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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: V B 247/02
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
AO 1977 § 125 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Nach einer Steuerfahndungsprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zur Sicherung von Umsatzsteuer- und Lohnsteuerhaftungsansprüchen am 10. Juli 2001 eine Arrestanordnung gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), die einen Sex- und Saunaclub betrieb. Der Einspruch gegen die erwähnte Arrestanordnung wurde als unzulässig zurückgewiesen, weil das Arrestverfahren nach der Bekanntgabe von Umsatzsteuervorauszahlungsbescheiden und Lohnsteuerhaftungsbescheiden in das regelmäßige Vollstreckungsverfahren übergegangen war und sich dadurch erledigt hatte.

Nunmehr erhob die Klägerin Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Arrestanordnung vom 10. Juli 2001. Die Klage wies das Finanzgericht (FG) ab, weil die Klägerin kein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung habe. Das FG führte dazu u.a. aus, im Rahmen des beabsichtigten Amtshaftungsprozesses prüfe das Zivilgericht die Amtspflichtverletzung als eine von mehreren Vorfragen selbständig.

Mit der gegen die Vorentscheidung gerichteten Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. 1. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Revision ist gegen die Vorentscheidung nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Die Klägerin hat Verfahrensmängel teilweise nicht den Voraussetzungen entsprechend bezeichnet. Soweit das geschehen ist, liegen die Mängel nicht vor.

a) Die Klägerin rügt Verletzung der Pflicht des FG zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Beschwerdeschrift genügt insoweit aber nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Aufklärung des Sachverhalts rügt, muss nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung u.a. bezeichnen, welche weitere Aufklärung sich dem FG --nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung-- von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, und weshalb die angeblich unterlassene Sachverhaltsaufklärung nicht vor dem FG als verfahrensfehlerhaft gerügt worden ist (zu den Anforderungen an eine schlüssige Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes vgl. BFH-Beschlüsse-- vom 1. August 2002 VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499; vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777).

Die Klägerin hat nicht bezeichnet, welche Sachverhaltsaufklärung das FG unterlassen hat und weshalb die Aufklärung zur Feststellung der Nichtigkeit der Arrestanordnung hätte führen können. Dafür hätte sich die Klägerin mit der Ansicht des FG auseinander setzen müssen, dass ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit für einen beabsichtigten Amtshaftungsprozess deswegen nicht bestand, weil das Zivilgericht das Bestehen einer Amtspflichtverletzung selbständig hätte prüfen müssen.

Außerdem fehlt eine Auseinandersetzung dazu, welche unterlassene Sachverhaltsaufklärung zur Schlussfolgerung des FG hätte führen können, dass die Arrestanordnung des FA vom 10. Juli 2001 nichtig ist. Nach § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist ein Verwaltungsakt, der an einem besonders schwerwiegendem Mangel leidet, nur dann nichtig, wenn dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Ein schwerwiegender Mangel ist nur dann offenkundig, wenn jeder verständige Dritte bei Unterstellung der Kenntnis aller in Betracht kommenden Umstände in der Lage ist, den Fehler der Verwaltungsmaßnahme in seiner besonderen Schwere zu erkennen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2002 VII R 56/00, BFHE 199, 511, BStBl II 2003, 109, m.w.N.).

Soweit die Klägerin die Nichtigkeit aus der in der mündlichen Verhandlung übergebenen Anlage K5 zum Schriftsatz vom 30. September 2002 ableitet, ist nicht verständlich, welche Ermittlungen sich dem FG im Hinblick auf die Nichtigkeit der Arrestanordnung hätte aufdrängen sollen. Die Anlage K5 enthält Ausführungen zu § 129 des Strafgesetzbuchs (Unterstützung einer kriminellen Vereinigung). Das FG hat in der Vorentscheidung ausgeführt, dass selbst grobe Schätzungsfehler nicht zur Nichtigkeit des Verwaltungsakts führen müssen.

b) Die Klägerin rügt weiter, dass sie durch die Entscheidungen überrascht worden sei, weil das FG die bezeichnete Anlage K5 zum Schriftsatz vom 30. September 2002 nicht ausdrücklich im Urteil erwähnt habe und weil das FG in der Sitzungsniederschrift nicht aktenkundig gemacht habe, dass der Sachvortrag vor und in der mündlichen Verhandlung nicht für ausreichend erachtet wurde.

Auch insoweit fehlt der schlüssige Vortrag, dass die Vorentscheidung auf der mangelhaften Berücksichtigung dieser Anlage beruhen kann.

2. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Ende der Entscheidung

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