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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.03.2009
Aktenzeichen: V B 179/07
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 1
UStG § 6
UStG § 6a Abs. 4
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Streitig ist, ob die für innergemeinschaftliche Lieferungen geltende Vertrauensschutzregelung in § 6a Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) auf Ausfuhrlieferungen in ein Drittland entsprechend anwendbar ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb unter einer Einzelfirma u.a. den Handel mit Computerteilen. Sie lieferte diese Computerteile überwiegend nach Polen, in den Streitjahren (1998 bis 2002) noch Drittlandsgebiet i.S. des § 1 Abs. 2 a Satz 3 UStG. Einem Teil der Ausfuhrlieferungen an polnische Unternehmen lagen Ausfuhrerklärungen mit gefälschten Zollstempeln bei. Bei diesen Lieferungen, insbesondere an die polnischen Unternehmen A, B und C waren die Waren von Beauftragten dieser Unternehmen im Inland bei der Klägerin abgeholt worden. Als Nachweis der Ausfuhr nach Polen wurden die Ausfuhranmeldungen mit Stempeln der Grenzzollstellen und als Nachweis des ausländischen Abnehmers die Rechnungen mit jeweiliger Adressierung an polnische Unternehmen vorgelegt. Sämtliche Zollstempel waren gefälscht: Die Ausfuhrstempel der deutschen Zollstellen waren mit Hilfe von Computertechnik aufgebracht worden. Dabei wurde ein echter Stempelabdruck eingescannt und in eine Bilddatei umgewandelt. Dadurch konnten die Daten weiter ver- und bearbeitet werden, z.B. um das Datum oder die Stempelzahl zu ändern. Die Aufbringung erfolgte dann mit Hilfe eines Farbtintenstrahl- bzw. Laserdruckers. Die Unterscheidung zu echten Stempeln war nur durch ein Stempelprüfgerät oder unter einem Mikroskop möglich.

Zu den Zeitpunkten der Warenausfuhr konnte bei den polnischen Zollstellen eine entsprechende Einfuhr nicht festgestellt werden. Die Empfängerunternehmen waren zum Zeitpunkt der Lieferungen nicht oder nicht mehr existent bzw. tätig.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) versagte für diese Ausfuhrlieferungen in den Steuerfestsetzungen für die Streitjahre die von der Klägerin in Anspruch genommene Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 1, § 6 UStG.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage der Klägerin ab. Es führte zur Begründung aus, die gesetzlichen Voraussetzungen steuerbefreiter Ausfuhrlieferungen lägen nicht vor. Eine entsprechende Anwendung der in § 6a Abs. 4 UStG für innergemeinschaftliche Lieferungen vorgesehenen Vertrauensschutzregelung auch bei Ausfuhrlieferungen in Drittländer komme im Regelungsbereich des § 6 UStG nicht in Betracht.

Die Klägerin könne sich mit ihrer Auffassung nicht auf den Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 2. März 2006 V R 7/03 (BFHE 213, 127, BStBl II 2006, 672) berufen, weil dieser Rechtsstreit einen außergewöhnlichen Sachverhalt im nichtkommerziellen Reiseverkehr und dessen Berücksichtigung im Erlassverfahren betreffe; beide Voraussetzungen lägen im hier zu entscheidenden Rechtsstreit nicht vor. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes könne allenfalls im Billigkeitswege zum Tragen kommen. Eine solche eigenständig zu treffende Billigkeitsentscheidung liege im Streitfall aber gerade nicht vor. Es sei daher nicht darüber zu entscheiden, ob im Streitfall unter Billigkeitsgesichtspunkten die Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG gleichsam entgegen den geltenden Gesetzesbestimmungen zur Anwendung komme.

Das FG-Urteil ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 232 abgedruckt.

Gegen dieses ihr am 19. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die sie erst nach Ablauf der Begründungsfrist (19. September 2007) am 20. September 2007 begründet hat.

