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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 17.07.2006
Aktenzeichen: V B 188/05
Rechtsgebiete: FGG, FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 99 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGG § 141a
FGO § 155
ZPO § 86
ZPO § 246
AO 1977 § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Jahren 1992 bis 1997 (Streitjahre) einen Handel mit ... Geräten. Der Beigeladene war ab 1995 Geschäftsführer der Klägerin.

Einen Antrag der Klägerin vom 27. Oktober 1998, über ihr Vermögen das Konkursverfahren zu eröffnen, lehnte das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Februar 1999 ab, weil eine die Kosten des Verfahrens deckende Konkursmasse nicht vorhanden sei. Dieser Beschluss ist am 30. März 1999 rechtskräftig geworden. Am 26. April 1999 wurde die Auflösung der Klägerin in das Handelsregister eingetragen.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ gegen die Klägerin im Anschluss an eine bei dieser durchgeführten Fahndungsprüfung am 27. März 2000 für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen er die Umsatzsteuer entsprechend den Prüfungsfeststellungen erhöhte.

Gegen diese Bescheide hat die Klägerin mit Zustimmung des FA Sprungklage erhoben, zu deren Begründung sie u.a. vortrug, das FA habe am 27. März 2000 keine Umsatzsteuerbescheide mehr gegen sie erlassen dürfen, weil sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existiert habe und Gesellschaftsvermögen nicht mehr zu verteilen gewesen sei.

Während des Klageverfahrens wurde die Klägerin am 15. August 2000 nach § 141a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) im Handelsregister gelöscht.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das FA schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hilfsweise, die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1997 vom 27. März 2000 aufzuheben.

Durch das angefochtene Zwischenurteil stellte das FG fest, dass die Umsatzsteuerbescheide 1992 bis 1997 vom 27. März 2000 der Klägerin wirksam bekannt gegeben worden seien. Es führte zur Begründung u.a. aus, es sei sachdienlich, gemäß § 99 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) über die wirksame Bekanntgabe der Umsatzsteuerbescheide vorab durch Zwischenurteil zu entscheiden, weil die Beteiligten bisher ausschließlich zur Bekanntgabe der Bescheide, nicht aber zu den Besteuerungsgrundlagen vorgetragen hätten. Die Beteiligten hätten diesem Verfahren nicht widersprochen.

Die Klage sei zulässig. Trotz ihrer Löschung im Handelsregister habe die Klägerin nicht ihre Fähigkeit verloren, Beteiligte im finanzgerichtlichen Verfahren zu sein. Allerdings habe die Löschung der Klägerin im Handelsregister zur Folge, dass der Beigeladene als ihr Geschäftsführer, bzw. nach ihrer Auflösung als ihr Liquidator, seine gesetzliche Vertretungsmacht verliere. Hierdurch sei im Streitfall das Verfahren jedoch nicht nach § 155 FGO i.V.m. § 246 der Zivilprozessordnung (ZPO) unterbrochen worden. Denn die Klägerin sei noch vor ihrer Löschung bei Klageerhebung durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten gewesen. Wie dieser in der mündlichen Verhandlung vorgetragen habe, sei er von dem Beigeladenen als damaligem Liquidator der Klägerin bevollmächtigt worden, Klage zu erheben. In diesem Fall werde das Verfahren nicht unterbrochen, weil die Vollmacht über den Zeitpunkt der Löschung der Klägerin gemäß § 155 FGO i.V.m. § 86 ZPO hinauswirke (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. April 2000 I R 65/98, BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500).

Der Hauptantrag der Klägerin, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, sei nicht begründet. Durch die Löschung der Klägerin im Handelsregister sei eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht eingetreten. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des BFH werde eine im Handelsregister gelöschte Kapitalgesellschaft für steuerliche Zwecke solange als fortbestehend behandelt, als sie noch steuerliche Pflichten zu erfüllen habe und gegen sie gerichtete Steuerbescheide angreife (Hinweis u.a. auf BFH-Beschluss vom 22. Januar 1988 V B 95/86, BFH/NV 1988, 648).

