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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.01.2007
Aktenzeichen: V B 160/06
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 155
ZPO § 295
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
V B 160/06 V B 161/06

Gründe:

I. In den Klageverfahren war streitig, ob der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, der Vorsteuerabzug aus Rechnungen des X über Schrottlieferungen aus den Jahren 1994 bis 1999 zustand. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--), hielt die Voraussetzungen deswegen nicht für gegeben, weil X zwar unter der Adresse einen Gewerbebetrieb angemeldet hatte, dieser aber durch die Stadt Z wegen vollständiger Aufgabe des gesamten Gewerbebetriebes am 8. März 2001 mit Wirkung vom 6. Februar 1994 abgemeldet worden war. Nach Auskunft des Einwohnermeldeamtes war X nur bis zum 6. Februar 1994 unter der in den Rechnungen angegebenen Adresse gemeldet, danach unter einer Adresse in A, bis er sich im Mai 1994 mit einer Adresse in der Tschechischen Republik abgemeldet hat. Das FA ließ deshalb den Vorsteuerabzug aus Rechnungen des X beginnend mit der Rechnung vom 23. Juni 1994 nicht zum Abzug zu.

Des Weiteren ließ das FA die in Rechnungen der F-AG mit Sitz in Liechtenstein ausgewiesene Umsatzsteuer nicht zum Abzug zu, weil es sich um eine Briefkastenfirma gehandelt habe und der Verantwortliche, der den Firmennamen benutzt habe, B, in seiner Vernehmung am 16. Juli 2003 zugegeben habe, dass es sich um Scheinrechnungen gehandelt habe.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (aufgrund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 29. Juli 2006).

Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- und wegen Verfahrensfehlern (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).

II. 1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO.

2. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

a) Als Verfahrensfehler rügt die Klägerin, das FG hätte die Zeugen X, B, C, Frau X und D hören müssen. Ihr sei es unzumutbar gewesen, die im Ausland wohnenden Zeugen X und B in die Sitzung zu stellen, zumal diese erklärt hätten, sie würden nur auf eine gerichtliche Ladung vor Gericht erscheinen. Außerdem habe das FG die eidesstattliche Versicherung des B vom 26. Juli 2002, auf die er in der mündlichen Verhandlung hingewiesen habe, nicht berücksichtigt.

aa) Nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO muss in der Beschwerdeschrift u.a. der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Das Übergehen eines entscheidungserheblichen Beweisantrags kann einen solchen Verfahrensmangel darstellen. Wird jedoch ein Verstoß gegen die Beachtung von Verfahrensvorschriften gerügt, auf die gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung (ZPO) verzichtet werden kann, so setzt die zulässige Rüge des Verfahrensverstoßes die Darlegung in der Beschwerdeschrift voraus, dass der Kläger auf sein Rügerecht nicht verzichtet habe.

Zu den verzichtbaren Mängeln gehört u.a. das Übergehen eines Beweisantrages (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238, m.w.N., und vom 16. Juni 1993 I B 20/93, BFH/NV 1994, 605). Wird deshalb das Übergehen eines Beweisantrages gerügt, gehört zur ordnungsmäßigen Bezeichnung des Verfahrensmangels auch der Vortrag, dass die Nichterhebung der angebotenen Beweise in der mündlichen Verhandlung gerügt wurde oder weshalb diese Rüge nicht möglich war (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 9. Juli 1998 V R 68/96, BFHE 186, 161, BStBl II 1998, 637; BFH-Beschluss vom 8. Oktober 2003 VII B 51/03, BFH/NV 2004, 217). Entsprechende Ausführungen fehlen. Auch lässt sich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung, in der die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten vertreten war und in der --andere-- Zeugen vernommen und Niederschriften über die Vernehmung des B und des X sowie der Inhalt des Strafbefehls gegen X in das Verfahren eingeführt worden sind, nicht entnehmen, dass sie, die Klägerin, die unterlassene Einvernahme der von ihr benannten Zeugen gerügt hat. Vielmehr hat sie im Anschluss daran lediglich die Sachanträge im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1994 bis 1996 sowie im Verfahren wegen Umsatzsteuer 1997 bis 1999 gestellt.

bb) Auch soweit die Klägerin auf den Inhalt der eidesstattlichen Versicherung des B vom 26. Juli 2002 verweist, ist ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 erster Halbsatz FGO durch eine unzureichende Berücksichtigung des Akteninhalts nicht gegeben. Das FG hat ausweislich der Entscheidungsgründe seines Urteils nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden, indem es auch diese als Beweismittel vollständig gewürdigt hat. Dabei ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH im Allgemeinen nicht zu beanstanden, wenn sich das FG die tatsächlichen Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtlichen Beurteilungen des Strafverfahrens zu Eigen macht, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind und keine substantiierten Einwendungen gegen die Feststellungen des Strafurteils erhoben werden (BFH-Urteil vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198; BFH-Beschluss vom 5. Februar 1993 VIII B 103/92, BFH/NV 1993, 351, ständige Rechtsprechung). Letzteres war, wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem FG ergibt, nicht der Fall.

Die Beschwerdebegründung erschöpft sich in diesem Punkt im Grunde in Einwendungen gegen die Beweiswürdigung des Urteils. Einwände, die sich allein gegen die sachliche Richtigkeit des Urteils wenden, wozu auch die Beweiswürdigung des FG gehört, bilden aber keinen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 FGO (BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 2003 III B 117/02, BFH/NV 2003, 810, und vom 18. Mai 2005 VIII B 11/04, BFH/NV 2005, 1810). Für einen schwerwiegenden Fehler, der nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 FGO die Revision eröffnen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474), bietet die Beschwerdebegründung keine Anhaltspunkte.

b) Auch eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nicht in Betracht.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss der Kläger einen im Ausland ansässigen Zeugen in die Sitzung stellen, wenn es um den Nachweis eines im Ausland verwirklichten Sachverhalts geht (BFH-Entscheidungen vom 2. März 2005 VI B 161/04, BFH/NV 2005, 1088; vom 14. Februar 2006 II B 30/05, BFH/NV 2006, 1056; vom 9. Februar 2001 II B 9/99, BFH/NV 2001, 933). Die Klägerin meint, grundsätzliche Bedeutung habe die Frage, ob auch bei einem reinen Inlandssachverhalt ein ausländischer Zeuge in die Sitzung zu stellen sei. Diese Frage lässt sich anhand des Gesetzes, das auf einen im Ausland verwirklichten Sachverhalt abstellt, ohne weiteres beantworten. Entgegen der Behauptung der Klägerin ergibt sich Gegenteiliges auch nicht aus den von ihr bezeichneten BFH-Entscheidungen (Beschlüsse vom 12. Oktober 2000 VIII B 141/99, BFH/NV 2001, 463; vom 16. September 1993 IV B 50/93, BFH/NV 1994, 449; BFH-Urteil vom 1. Juli 1987 I R 284-286/83, BFH/NV 1988, 12), die Auslandssachverhalte zum Gegenstand haben.

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