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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 13.08.2004
Aktenzeichen: V B 20/04
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 1 Abs. 1 a
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
UStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
FGO § 6 Abs. 1
FGO § 79b
FGO § 79b Abs. 1
FGO § 79b Abs. 1 Satz 1
FGO § 79b Abs. 2
FGO § 79b Abs. 3
FGO § 79b Abs. 3 Satz 1
FGO § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
FGO § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2
FGO § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3
FGO § 79b Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine Steuerberatungsgesellschaft in Liquidation.

Sie erwarb im Jahre 1999 den Mandantenstamm einer anderen Gesellschaft (A). Hierüber erhielt sie eine Rechnung eines Herrn X vom 25. August 1999, in der Umsatzsteuer in Höhe von 35 200 DM gesondert ausgewiesen war. Herr X soll den Kundenstamm aus der Konkursmasse der A erworben und dann an die Klägerin veräußert haben.

Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der Klägerin und beim Veräußerer kam der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Überzeugung, dass eine nichtsteuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1 a des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) vorgelegen habe.

Außerdem teilte der Prüfer dem FA mit, der Veräußerer habe den Steuerausweis in der Rechnung nach eigenen Angaben und "in der entsprechenden Voranmeldung" berichtigt.

Das FA erkannte bei der Klägerin den geltend gemachten Vorsteuerabzug in Höhe von 35 200 DM nicht an (Umsatzsteuerbescheid für 1999 vom 22. Juli 2002).

Der Einspruch gegen den Steuerbescheid hatte keinen Erfolg. Zur Begründung heißt es in der Einspruchsentscheidung nach Zitierung der Vorschrift des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG: "Im hier zu entscheidenden Fall wurde nach Rechnungsberichtigung durch den Veräußerer in der in Rede stehenden Rechnung Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen. Nach o.a. Vorschrift kann aus dieser Rechnung keine Umsatzsteuer als Vorsteuer berücksichtigt werden."

Hierauf erhob die Klägerin Klage, die sie zunächst nicht begründete. Mit Verfügung vom 20. März 2003 gab der Einzelrichter, dem der Rechtsstreit zur Entscheidung übertragen worden war, der Klägerin unter Hinweis auf § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, innerhalb eines Monats diejenigen Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung sie sich beschwert fühle. Die Verfügung wurde dem Liquidator der Klägerin am 24. März 2003 zugestellt. Mit Schreiben vom 24. April 2003 begründete die Klägerin ihre Klage und legte dabei dar, warum ihrer Ansicht nach keine Geschäftsveräußerung im Ganzen vorgelegen habe.

In der mündlichen Verhandlung am 25. November 2003 bestritt die Klägerin, eine "korrigierte" Rechnung erhalten zu haben.

Das Finanzgericht (FG) wies diese Erklärung der Klägerin unter Berufung auf die Vorschrift des § 79b Abs. 1 FGO als verspätet zurück, und wies die Klage ab, da die "berichtigte" Rechnung die Umsatzsteuer nicht (mehr) gesondert ausweise; deshalb sei der Tatbestand des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG nicht erfüllt. Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde, mit der sie einen Verfahrensmangel geltend macht. Sie meint, das FG habe die Vorschrift des § 79b FGO falsch angewandt.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Ein Verfahrensmangel liegt vor, wenn das FG gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts verstößt. Dabei ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des FG maßgebend. Wird ein Verfahrensmangel geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer dartun, dass das FG unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung gegen Vorschriften des Gerichtsverfahrensrechts verstoßen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2002 III B 41/02, BFH/NV 2002, 1337, und vom 11. März 2003 V B 193/02, BFH/NV 2003, 932).

2. Ein derartiger Verfahrensmangel ist nicht dargetan. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass das FG gegen die Vorschrift des § 79b FGO verstoßen hat.

Nach § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt.

Nach § 79b Abs. 2 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1. Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,

2. Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

Nach § 79b Abs. 3 FGO kann das Gericht Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1. ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und

2. der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und

3. der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.

Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung der Beteiligten zu ermitteln (§ 79b Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die genannten Befugnisse stehen auch dem Einzelrichter zu, auf den der Rechtstreit gemäß § 6 Abs. 1 FGO übertragen worden ist.

Demnach durfte der Einzelrichter der Klägerin gemäß § 79b Abs. 1 FGO eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühlte. Da die Klägerin erst nach Ablauf dieser Frist bestritt, die "berichtigte" Rechnung erhalten zu haben, durfte er diese Erklärung auch unter den Voraussetzungen des § 79b Abs. 3 FGO zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, an welchem Tatbestandsmerkmal des § 79b Abs. 3 FGO es gefehlt haben soll.

a) Wie das FG ausgeführt hat, hätte die Zulassung des Vortrags der Klägerin, sie habe die berichtigte Rechnung nie gesehen, die Erledigung des Rechtsstreits gemäß § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO verzögert; das Gericht hätte dann die Sache vertagen müssen und den Sachverhalt weiter ermitteln müssen; nach der materiell-rechtlichen Auffassung des FG hätte es feststellen müssen, ob der Klägerin tatsächlich eine "berichtigte" Rechnung zugesandt wurde. Nach der Einschätzung des FG wäre dies keineswegs mit geringem Aufwand ohne Mitwirkung der Beteiligten gemäß § 79b Abs. 3 Satz 3 FGO möglich gewesen.

Entgegen der Ansicht der Klägerin wäre das FG nicht vor der mündlichen Verhandlung "ohne weiteres in der Lage gewesen, die Klägerin auf den fehlenden Vortrag hinzuweisen und zur Ergänzung des Vorbringens aufzufordern". Nach der Einspruchsentscheidung hatte der Veräußerer "die ursprüngliche Rechnung dergestalt berichtigt, dass nunmehr Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen wurde". Auf diese Feststellung stützt sich die gesamte Einspruchsentscheidung. Das FG hatte keine Veranlassung, die Klägerin ausdrücklich zu fragen, ob sie dies bestreite.

b) Angesichts der Einspruchsentscheidung war das verspätete Bestreiten des Zugangs der "berichtigten" Rechnung auch nicht gemäß § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO genügend entschuldigt.

c) Schließlich bestreitet die Klägerin nicht, dass sie gemäß § 79b Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 FGO über die Folgen einer Fristversäumung belehrt wurde.

Ende der Entscheidung

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