Auch der Hilfsantrag sei nicht begründet. Denn das FA habe der Klägerin die angefochtenen Bescheide noch wirksam bekannt geben können.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin "Rechtsbeschwerde" eingelegt mit dem Antrag, das Zwischenurteil des FG aufzuheben und festzustellen, dass der Rechtsstreit erledigt ist.

Sie führt zur Begründung aus, die Frage der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sei eine Verfahrensfrage, deren fehlerhafte Beurteilung durch das angefochtene Urteil als Verfahrensmangel gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht werden könne. Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sei im vorliegenden Fall nicht dadurch eingetreten, dass sie, die Klägerin, im Handelsregister gelöscht worden sei, sondern dadurch, dass sie ohne jede Aussicht auf einen künftigen Vermögenserwerb mittellos geworden sei. Die Möglichkeit, nach § 69 der Abgabenordnung (AO 1977) Ansprüche gegen den Beigeladenen geltend zu machen oder gar durchzusetzen, begründe für sich allein nicht das Vorgehen gegen sie.

II. Das Rechtsmittel der Klägerin, dass der Senat trotz der Bezeichnung als "Rechtsbeschwerde" und des gestellten Antrags entsprechend der Begründung als auf § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO gestützte Nichtzulassungsbeschwerde (§ 116 FGO) versteht, hat keinen Erfolg. Es liegt kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO vor.

1. Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und schließt sich der Beklagte dieser Erklärung nicht an (sog. einseitige Erledigungserklärung des Klägers), ist der Rechtsstreit als Streit über die Erledigung fortzuführen. Mit der einseitigen Erledigungserklärung nimmt der Kläger von seinem bisherigen Klagebegehren Abstand und beantragt stattdessen die Feststellung, dass die Hauptsache erledigt ist. Das Gericht hat nur noch über den Feststellungsantrag zu entscheiden. Über den ursprünglichen Antrag kann nicht mehr entschieden werden, es sei denn, er wurde, was zulässig und im Streitfall geschehen ist, hilfsweise aufrecht erhalten (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juni 1997 I R 8/95, BFH/NV 1998, 187, m.w.N.).

2. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht eingetreten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH kann das FG in der Sache entscheiden, wenn eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte GmbH im Klageverfahren durch einen vor der Löschung bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten vertreten ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500; vom 7. September 2000 III R 41/97, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 597; BFH-Beschluss vom 25. April 2005 V B 114/04, juris). Steuerrechtlich wird eine gelöschte GmbH als fortbestehend angesehen, solange sie noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat oder gegen sie ergangene Steuerbescheide oder Haftungsbescheide angreift (vgl. BFH-Urteile in BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500; vom 3. Februar 2004 VII R 33/03, BFH/NV 2004, 849). Der Prozessbevollmächtigte einer gelöschten GmbH hat danach die Möglichkeit, einerseits die Aussetzung des Verfahrens, andererseits aber ohne Verzögerung eine Sachentscheidung herbeizuführen. Ergibt diese, dass noch verteilbares Vermögen vorhanden ist (z.B. Erstattungsansprüche), so lebt die Gesellschaft fort und es findet eine Liquidation statt. Erst dann ist die Bestellung eines Nachtragsliquidators erforderlich, um das weitere Prozessverhalten der GmbH zu bestimmen. Die Fortführung des Verfahrens kann auch im Interesse Dritter verfolgt werden, im Falle einer Kapitalgesellschaft, wie vorliegend etwa im Interesse eines Anteilseigners an einer Steueranrechnung. Andererseits kann auch ein Interesse des FA an einer Sachentscheidung bestehen, etwa im Hinblick auf ein sich anschließendes Haftungsverfahren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 494, BStBl II 2000, 500, unter II.4.).

Daraus folgt, dass es --entgegen der Ansicht der Klägerin-- für die Frage der Erledigung eines Rechtsstreits nicht darauf ankommt, ob der in Anspruch genommene Steuerpflichtige noch in der Lage ist, zu leisten oder nicht.

Ende der Entscheidung

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