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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.04.1999
Aktenzeichen: V B 173/98
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 142 Abs. 1 | |
FGO § 96 Abs. 1 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 117 Abs. 1 Satz 2 | |
AO 1977 § 122 Abs. 2 |
Gründe
I. Das Finanzamt B (FA) vollstreckt gegen die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) wegen rückständiger Steuern und steuerlichen Nebenleistungen in Höhe von insgesamt ... DM.
Über diesen Betrag lautet eine Aufstellung der in Vollstreckung befindlichen Rückstände des FA vom 3. Mai 1996, die die angeblichen Steuerschulden auf mehr als zwei Seiten auflistet, ohne daß im einzelnen klar ersichtlich ist, inwieweit die Steuerschulden auf Steueranmeldungen oder Steuerbescheiden beruhen und ohne daß die Steuerbescheide eindeutig bezeichnet werden. Überwiegend geht es um Umsatzsteuer.
Die Antragstellerin bestreitet im wesentlichen, daß die Steuerschulden bestehen. Sie behauptet, sie habe die zugrundeliegenden Steuerbescheide gar nicht erhalten; erhalten habe sie lediglich einen Einkommensteuerbescheid für 1980, aus dem noch Säumniszuschläge offen sein könnten, einen Einkommensteuerbescheid für 1983, aus dem aber keine Steuern mehr offen zu sein schienen, und einen Haftungsbescheid vom 4. September 1989 wegen Lohnsteuer für 1979 bis 1983.
Die Antragstellerin beabsichtigt, Klage zu erheben mit dem Antrag auf Feststellung, daß dem FA abgesehen von den sich aus dem Haftungsbescheid vom 4. September 1989 ergebenden Forderungen sowie eventuellen Rückständen aus den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1980 und 1983 keinerlei Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis gegen sie zustehen.
Ihren Antrag, ihr für diesen Rechtsstreit Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen, hat das Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 9. Juli 1998 abgelehnt.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der vorliegenden Beschwerde. Sie meint, das FG habe zu Unrecht eine Erfolgsaussicht der Klage verneint, da es im Wege eines Anscheinsbeweises von einem Zugang der Steuerbescheide ausgegangen sei.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Das FG hat der Antragstellerin zu Recht die Gewährung von PKH versagt.
Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet sowie nicht mutwillig erscheint. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat. Das Gericht muß den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund dessen Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen zumindest für vertretbar halten und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt sein. Aus der Regelung in § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO, nach der der Antragsteller in dem Antrag auf PKH das Streitverhältnis unter Angabe der Beweismittel darzustellen hat, ist zu entnehmen, daß er die hinreichende Erfolgsaussicht als Voraussetzung der Bewilligung einer PKH zumindest schlüssig --ggf. mit Beweisantritten-- darlegen muß (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. Juni 1997 XI B 174/96, BFH/NV 1998, 17).
Soweit der Vollstreckungsandrohung des FA Steueranmeldungen zugrunde liegen, macht die Antragstellerin selbst in der Beschwerdebegründung keine Gesichtspunkte mehr geltend, die eine beabsichtigte Klage hinreichend erfolgreich erscheinen lassen.
Soweit der Vollstreckungsandrohung des FA andere Bescheide als die Einkommensteuerbescheide für 1980 und 1983 sowie der Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 4. September 1989 zugrunde liegen, ist aufgrund des bisherigen Sach- und Streitstands mit dem FG davon auszugehen, daß die Klage der Antragstellerin keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.
Nach § 122 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, zu dem dort näher bezeichneten Zeitpunkt als bekanntgegeben; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts nachzuweisen. Der Nachweis des Zugangs kann von der Behörde nicht nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises (prima-facie-Beweis) geführt werden; es gelten vielmehr die allgemeinen Beweisregeln, insbesondere die des Indizienbeweises. Demnach können bestimmte Verhaltensweisen des Steuerpflichtigen innerhalb eines längeren Zeitraums nach Absendung des Steuerbescheids im Zusammenhang mit dem Nachweis der Absendung vom FG im Wege einer freien Beweiswürdigung nach § 96 Abs. 1 FGO dahingehend gewürdigt werden, daß --entgegen der Behauptung des Steuerpflichtigen-- von einem Zugang des Steuerbescheids ausgegangen wird (BFH-Urteil vom 14. März 1989 VII R 75/85, BFHE 156, 66, BStBl II 1989, 534).
Das FG hat mehrere Indizien aufgeführt, die für einen Zugang der Bescheide sprechen. So hat es im einzelnen ausgeführt, daß der Antragstellerin ihre Steuerschulden mehrfach bekanntgegeben wurden, ohne daß sie diese oder den Zugang der entsprechenden Bescheide bestritt. Dabei ist es in erster Linie Sache des FG zu beurteilen, welche Beweiskraft es diesen Indizien beimißt. Das FG hat auch ermittelt, um welche Bescheide es im wesentlichen geht. Unter diesen Umständen durfte es ohne Rechtsverstoß eine hinreichende Erfolgsaussicht der von der Antragstellerin beabsichtigten Klage verneinen.
Ende der Entscheidung
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