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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 12.10.1999
Aktenzeichen: V B 17/99
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG 1991 bzw. 1993, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 165 Abs. 1
UStG 1991 bzw. 1993 § 9
UStG § 4 Nr. 9 Buchst. a
UStG § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a
FGO § 128 Abs. 3
FGO § 69 Abs. 2
FGO § 69 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine Grundstücksgesellschaft, beabsichtigte, ein Grundstück nach Erwerb mit einem Bürogebäude zu bebauen. Nachdem die erforderliche Baugenehmigung nicht erteilt worden war, trat sie vom Kaufvertrag zurück.

Die Antragstellerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für 1992 und 1993 (Streitjahre) Vorsteuerbeträge aus ihr erteilten Rechnungen über Planungsleistungen für das Bauvorhaben sowie über sonstige mit dem Objekt in Zusammenhang stehende Leistungen geltend (1992: ... DM und 1993: ... DM). Umsätze führte die Antragstellerin in den Streitjahren nicht aus. Erst 1994 erbrachte sie --teils steuerpflichtige, teils steuerfreie-- Leistungen.

Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) stimmte den Umsatzsteuererklärungen zu, setzte aber die Steuern gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) vorläufig hinsichtlich des Verzichts der Antragstellerin gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes 1991 bzw. 1993 (UStG) auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a bzw. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG fest.

Durch Bescheide vom 30. Juli 1997 änderte das FA die Umsatzsteuer für die Streitjahre (Festsetzung jeweils 0 DM). Es vertrat im Anschluß an eine (erneute) Umsatzsteuer-Sonderprüfung die Auffassung, die Absicht, für spätere grundsätzlich steuerfreie Umsätze zur Umsatzsteuerpflicht zu optieren, führe nur dann zur Vorsteuer-Abzugsberechtigung, wenn tatsächlich Umsätze bewirkt würden; ein hypothetischer Verzicht auf Steuerbefreiungen sei nicht zulässig. Deshalb sei im Streitfall der Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG i.V.m. § 4 Nr. 9 Buchst. a bzw. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG ausgeschlossen.

Die Antragstellerin legte gegen diese Bescheide Einspruch ein und beantragte zugleich, deren Vollziehung auszusetzen, was das FA ablehnte.

Den daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (u.a.) der Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1992 und 1993 vom 30. Juli 1997 wies das FG zurück.

Mit der dagegen eingelegten --vom FG zugelassenen-- Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, der Beschluß des FG widerspreche der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu sog. erfolglosen Unternehmern (EuGH-Urteile vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94, INZO, Slg. 1996, I-857, 870, BStBl II 1996, 655; vom 15. Januar 1998 Rs. C-37/95, Ghent Coal Terminal, Slg. 1998 I-1, 17) und berücksichtige nicht die Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs (BFH) zu vergleichbaren Sachverhalten vom 27. August 1998 V R 18/97 (BFHE 186, 475) und V R 77/96 (BFHE 186, 468). Sie habe geplant, das Objekt umsatzsteuerpflichtig zu vermieten oder zu verkaufen, so daß Vorsteuerbeträge in der Investitionsrechnung nicht zu Aufwand geführt hätten. Dies ergebe sich aus entsprechenden Berechnungen zu Investition und Mietertrag in einem Kreditantrag an eine Bank für das geplante Projekt.

II. Die Beschwerde wegen der Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1992 und 1993 ist gemäß § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft und begründet. An der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide bestehen ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 und 3 FGO.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer als Vorsteuerbeträge u.a. abziehen: die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ist der Vorsteuerabzug ausgeschlossen, wenn die bezogene Leistung zur Ausführung steuerfreier Umsätze verwendet wird.

Da über das Recht auf Vorsteuerabzug bereits bei Erhalt der Rechnung mit Steuerausweis über die Leistung zu entscheiden ist (Grundsatz des "Sofortabzugs"), ist zunächst, solange die tatsächliche Verwendung fehlt, darauf abzustellen, ob steuerfreie oder steuerpflichtige Verwendungsumsätze beabsichtigt sind. Das gilt auch für den Vorsteuerabzug bei einem Immobilienhändler oder Vermietungsunternehmer, der seine Bauten unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a bzw. § 4 Nr. 12 Satz 1 Buchst. a UStG veräußern bzw. vermieten will. Zweifelhaft erscheint lediglich, ob der "Sofortabzug" --vorbehaltlich einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG-- "endgültig" oder nur "materiell vorläufig" ist (vgl. dazu im einzelnen BFH-Beschluß vom 5. Mai 1999 V B 31/99, BFH/NV 1999, 1524).

2. Der hier zu beurteilende Sachverhalt liegt ähnlich, da die Nichterteilung der Baugenehmigung dazu führte, daß die Antragstellerin das Objekt nicht zur Ausführung der beabsichtigten umsatzsteuerpflichtigen Umsätze verwenden konnte. Dabei geht der Senat bei der --im vorliegenden Verfahren der Aussetzung der Vollziehung nur möglichen-- summarischen Prüfung davon aus, daß die Antragstellerin entsprechend ihrem substantiierten Vorbringen und der von ihr bereits mit den Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Streitjahre abgegebenen Optionserklärung mit dem Grundstück tatsächlich steuerpflichtige Vermietungsumsätze ausführen oder es steuerpflichtig veräußern wollte. Gegenteilige Anhaltspunkte ergeben sich weder aus den Akten noch aus dem Vorbringen des FA.

3. Da mithin an der Rechtmäßigkeit der den Vorsteuerabzug der Antragstellerin versagenden Umsatzsteuer-Änderungsbescheide für 1992 und 1993 vom 30. Juli 1997 ernstliche Zweifel bestehen (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182; vom 24. Mai 1993 V B 33/93, BFH/NV 1994, 133), war die Vollziehung der Bescheide antragsgemäß --bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Einspruchsentscheidung-- auszusetzen.

Ende der Entscheidung

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