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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.05.1998
Aktenzeichen: V B 17/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 65 Abs. 1 Satz 1
FGO § 65 Abs. 2 Satz 2
FGO § 79b Abs. 1
FGO § 56 Abs. 1
FGO § 56
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 65
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) --eine GmbH-- erhob u.a. gegen die Umsatzsteuerfestsetzung für 1994 in Gestalt der Einspruchsentscheidung Klage. Diese Steuerfestsetzung beruhte wegen Nichtabgabe der Steuererklärung auf einer Schätzung der Besteuerungsgrundlagen durch den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--). Die Klage enthielt noch keinen Antrag. Eine Begründung wurde in Aussicht gestellt.

Das Finanzgericht (FG) forderte den Bevollmächtigten der Klägerin mit Verfügung vom 16. Juli 1997 gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung den Gegenstand des Klagebegehrens und die Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf zu bezeichnen. Er wurde zugleich darauf hingewiesen, daß im Fall einer Versäumung der gesetzten Frist die Klage allein aus diesem Grunde als unzulässig abgewiesen werden müsse, sofern nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könne. Zusätzlich wurde dem Bevollmächtigten gemäß § 79b Abs. 1 FGO aufgegeben, innerhalb von vier Wochen nach Zustellung der Verfügung diejenigen Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren die Klägerin sich beschwert fühle. Die Verfügung wurde mit Postzustellungsurkunde am 23. Juli 1997 zugestellt.

Am 6. August 1997 beantragte die Klägerin, die im einzelnen bezeichneten Bescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 1997 auf der Grundlage der entsprechenden Steuererklärungen, die als Begründung der Klage innerhalb der durch den Senat gesetzten Frist eingereicht würden, zu ändern.

Mit Schriftsatz vom 14. August 1997 beantragte sie, die in der Verfügung vom 16. Juli 1997 gesetzte Frist zur Vorlage der Klagebegründung um vier Wochen zu verlängern. Als Begründung der Klage sollten die Steuererklärungen dienen. Deren Fertigstellung verzögere sich aber durch den schlechten Gesundheitszustand ihres Geschäftsführers. Auf ein beigefügtes ärztliches Attest wurde verwiesen. Die Steuerklärungen gingen am 13. November 1997 beim FA ein.

In der mündlichen Verhandlung am 14. November 1997 beantragte die Klägerin, neben den anderen angefochtenen Steuerbescheiden den Umsatzsteuerbescheid 1994 vom 19. März 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf der Grundlage der vorliegenden Steuererklärungen zu ändern.

Das FG verwarf die Klage. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin habe in der ihr gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO gesetzten Ausschlußfrist den Gegenstand des Klagebegehrens nicht ausreichend bezeichnet. Sie habe im Schriftsatz vom 5. August 1997 lediglich auf noch einzureichende Steuererklärungen Bezug genommen. Eine Bezugnahme auf Steuererklärungen reiche nur aus, wenn diese bereits vorlägen, sei es dem Gericht, sei es dem FA (Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. März 1988 I R 93/84, BFHE 153, 290, BStBl II 1988, 895; BFH-Beschluß vom 26. Januar 1995 V B 63/94, BFH/NV 1995, 896).

Auch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 Abs. 1 FGO wegen Versäumung der Ausschlußfrist komme nicht in Betracht. Die Frist sei nicht ohne Verschulden des Bevollmächtigten der Klägerin versäumt worden. Die Klägerin müsse sich dieses Verschulden zurechnen lassen, weil ihr Bevollmächtigter gewußt habe, daß die Frist für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens am 6. August 1997 ablaufe. Er habe unter Bezugnahme auf die Fristsetzung am letzten Tag der Frist die ebenfalls angeforderte Vollmacht eingereicht. Er hätte daher innerhalb der Frist einen entsprechenden Fristverlängerungsantrag für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens stellen müssen. Daß er dies nicht getan habe, sondern die Fristversäumnis in Kauf genommen habe, müsse ihm als sein Verschulden angelastet werden (BFH-Beschluß vom 6. Juli 1987 VI R 24/86, BFH/NV 1988, 99). Sollte der Bevollmächtigte, wie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, der Ansicht gewesen sein, durch seinen Schriftsatz vom 5. August 1997 den Gegenstand des Klagebegehrens ausreichend bezeichnet zu haben, sei er insoweit einem Rechtsirrtum unterlegen, der angesichts der vorliegenden Rechtsprechung zu dieser Frage bei einem Steuerberater nicht als unverschuldet angesehen werden könne.

Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin Zulassung der Revision. Sie stützt den Antrag auf Divergenz und auf Verfahrensmangel.

Zur Divergenz trägt sie vor, das FG setze sich in einen deutlichen Widerspruch zu dem Urteil des BFH vom 28. Mai 1986 I R 75/83 (BFHE 146, 573, BStBl II 1986, 753). Nach dieser Entscheidung dürfe das FG gemäß Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes das rechtliche Gehör durch die besonderen Bestimmungen des Art. 3 § 3 Abs. 2 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit --die später in die Finanzgerichtsordnung übernommen worden seien-- nicht einschränken. Das FG sei nach diesem Urteil verpflichtet gewesen, die Klagebegründung der Klägerin und die von ihr vorgelegten Urkunden auch in der mündlichen Verhandlung entgegenzunehmen.

Als Verfahrensmangel bezeichnet die Klägerin, daß das Gericht insbesondere die Einlassung und das Vorbringen zu § 56 FGO in seinem Urteil nicht ausreichend berücksichtigt habe. Das Übergehen dieses Antrags ohne Begründung sei nach einschlägiger Rechtsprechung ein Verfahrensmangel. Bei der Berücksichtigung des § 56 FGO komme es nicht darauf an, ob der Prozeßbevollmächtigte noch rechtzeitig eine Frist verlängern lasse; entscheidend sei, ob das Fristversäumnis auf ein Hindernis zurückzuführen sei, für das sie, die Klägerin, bzw. ihr alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer nicht einstehen könne. Die schlechte gesundheitliche Verfassung des Geschäftsführers sei auch dem FA seit langem bekannt. Es habe keine Möglichkeit bestanden, seine Mitwirkung an der erforderlichen Einreichung der Steuererklärung zu erreichen. Auf das ärztliche Attest werde verwiesen. Die Klagebegründung in Form der Steuererklärung habe innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung des Hindernisses vorgelegen. Entsprechend sei der bis dahin gestellte Antrag konkludent konkretisiert worden.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des BFH kommt nicht in Betracht. Das angefochtene Urteil weicht nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 146, 573, BStBl II 1986, 753 ab. Das FA führt in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend aus, daß dieses BFH-Urteil zu der bis 31. Dezember 1992 geltenden Rechtslage ergangen war und daß der Gesetzgeber im Hinblick auf diese Rechtsprechung § 65 FGO dahingehend geändert hatte, daß auch zur Bezeichnung des Klagebegehrens eine Ausschlußfrist gesetzt werden kann. Das angefochtene Urteil stützt sich insoweit auf die einschlägige BFH-Rechtsprechung.

Zulassung der Revision wegen Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) scheidet ebenfalls aus. Der Senat kann offenlassen, ob eine fehlerhafte Ablehnung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als Verfahrensfehler (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, § 115 Rz. 25a am Ende) oder als materiell-rechtlicher Fehler (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 56 Rz. 73) anzusehen ist. Handelt es sich insoweit um einen Verfahrensfehler, so liegt ein solcher im Streitfall jedenfalls nicht vor. Das FG stützt seine Entscheidung ohne Rechtsverstoß darauf, daß der Bevollmächtigte der Klägerin die Nichteinhaltung der Ausschlußfrist für die Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens in Kauf genommen habe.

Ende der Entscheidung

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