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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.02.2002
Aktenzeichen: V B 167/01
Rechtsgebiete: KO, FGO, AO 1977


Vorschriften:

KO § 65
KO § 146
KO § 61 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
AO 1977 § 175a Satz 2
AO 1977 § 175a Satz 1
AO 1977 § 174 Abs. 4
AO 1977 § 251 Abs. 3
AO 1977 § 174 Abs. 4 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob ein während eines Konkursverfahrens ergangener Feststellungsbescheid nach Ablauf der Festsetzungsfrist ergangen ist.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der X GmbH i.K. (GmbH). Diese war bis zur Eröffnung des Konkursverfahrens am 8. Mai 1987 Organgesellschaft der X Grundstücksgesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) und wurde daher nicht zur Umsatzsteuer veranlagt.

Während eines Rechtsstreits der GbR gegen das FA H wegen Umsatzsteuer 1986, zu dem der Kläger beigeladen worden war, wurde eine Einigung dahin erzielt, dass die umsatzsteuerrechtliche Organschaft mit der GmbH am 26. Juni 1986 beendet worden sei. Darauf erließ das FA H einen der Vereinbarung entsprechenden Umsatzsteuerbescheid für 1986 gegen die GbR vom 16. März 1994.

Nach Aufforderung durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) reichte der Kläger am 10. Juni 1994 als Konkursverwalter der GmbH Umsatzsteuererklärungen für 1986 und 1987 ein. Mit Verfügung vom 5. Dezember 1994 meldete das FA die Umsatzsteuer für 1986 (in Höhe von 4 456 053 DM) und für 1987 (in Höhe von 203 105 DM) als bevorrechtigte Abgabenforderungen gemäß § 61 Abs. 1 Nr. 2 und § 65 der Konkursordnung (KO) zur Konkurstabelle an.

Nachdem der Kläger die Forderungen im Prüfungstermin in vollem Umfang bestritten hatte, erließ das FA am 26. August 1997 den streitbefangenen Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 146 KO. Darin stellte es die Steueransprüche --wie angemeldet-- und das Vorrecht nach § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO fest.

Einspruch und Klage gegen diesen Feststellungsbescheid blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) folgte nicht der Auffassung des Klägers, nach der die Steueransprüche wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist erloschen seien. Vielmehr sei der Ablauf der Festsetzungsfrist für die Umsatzsteuer 1987 (am 31. Dezember 1994) durch die Anmeldung der Steueransprüche zur Konkurstabelle am 5. Dezember 1994 gehemmt worden. Die Hemmung bestehe fort, weil das Konkursverfahren noch nicht beendet worden sei.

Der Feststellung der Umsatzsteuer 1986 in dem Bescheid vom 26. August 1997 stehe der Ablauf der Festsetzungsfrist am 31. Dezember 1993 nicht entgegen. Das FA sei nach § 174 Abs. 4 und 5 AO 1977 berechtigt gewesen, diesen Steueranspruch gegen den Kläger festzustellen. Das FA H habe den aufgrund irriger Beurteilung (durch die Annahme einer Organschaft) gegen die GbR ergangenen fehlerhaften Umsatzsteuerbescheid für 1986 am 16. März 1994 geändert und das beklagte FA habe den Umsatzsteueranspruch für 1986 innerhalb eines Jahres am 5. Dezember 1994 zur Konkurstabelle angemeldet. Dies reiche für die Einhaltung der Festsetzungsfrist aus; denn während des Konkursverfahrens dürfe kein Steuerfestsetzungsbescheid ergehen, so dass nur eine Anmeldung der Steuerforderung zur Konkurstabelle (im Streitfall am 5. Dezember 1994) möglich sei. Auch ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 i.V.m. § 146 KO sei erst nach einem Bestreiten der angemeldeten Forderung durch den Konkursverwalter zugelassen. Da der Kläger die angemeldete Umsatzsteuer für 1986 nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheids für 1986 gegen die GbR am 16. März 1994, sondern erst im Prüfungstermin am 8. September 1995 bestritten habe, komme es für die Bestimmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht auf diesen Bescheid vom 26. August 1997 an.

Mit der Beschwerde gegen das Urteil des FG vom 28. August 2001 begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Anwendbare Vorschriften

Die Zulässigkeit der Beschwerde bestimmt sich gemäß Art. 4 und 6 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757, BStBl I 2000, 1567) nach den vom 1. Januar 2001 an geltenden Vorschriften, wenn die Entscheidung nach dem 31. Dezember 2000 verkündet oder von Amts wegen anstelle einer Verkündung zugestellt wurde; danach ist im Streitfall das neue Recht anzuwenden.

