht vorgesehenen Formen, sondern umfasst jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch die ein anderer ermächtigt wird, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre er der Eigentümer (Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteil vom 6. Februar 2003 C-185/01, Auto Lease Holland, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2003, 137 Rz 32). Es sind keine neuen Gesichtspunkte erkennbar, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage erforderlich machen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 2005 V B 195/04, BFH/NV 2005, 2064; vom 11. August 2006 V B 23/04, BFH/NV 2007, 60).

2. Es ist auch keine Entscheidung durch den BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (BFH-Beschlüsse vom 4. August 2006 V B 163/04; vom 24. August 2006 V B 36/05, BFH/NV 2007, 69). Der Beschwerdeführer muss tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung des BFH andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2006 V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892, und in BFH/NV 2007, 69). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.

a) Die Klägerin hat aus den von ihr genannten Divergenzentscheidungen des BFH in BFH/NV 2005, 241 und des FG Baden-Württemberg in EFG 2002, 786 keine abstrakten Rechtssätze herausgearbeitet, die mit den tragenden Rechtssätzen des angefochtenen FG-Urteils im Widerspruch stehen. Im Übrigen enthält weder das zur Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer beim Eigentumsübergang von Grundstücken infolge einer übertragenden Umwandlung ergangene Urteil des BFH in BFH/NV 2005, 241 noch das zum Verkauf von Schutzrechten und Know-how ergangene Urteil des FG Baden-Württemberg in EFG 2002, 786 Rechtsgrundsätze zur umsatzsteuerrechtlichen Lieferung von Grundstücken.

b) Es liegt auch keine Divergenz zum Urteil des BFH in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684 vor. Der Senat hat darin entschieden, dass eine Forderung nicht schon dann uneinbringlich ist, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann. Das FG ist ausdrücklich von diesen Rechtsgrundsätzen zur Berichtigung der Vorsteuer nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ausgegangen. Ob das FG diese Rechtsgrundsätze für das Streitjahr 1995 fehlerhaft angewendet hat --wie die Klägerin meint--, ist für die Zulassung der Revision ohne Bedeutung. Keine Divergenz liegt nämlich vor, wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Einzelfalles anwendet (BFH-Beschlüsse vom 22. Mai 2000 III B 97/99, BFH/NV 2000, 1203; vom 17. Mai 2000 III B 26/00, BFH/NV 2000, 1352; vom 25. Mai 2000 V B 55/00, BFH/NV 2000, 1482; vom 22. August 2006 V B 59/04). Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen genügt nicht (BFH-Beschlüsse vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718; vom 22. August 2006 V B 59/04).

c) Auch soweit die Klägerin geltend macht, die Voraussetzungen für eine Vorsteuerberichtigung seien bereits im Jahr 1994 erfüllt gewesen, führt dieser Vortrag nicht zur Zulassung der Revision. Mit ihrer diesbezüglichen Rüge setzt die Klägerin lediglich ihre Würdigung an Stelle der (möglichen) Würdigung durch das FG.

Ende der Entscheidung

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