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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: V B 151/05
Rechtsgebiete: UStDV, FGO, UStG


Vorschriften:

UStDV §§ 51 ff.
UStDV § 51 Abs. 3
UStDV § 51 Abs. 3 Satz 1
UStDV § 51 Abs. 3 Satz 3
UStDV § 55
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
UStG § 13 b IV
UStG § 18 Abs. 8
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Streitig ist, ob die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zu Recht gemäß § 55 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) für Umsatzsteuer in Haftung genommen wurde.

Die Klägerin bediente sich in den Jahren 1993 und 1994 (Streitjahre) zur Erfüllung von Bauaufträgen der Unternehmen A s.r.l.(A) und B s.r.l.(B). Diese Unternehmen rechneten gegenüber der Klägerin mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ab.

Die Klägerin wurde gemäß § 55 UStDV vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) mit Haftungsbescheid vom 16. März 1998 in Anspruch genommen, weil es sich bei den Unternehmen A und B um in Italien ansässige Unternehmen gehandelt habe und die Klägerin als Leistungsempfängerin die Umsatzsteuer nicht von der Gegenleistung einbehalten und an das für sie zuständige FA abgeführt hatte.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Klägerin sei zu Recht gemäß § 55 UStDV für Umsatzsteuer in Haftung genommen worden, weil die Unternehmen A und B nicht im Inland ansässig gewesen seien und sich die Klägerin keine Bescheinigung nach § 51 Abs. 3 Satz 3 UStDV habe vorlegen lassen, obwohl sie Zweifel daran hätte haben müssen, ob es sich bei A und B um inländische Unternehmen gehandelt habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Sie begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühre. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im angestrebten Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung).

2. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

- "wie das Tatbestandsmerkmal der Auslandsansässigkeit im Sinne des § 13 b IV UStG, der wortgleich mit der Bestimmung des § 51 Abs. 3 UStDV 1993/94 übereinstimmt, unter Beachtung von Art. 21 Abs. 1 Buchstabe a) Satz 2 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer auszulegen ist, ...

- ob das negative Tatbestandsmerkmal des Fehlens einer Inlandsansässigkeit des leistenden Unternehmens im Sinne der §§ 51 Abs. 3 UStDV i.d.F. der Jahre 1993 und 1994 (das wortgleich dem derzeit geltenden § 13 b IV UStG entspricht) und Art. 21 Abs. 1 Buchstabe a) Satz 2 der sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über die Umsatzsteuer dann NICHT erfüllt ist, wenn

- der leistende Unternehmer für mehrere Monate (nach Aktenlage jeweils für mehr als ein Jahr) eine Bauausführung größeren Umfanges (im Streitfall für ein Einkaufzentrum und einen Wohnpark) vollzieht und hierbei insbesondere,

- auf der Baustelle einen Telefon- und Faxanschluss vorhält;

- dort Rechungen in der inländischen Sprache erstellt;

- im Unternehmensregister der Hauptniederlassung im Gebiet eines EU-Staates eine Niederlassung im Inland des anderen EU-Staates ordnungsgemäß eingetragen ist;

- im allgemeinen Besteuerungsverfahren erfasst ist;

- im Inland zur Steuer veranlagt wird."

a) Nach der im Streitfall anzuwendenden Vorschrift des § 51 Abs. 3 Satz 1 UStDV war ein im Ausland ansässiger Unternehmer ein Unternehmer, der weder im Inland noch in einem Zollfreigebiet einen Wohnsitz, seinen Sitz, seine Geschäftsleitung oder eine Zweigniederlassung hat. Das in § 18 Abs. 8 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) i.V.m. §§ 51 ff. UStDV geregelte Abzugsverfahren beruhte auf der gemeinschaftsrechtlichen Ermächtigung des Art. 21 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) und verstieß nicht gegen Gemeinschaftsrecht (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. August 1994 XI R 94/92, BFHE 176, 78, BStBl II 1995, 188). Nach Art. 21 Nr. 1 Buchst. a Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten gemäß den von ihnen festgelegten Bedingungen vorsehen, dass der Empfänger der steuerpflichtigen Lieferung von Gegenständen bzw. der steuerpflichtigen Dienstleistung die Steuer schuldet, wenn die steuerpflichtige Lieferung von Gegenständen bzw. die steuerpflichtige Dienstleistung von einem nicht im Inland ansässigen Steuerpflichtigen bewirkt bzw. erbracht wird.

Da der Begriff der "Ansässigkeit" somit ein solcher des Gemeinschaftsrechts ist, ist seine Auslegung am Gemeinschaftsrecht auszurichten (vgl. BFH-Urteile vom 22. Mai 2003 V R 97/01, BFHE 203, 193, BStBl II 2003, 819; vom 10. Februar 2005 V R 56/03, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2005, 1208). Der zur Ansässigkeit bedeutsamen Voraussetzung der "festen Niederlassung" ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Juli 1997 Rs. C-190/95 --ARO Lease BV--, Slg. 1997, I-4383 Rdnr. 16, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1998, 185) ist zu entnehmen, dass diese einen hinreichenden Grad an Beständigkeit sowie eine Struktur besitzen muss, die eine Erbringung von Umsätzen ermöglicht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 203, 193, BStBl II 2003, 819, unter II. 2.).

Von diesen Grundsätzen ist das FG in der Vorentscheidung ausgegangen. Weiteren Klärungsbedarf hat die Klägerin zu der ersten von ihr als rechtsgrundsätzlich angesehenen Rechtsfrage nicht dargelegt.

b) Die weitere von der Klägerin als klärungsbedürftig angesehene Rechtsfrage ist im Streitfall nicht klärbar, weil sie Sachverhaltselemente enthält, die das FG nicht festgestellt hat und von deren Vorliegen der Senat in dem angestrebten Revisionsverfahren deshalb nicht ausgehen könnte (vgl. § 118 Abs. 2 FGO).

Ob der Leistende ein "im Ausland ansässiger Unternehmer" war oder ob er im Inland ansässig war, hängt überdies stets von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Mit Einwendungen gegen die tatsächliche Würdigung des FG --die die Klägerin insoweit im Kern vorbringt-- kann die Zulassung der Revision deshalb in der Regel nicht erreicht werden (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom 8. September 2005 V B 21/05, BFH/NV 2006, 378).

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