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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.12.2006
Aktenzeichen: V B 165/05
Rechtsgebiete: FGO, BGB


Vorschriften:

FGO § 48 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 58 Abs. 2
FGO § 62 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative
FGO § 135 Abs. 2
BGB § 726
BGB § 730 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die am 14. August 1995 mit den Gesellschaftern GP, EP und der M-GmbH gegründet wurde. Als Gesellschaftszweck wurde der Erwerb und die Verwaltung der Rehabilitationsklinik H in B vereinbart. Die GmbH sollte ihren Kapitalanteil "durch Einlage von Grundbesitz in B nebst plangemäß fertigem Projekt "Reha-Klinik B" sowie aller in diesem Zusammenhang entstandenen Verbindlichkeiten erbringen. Mit notariellem Vertrag vom 22. August 1995 hatte sich die GmbH gegenüber der Klägerin verpflichtet, dieser eine noch zu vermessende Teilfläche von 57 000 qm aus ihrem Grundbesitz in B sowie das plangemäß fertige Projekt "Reha-Klinik B" zu übertragen. Besitz, Nutzen, Lasten und Gefahr gingen sofort über. Am 9. Dezember 1995 wurde zugunsten von GP, EP und der M-GmbH "als Gesellschafter nach BGB" eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen. Zur Umschreibung des Eigentums kam es aber nicht. Den Grundbesitz samt Gebäuden verpachtete die Klägerin mit Wirkung ab 1. September 1995 an die Rehabilitationsklinik B GmbH & Co. i.G.

Im Gesellschaftsvertrag ist u.a. folgendes vereinbart:

- § 5 Nr. 1 Satz 1: Die Gesellschafter sind zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet.

- § 5 Nr. 2: Zu allen Maßnahmen und Geschäften, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen, bedarf es der Zustimmung der Gesellschafterversammlung.

- § 11 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 2: Ein Gesellschafter scheidet aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses aus, wenn über das Vermögen des Gesellschafters das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet wird. Die Gesellschafterversammlung kann --ohne Stimmrecht des ausscheidenden Gesellschafters-- stattdessen verlangen, dass der Gesellschaftsanteil an eine von ihr bezeichnete Person abgetreten wird.

- § 15 Nr. 2: Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen, soweit sie nicht durch Gesellschafterbeschluss nach den Bestimmungen dieses Vertrages getroffen werden (d.h. Niederschrift eines Gesellschafterbeschlusses, § 7 Nr. 2), der Schriftform. Genügen sie dieser Form nicht, so sind sie nichtig.

Hinsichtlich der Geschäftsführung im Auflösungsstadium ist keine Vereinbarung getroffen.

Über das Vermögen der M-GmbH wurde am 1. April 1997 das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet. Am 25. April 1997 hielten die Gesellschafter GP und EP eine Gesellschafterversammlung ab, in der sie einstimmig das Ausscheiden der M-GmbH und die Fortsetzung der Gesellschaft durch sie beide beschlossen. Ob an Stelle der M-GmbH als neuer Gesellschafter AL aufgenommen wurde, ist unklar.

Am 17. November 1998 ordnete das Amtsgericht L die Zwangsversteigerung der Grundstücke der M-GmbH an, zu denen auch die mit notariellem Vertrag vom 22. August 1995 an die Klägerin veräußerten Teilflächen gehörten. Der Zuschlag wurde am 24. Februar 2000 der Dr. Z & Partner GmbH & Co. KG erteilt.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) lehnte nach mehrfach geändertem Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1995 mit Bescheid vom 19. Juli 1999 die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen durch negativen Feststellungsbescheid ab; beantragt hatte die Klägerin die Feststellung eines Verlustes aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 23 401 210 DM. Mit Umsatzsteuerjahreserklärung 1995 hatte die Klägerin außerdem einen Erstattungsanspruch in Höhe von 5 694 762 DM geltend gemacht; dies lehnte das FA ab und setzte stattdessen die Umsatzsteuer für 1995 auf 347 478 DM fest. Die Einsprüche der Klägerin blieben erfolglos.

