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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.02.2005
Aktenzeichen: V B 225/03
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 155
ZPO § 295 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb im Streitjahr 1996 einen Handel mit Kfz. Im Anschluss an eine steuerliche Außenprüfung versagte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) für 1996 den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma X in Höhe von 224 311 DM und der Firma Y in Höhe von 174 297 DM mit der Begründung, dass es sich nach Feststellungen der Steuerfahndungsstelle des Finanzamts ... bei beiden Firmen um Scheinfirmen gehandelt habe, die die in den Rechnungen ausgeführten Leistungen tatsächlich nicht erbracht hätten.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, dass die Kaufverträge unmittelbar zwischen der Klägerin und den italienischen Lieferanten geschlossen worden sind. Das FG stützte sich dabei auf die in Kopie zu den FG-Akten gelangten Aussagen des X vom 5. Juli 1996 bei der Steuerfahndungsstelle des FA ... und des Y vom 13. März 2001 vor der Staatsanwaltschaft. Deren Aussagen zufolge wurden die Geschäfte in der Weise abgewickelt, dass die italienischen Lieferanten X die PKW-Daten mitteilten und dieser die Angaben in Rechnungen u.a. an die Klägerin umsetzte und ihr per Fax übersandte. Bei der Rechnungserstellung schlug X die ihm zugestandene Provision je Auto auf die in den Pro-Forma-Rechnungen des italienischen Exporteurs enthaltenen Nettobeträge auf. Aus den sich dabei ergebenden Beträgen rechnete er die Mehrwertsteuer heraus und wies sie in der Rechnung an den inländischen Händler gesondert aus. Die Handhabung bei Y war ähnlich, nur dass sich die Aufgabe des Y in der Unterschriftsleistung auf ihm vorgelegte Blankorechnungen erschöpfte.

Das FG hat die Strafakten des Landgerichts (LG) ... in dem Verfahren gegen Y und die des LG ... in dem Verfahren gegen X beigezogen.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin einen Verstoß gegen die Denkgesetze sowie Verstöße gegen andere Prozessordnungen geltend. So lasse die Zivilprozessordnung (ZPO) die Verwertung von Strafakten und Zeugenaussagen in Strafakten nur zu, wenn die gegnerische Prozesspartei einwillige.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

1. Der Klägerin ist das Rügerecht im Hinblick auf die von ihr geltend gemachte Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 81 FGO) durch die Verwertung der Aussagen des X und des Y im Wege des Urkundenbeweises gemäß § 155 FGO i.V.m. § 295 Abs. 1 ZPO abgeschnitten. Bei der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel, bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Den von der Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensmangel hätte sie bereits vor dem FG rügen müssen (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258). Das ist ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 16. September 2003 nicht geschehen.

2. Die Klägerin hat auch nicht schlüssig vorgetragen, dass das Urteil des FG ohne den bezeichneten Verfahrensverstoß möglicherweise anders ausgefallen wäre. Ihr Vorbringen richtet sich lediglich gegen die Beweiswürdigung des FG. Das reicht zur Geltendmachung eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO nicht aus (BFH-Beschluss vom 19. Februar 2002 I B 88/99, BFH/NV 2002, 1305).

3. Außerdem liegt der behauptete Verfahrensmangel nicht vor. Zwar liegt grundsätzlich ein beachtlicher Sachaufklärungsmangel vor, wenn das Gericht den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verletzt (BFH-Urteile vom 12. Juni 1991 III R 106/87, BStBl II 1991, 806; vom 1. Februar 2001 V R 6/00, BFH/NV 2001, 941). Beantragt aber ein anwaltlich vertretener Beteiligter im finanzgerichtlichen Verfahren die später vermisste Beweiserhebung nicht aus eigener Initiative oder regt er sie nicht zumindest an, so verletzt das FG seine Pflicht zu erschöpfender Sachverhaltsermittlung regelmäßig auch dann nicht, wenn es die Vernehmung eines an sich erreichbaren Dritten aus anderen (Gerichts-)Akten im Wege des Urkundsbeweises verwertet (BFH-Urteile vom 29. Januar 1997 II R 67/94, BFH/NV 1997, 767; in BFH/NV 2001, 941). Der Inhalt der FG-Akten, insbesondere die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 16. September 2003, bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Klägerin die Vernehmung des X und des Y vor dem FG beantragt oder angeregt hat.

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