Auf den entsprechenden Hinweis der Geschäftsstelle des Senats vom 24. September 2007, zugestellt am 26. September 2007, hat die Klägerin mit Schreiben vom 23. Oktober 2007, beim BFH eingegangen am 25. Oktober 2007, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beantragt.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen, die in der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten zu 2. angestellte Rechtsassessorin X habe "aufgrund eines Missverständnisses die Begründungsfrist zunächst falsch" errechnet. Sie habe einen Tag später den Fehler bemerkt und ihn in ihrem Kalender korrigiert, nicht aber die für das Fristenbuch der Kanzlei zuständige Angestellte von dem Fehler informiert.

Die Klägerin begehrt Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO.

Das FA meint, die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor; jedenfalls sei die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Der Senat lässt offen, ob der Klägerin wegen der Versäumung der Frist für die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Denn jedenfalls liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

1.

Die Revision kann nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen werden.

a)

Die Klägerin trägt zur Begründung vor, bisher sei von der Rechtsprechung --auch höchstrichterlich-- eine analoge Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG auf Ausfuhrlieferungen abgelehnt worden (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 6. Mai 2004 V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748). Ob an dieser Rechtsprechung festgehalten werden könne, sei aufgrund des Vorlagebeschlusses des BFH in BFHE 213, 127, BStBl II 2006, 672 zweifelhaft geworden.

b)

Diese Ausführungen der Klägerin rechtfertigen keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil die Rechtslage geklärt ist.

aa)

Dabei kann der Senat offenlassen, ob die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage im Zeitpunkt der Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzliche Bedeutung hatte.

Denn maßgebend für die Beantwortung der Frage, ob ein Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vorliegt, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 14 und § 116 Rz 61, m.w.N.). Eine auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat deshalb keinen Erfolg, wenn zwar im Zeitpunkt der Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die grundsätzliche Bedeutung der bezeichneten Rechtsfrage zu bejahen war, diese aber später durch eine klärende Entscheidung des BFH, die mit der vom FG vertretenen Ansicht übereinstimmt, entfallen ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 12. Oktober 1993 X B 122/93, BFH/NV 1994, 712; vom 28. Juli 2000 III B 66/97, BFH/NV 2001, 158; vom 25. Juni 2008 X B 210/05, BFH/NV 2008, 1649; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 61, m.w.N.).

bb)

So liegt es im Streitfall. Durch das BFH-Urteil vom 30. Juli 2008 V R 7/03 (BFH/NV 2009, 438) --Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 21. Februar 2008 Rs. C-271/06, Netto-Supermarkt (Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 508, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2008, 408)-- hat der BFH Folgendes entschieden:

"Aus den im Steuerrecht allgemein geltenden Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes ergibt sich, dass die Steuerfreiheit einer Ausfuhrlieferung nicht versagt werden darf, wenn der liefernde Unternehmer die Fälschung des Ausfuhrnachweises, den der Abnehmer ihm vorlegt, auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hat erkennen können. Ob die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, ist im Erlassverfahren zu prüfen."

Der Senat hat in diesem Urteil u.a. ausgeführt, eine analoge Anwendung des § 6a Abs. 4 UStG auf Ausfuhrlieferungen komme nicht in Betracht (unter II.3.c der Gründe). Ob die Grundsätze des Vertrauensschutzes die Gewährung der Steuerbefreiung geböten, obwohl die Voraussetzungen einer Ausfuhrlieferung i.S. des § 6 Abs. 1 UStG nicht erfüllt seien, könne nur im Billigkeitsverfahren entschieden werden; dem stehe das Gemeinschaftsrecht nicht entgegen (unter II.5. der Gründe).

Diesen Rechtsgrundsätzen entspricht das FG-Urteil.

2.

Die Revision kann auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden.

Die Auffassung des FG, eine entsprechende Anwendung der Vertrauensschutzregelung des § 6a Abs. 4 UStG sei im Regelungsbereich des § 6 UStG nicht möglich, weicht --wie dargelegt-- nicht von der Rechtsprechung des BFH ab.

Ende der Entscheidung

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