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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.01.1999
Aktenzeichen: V B 156/97
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG 1991, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 42
UStG 1991 § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), ist eine Grundstücksgemeinschaft, an der zu je 50 v.H. Frau X. und Frau Y. beteiligt sind. Die Klägerin vermietete in dem von ihr als Bauherrin mit Kreditmitteln errichteten und zum 1. Oktober 1993 fertiggestellten Wohn- und Bürogebäude u.a. Praxisräume an eine Ärztegemeinschaft in der Rechtsform einer GbR, die aus den Ehemännern der beiden Gesellschafterinnen der Klägerin sowie einem dritten Arzt (Z.) bestand. Die Praxisräume machten 74,64 v.H. der Gebäudenutzfläche aus. Weitere 15,34 v.H. der Gebäudenutzfläche entfielen auf Räume, die die Klägerin an die W.-GmbH vermietete. Die restlichen 10,02 v.H. der Gebäudefläche vermietete sie als Wohnung an den Ehemann von X. Die Mieteinnahmen deckten nur einen Teil der laufenden Belastungen der Klägerin mit Zins- und Tilgungszahlungen sowie den Grundstücksbewirtschaftungskosten ab. Selbst unter Berücksichtigung eigener Jahreseinkünfte einer der Gesellschafterinnen der Klägerin in Höhe von 80 000 DM brutto verblieb eine nicht unerhebliche kontinuierliche Unterdeckung mit Finanzmitteln, die von den Ehemännern der Gesellschafterinnen ausgeglichen wurde.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 machte die Klägerin Vorsteuern aus in diesem Zeitraum angefallenen Gebäudeerrichtungskosten geltend. Die ab 1993 anfallenden Vermietungsumsätze behandelte sie als steuerpflichtig. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wertete die Option der Klägerin für die Besteuerung der Vermietungsumsätze und den damit verbundenen Vorsteuerabzug in bezug auf die hier allein streitigen Umsätze aus der Vermietung der Praxisräume als Rechtsmißbrauch i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) begründete sein klageabweisendes Urteil u.a. wie folgt: Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich das FG anschließe, sei es als Gestaltungsmißbrauch i.S. von § 42 AO 1977 anzusehen, wenn ein Unternehmer, der eine den Vorsteuerabzug ausschließende Umsatztätigkeit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) ausführe, seinen Ehegatten als Vermieter der für sein Unternehmen benötigten Räumlichkeiten "vorschalte", damit dieser den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Immobilie geltend mache. Eine derartige "Vorschaltung" des Ehegatten liege vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete und sonstigem eigenen Einkommen decken könne und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen müsse (Hinweis u.a. auf BFH-Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541). Diese Situation habe bei der Klägerin vorgelegen. Die bei ihr vorhandene finanzielle Unterdeckung habe von den Gesellschafterinnen auch nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums beseitigt werden können.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend gemacht wird. Die Frage, welche Vertragsgestaltung im Streitfall als rechtlich angemessen i.S. von § 42 Satz 2 AO 1977 der Besteuerung zugrunde zu legen sei, bedürfe der höchstrichterlichen Klärung, weil sie weder mit den vorhandenen Gesetzen noch anhand der bisherigen Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden könne. Der BFH habe sich bisher nur mit dem "Grundfall" der Vermietung von Praxisräumen durch einen einzelnen Ehegatten an den jeweiligen Arzt-Ehegatten befaßt. Eine Klärung liege im Interesse der Allgemeinheit, weil Arztpraxen in den letzten Jahren in zunehmendem Maße in der Form von GbR organisiert seien, wobei zu den Gesellschaftern auch fremde Dritte gehörten.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt deshalb nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Revisionsverfahren klärbaren Frage in Betracht. Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt oder bereits aufgrund der Rechtsprechung des BFH geklärt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, und vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676).

Der BFH hat mehrfach entschieden, daß es als Gestaltungsmißbrauch i.S. von § 42 AO 1977 anzusehen ist, wenn ein Unternehmer, der eine den Vorsteuerabzug ausschließende Umsatztätigkeit i.S. von § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausführt, seinen Ehegatten als Vermieter der für sein Unternehmen benötigten Räumlichkeiten "vorschaltet", damit dieser den Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Immobilie geltend macht. Eine derartige "Vorschaltung" des Ehegatten liegt vor, wenn der Vermieter-Ehegatte in einem überschaubaren Zeitraum vom Zeitpunkt der Vermietung an die Aufwendungen für Zins und laufende Tilgung der aufgenommenen Fremdmittel und für die Bewirtschaftung des Grundstücks nicht aus der Miete und sonstigem eigenen Einkommen decken kann und sich der Mieter-Ehegatte deshalb über die Zahlung von Miete und ggf. Arbeitslohn hinaus in nicht unwesentlichem Umfang an diesen Aufwendungen beteiligen muß (BFH-Urteile in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541; vom 10. Dezember 1992 V R 90/92, BFH/NV 1994, 200; vom 22. Oktober 1992 V R 33/90, BFHE 169, 555, BStBl II 1993, 210; vom 7. September 1995 V R 52/94, BFH/NV 1996, 443; vom 14. Dezember 1995 V R 12/95, BFHE 179, 472, BStBl II 1996, 252).

Nach der Vorentscheidung lag im Streitfall eine solche "Vorschaltung" der beiden Ehefrauen im Verhältnis zu den die Immobilie mitfinanzierenden Arzt-Ehemännern vor. Anstelle der Begründung eines Mietverhältnisses wäre es nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung angemessen gewesen, daß die Ehefrauen ihren Ehemännern die Nutzung der Praxisräume gegen Kostenübernahme überlassen hätten (vgl. BFH-Urteile in BFHE 167, 215, BStBl II 1992, 541, unter II.3. b, dd; Urteil in BFHE 179, 472, BStBl II 1996, 252, unter II.1. d).

Aufgrund der Ausführungen der Klägerin in ihrer Beschwerdeschrift ergibt sich kein weiterer Klärungsbedarf. Der Umstand, daß die Praxisräume im Streitfall von einem weiteren Arzt, der in die Immobilienfinanzierung nicht einbezogen war, mitbenutzt wurden, führt zu keiner abweichenden umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung. Hätten die Eheleute die oben beschriebene angemessene Gestaltung gewählt, hätte es den Arzt-Ehemännern freigestanden, der Ärzte-GbR die Nutzung der Praxisräume z.B. im Rahmen eines Mietverhältnisses oder als Einlage gegen besondere Berücksichtigung bei der Gewinnverteilungsabrede zu überlassen. Entscheidend bleibt demnach auch bei mehreren Personen auf der Vermieter- und Mieterseite, ob die Vermieter als lediglich "vorgeschaltet" im Sinne der oben bezeichneten Rechtsprechung anzusehen sind.

Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

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