Hiergegen erhob der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Dr. M am 9. September 2003 im Namen der Klägerin Klage. Zu diesem Zeitpunkt waren beim Finanzgericht (FG) bereits Klagen der Klägerin, vertreten durch einen anderen Prozessbevollmächtigten, zum selben Streitgegenstand anhängig (die später aber zurückgenommen wurden); dies war der Anlass für das FG, nach § 62 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit ausschließender Wirkung die Vorlage von Vollmachten für Dr. M zu verlangen.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin sei nicht wirksam vertreten; innerhalb der vom FG nach § 62 Abs. 3 FGO gesetzten Ausschlussfrist habe Dr. M nur eine Vollmacht von GP vorgelegt, dem aber im Zeitpunkt der Klageerhebung keine Einzelvertretungsbefugnis mehr zugestanden habe. Durch den Zuschlag der Grundstücke und Gebäude der Reha-Klinik B an die Dr. Z & Partner GmbH & Co. KG am 24. Februar 2000 sei der Gesellschaftszweck der Klägerin unmöglich geworden, weshalb sie sich spätestens seit diesem Zeitpunkt nach § 726 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Auflösung befinde; damit sei die Einzelvertretungsbefugnis gemäß § 730 Abs. 2 Satz 2 BGB erloschen, weil sich aus dem Gesellschaftsvertrag nichts anderes ergebe, womit die Geschäftsführung und die Vertretung der Klägerin den Gesellschaftern gemeinschaftlich zustehe (§ 730 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BGB). Eine konkludente Änderung des Gesellschaftszweckes der Klägerin könne nicht erfolgt sein, weil diese zu ihrer Wirksamkeit nach § 15 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages der Schriftform bedurft hätte. Zum ordnungsgemäßen Nachweis der Vollmacht hätte es daher einer von allen Gesellschaftern unterschriebenen Vollmachtsurkunde bedurft. Da bereits die von EP am 9. Mai 2005 erteilte Vollmacht nicht innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist --bis 23. Oktober 2003-- vorgelegt wurde, ließ das FG die Frage offen, ob und ggfs. wer bei Klageerhebung sonst noch Gesellschafter war. Da die Klägerin sowohl für die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen also auch für die Umsatzsteuer klagebefugt war und nicht etwa (auch) GP im eigenen Namen (bzw. GP hinsichtlich des negativen Feststellungsbescheides nicht im eigenen Namen aufgetreten sei), die Klägerin aber nicht wirksam vertreten wurde, sei die Klage schon aus diesem Grund unzulässig. Dass in derselben Sache bei Erhebung der Klage durch Dr. M bereits Klagen anhängig gewesen waren, sei daher nicht mehr entscheidungsrelevant. Die Kosten des Verfahrens erlegte das FG dem vollmachtlosen Prozessvertreter Dr. M auf. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Hiergegen wendet sich Dr. M als Prozessbevollmächtigter der Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde, die er mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2005 begründete und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend macht. Er trägt zur Begründung u.a. vor, GP und EP seien subjektiv nie von einer Auflösung der Klägerin ausgegangen. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2005 zeigte der Rechtsanwalt und Steuerberater S unter Vorlage einer Vollmacht von GP und EP die Vertretung der Klägerin an, teilte aber mit Schreiben vom 17. November 2005 nach Akteneinsicht und unter Hinweis auf die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde durch Dr. M mit, dass die Klägerin nicht mehr durch ihn vertreten werde.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg; weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

1. Das FG hat die Klage in erster Linie wegen unzureichender Bevollmächtigung des Prozessvertreters abgewiesen, weil die Vollmacht nicht von allen vertretungsbefugten Gesellschaftern erteilt wurde (§ 62 Abs. 3 FGO). Dies bedeutet aber auch, dass die Klägerin als GbR nicht wirksam vertreten war (§ 58 Abs. 2 FGO i.V.m. §§ 709 Abs. 1, 714 BGB). Trotzdem muss die Nichtzulassungsbeschwerde insoweit als zulässig betrachtet werden, damit die damit in Zusammenhang stehenden Argumente der Nichtzulassungsbeschwerde geprüft werden können (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2006 V B 160/05, nicht veröffentlicht --n.v.--, derzeit in juris).

2. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung, wenn es sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame Frage handelt, deren Beantwortung durch den BFH aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom 16. Juli 1999 IX B 81/99, BFHE 189, 401, BStBl II 1999, 760; vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254, 430).

Durch die Rechtsprechung des BFH zur Prozessfähigkeit einer GbR i.S. des § 58 Abs. 2 FGO ist aber geklärt, dass die Gesellschafter einer GbR mangels anderer Vereinbarungen nur gemeinschaftlich klagebefugt sind --und deshalb nur gemeinschaftlich einen Prozessvertreter bevollmächtigen können--; dies gilt selbst dann, wenn einer der Gesellschafter für eine im Namen der Gesellschaft erhobene Klage die Erteilung einer Vollmacht schikanös verweigern sollte (BFH-Beschluss vom 25. Juli 1995 IV B 161/94, BFH/NV 1996, 155).

Von diesen Grundsätzen ist das FG ausgegangen. Demgegenüber haben die Fragen, wann sich eine GbR in Auflösung befindet, wenn die Gesellschafter diese Auflösung nicht zur Kenntnis nehmen und in welcher Form die Übertragung der Vertretungsbefugnis auf einen Gesellschafter zu erfolgen hat, damit dieser die Gesellschaft wirksam nach außen vertreten kann, keine grundsätzliche Bedeutung, weil diese Fragen immer nur im Einzelfall unter Würdigung des individuellen Sachverhaltes entschieden werden können.

Ob das FG die Grundsätze der oben genannten BFH-Rechtsprechung mit Blick auf eine im Einzelfall eingetretene Auflösung der GbR wegen Unmöglichwerdens ihres Zweckes (§ 726 BGB) und damit einhergehend des Wegfalls der Einzelvertretungsbefugnis (§ 730 Abs. 2 Satz 2 BGB) oder eine mögliche Änderung des Gesellschaftszweckes trotz entgegenstehender Formvorschriften des Gesellschaftsvertrages bzw. die Erteilung einer neuen Einzelvertretungsbefugnis für GP zutreffend angewendet hat, ist für die Zulassung der Revision unerheblich; Fehler bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts im konkreten Einzelfall rechtfertigen für sich gesehen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331; vom 4. Juli 2002 IX B 169/01, BFH/NV 2002, 1476; vom 28. Mai 2004 IX B 19/04, n.v., juris).

b) Mit der Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung durch das FG kann auch die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO nur dann erreicht werden, wenn es sich bei den behaupteten Mängeln um offensichtliche Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung handelt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juli 2003 III B 125/02, BFH/NV 2003, 1445; vom 29. Juni 2004 III B 98/03, n.v., juris).

Derart schwerwiegende Fehler sind nicht ersichtlich; das FG hat sich vielmehr ausführlich und in nachvollziehbarer Weise mit den Fragen in Zusammenhang mit der Vertretungsbefugnis von GP auseinander gesetzt; seine Würdigung des Einzelfalls kann revisionsrechtlich nicht beanstandet werden.

c) Da die Klage ausdrücklich von der Klägerin als GbR erhoben wurde, ist unerheblich, ob GP hinsichtlich des negativen Feststellungsbescheides als Gesellschafterin im eigenen Namen nach § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO allein klagebefugt gewesen wäre.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO; der vollmachtlose Prozessvertreter hat dabei auch das Beschwerdeverfahren zu verantworten (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. August 1996 II B 73/96, BFH/NV 1997, 57; vom 22. Februar 2000 IX B 99/99, BFH/NV 2000, 977; vom 31. März 2006 V B 206/05, BFH/NV 2006, 1327).

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