2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache

Der Kläger misst der Rechtsfrage (sinngemäß) grundsätzliche Bedeutung bei, ob die in § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 bezeichnete Jahresfrist schon mit einer tatsächlichen Verständigung über den Sachverhalt beginnt, der zu der irrigen Beurteilung der steuerrechtlichen Folgen geführt hat, oder erst mit der Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids anfängt.

a) Einer Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) bedarf es zur Klärung der erwähnten Rechtsfrage jedoch nicht.

Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Gesamtheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51, 52). Eine Änderung gegenüber den vor dem 1. Januar 2001 dazu entwickelten Grundsätzen ergibt sich nicht (so auch BFH-Beschlüsse vom 12. November 2001 VIII B 61/01, BFH/NV 2002, 220; vom 4. Dezember 2001 X B 112/01, BFH/NV 2002, 346).

Die Klärungsbedürftigkeit fehlt im Streitfall, weil die von dem Kläger bezeichnete Rechtsfrage auf Grund des eindeutigen Gesetzeswortlauts für die Umsatzsteuer 1986 klärbar ist und sich die Rechtsfrage für die Umsatzsteuer 1987 nicht stellt.

b) Nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 ist der Ablauf der Festsetzungsfrist unbeachtlich, wenn die steuerlichen Folgerungen innerhalb eines Jahres nach Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Steuerbescheids gezogen werden. Zweck der Vorschrift ist es, nach antragsgemäßer Änderung eines Steuerbescheids ggf. unter Durchbrechung der Bestandskraft die in einem anderen Steuerbescheid gezogenen steuerlichen Folgerungen rückgängig zu machen (vgl. BFH-Urteil vom 4. April 2001 XI R 59/00, BFHE 195, 286), die sich nachträglich als unzutreffend erwiesen haben (vgl. Gesetzesbegründung BTDrucks VI/1982, 153, 154; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 10. November 1997 GrS 1/96, BFHE 184, 1, BStBl II 1998, 83). Die Vorschrift ist auf alle Fälle einer sachlichen oder rechtlichen Fehlbeurteilung anwendbar, wenn dadurch eine Besteuerungslücke geschlossen wird (BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 49/95, BFH/NV 1997, 89). Unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige oder das FA den Irrtum veranlasst hat (vgl. z.B. Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 174 Rdnr. 62).

Danach ist für den Beginn der Jahresfrist nicht die tatsächliche Verständigung über die Beendigung der Organschaft maßgebend, sondern die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzungen für 1986 und 1987 gegen die GbR, die vorher fehlerhaft als Organträgerin angesehen und mit den von der GmbH ausgeführten Umsätzen besteuert wurde. Ob es zu der im Schriftsatz vom 22. Februar 2002 erwähnten tatsächlichen Verständigung gekommen ist, kann daher dahinstehen.

Die fehlerhafte Umsatzsteuerfestsetzung gegen die GbR ist durch Bescheid vom 16. März 1994 geändert worden. Die Bekanntgabe dieses Bescheids setzte die Jahresfrist nach § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 in Lauf. Vor ihrem Ablauf hat das FA die steuerlichen Folgerungen durch die Anmeldung der Umsatzsteuerforderung für 1986 zur Konkurstabelle gezogen. Da ein Steuerbescheid nach Konkurseintritt gegen den Gemeinschuldner nicht mehr erlassen werden darf und der Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO 1977 erst nach dem Bestreiten der Forderung durch den Konkursverwalter ergehen darf (vgl. dazu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 251 AO 1977 Tz. 68; Beermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 251 AO 1977 Rz. 426; Kuhn/ Uhlenbruck, Konkursordnung, 11. Aufl., § 146 Rz. 35c), wahrt die Anmeldung der Steuerforderung zur Konkurstabelle innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Änderungsbescheids die in § 174 Abs. 4 Satz 3 AO 1977 erwähnte Frist. Die erst nach dem Bestreiten der angemeldeten Forderung im Prüfungstermin vom 8. September 1995 mögliche Bekanntgabe des Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO 1977 vom 26. August 1997 setzt diese Rechtslage fort. Für diesen Bescheid ist keine Frist vorgesehen.

c) Der von dem Kläger gezogene Vergleich zu § 175a Satz 2 AO 1977 hilft nicht weiter, weil die in der bezeichneten Vorschrift erwähnte Verständigungsvereinbarung nicht gegeben ist. Eine tatsächliche Verständigung, wie sie im Streitfall erreicht wurde, ist keine nach einem Doppelbesteuerungsabkommen vorgesehene Verständigungsvereinbarung i.S. von § 175a Satz 1 AO 1977 (vgl. dazu Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 7. Aufl., § 175a).

d) Soweit das angestrebte Revisionsverfahren die Umsatzsteuer 1987 betreffen würde, stellt sich die von dem Kläger hervorgehobene Rechtsfrage nicht, weil --wie das FG entschieden hat-- die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen, sondern unterbrochen worden ist.

3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Ende der Entscheidung

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