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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.12.2005
Aktenzeichen: V B 25/05
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 46 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2
FGO § 128 Abs. 4
FGO § 138 Abs. 1
FGO § 138 Abs. 2
FGO § 138 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Unternehmer. Im Streitjahr 1998 war er in einem unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzten Gebäude tätig.

Im April 2002 wurde gegen ihn die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1998 erstmals festgesetzt, wobei die Besteuerungsgrundlagen wegen Nichtabgabe einer Steuererklärung geschätzt wurden.

Im Laufe des Einspruchsverfahrens beantragte der Kläger die Umsatzsteuer "mit einem Erstattungsbetrag von 38 455,37 DM" festzusetzen. Dabei begehrte er den Vorsteuerabzug für einen Teil der auf das gemischt genutzte Gebäude angefallenen Umsatzsteuer. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) ließ die erklärte Vorsteuer nur zum Teil zum Abzug zu (Steuerbescheid vom 14. Oktober 2003).

Der Kläger erhob daraufhin Untätigkeitsklage.

Im Klageverfahren erweiterte er sein Klagebegehren und beantragte die Umsatzsteuer auf ./. 86 133,97 DM festzusetzen, da er nunmehr den Vorsteuerabzug für das gesamte Gebäude begehrte.

Das FA entsprach dem Klagebegehren mit Bescheid vom 6. Februar 2004.

Die Beteiligten erklärten daraufhin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.

Das Finanzgericht (FG) ließ dahingestellt, ob die Untätigkeitsklage zulässig war, und traf folgende auf § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gestützte Kostenentscheidung: Die Kosten des in der Hauptsache erledigten Verfahrens werden in der Weise geteilt, dass der Beklagte die Gerichtskosten trägt und außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden außerordentlichen Beschwerde. Der Kläger trägt vor, der Kostenbeschluss beruhe auf einer Gesetzesauslegung, die unter keinem Gesichtspunkt vertretbar erscheine: § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO bestimme, dass die Kosten der Behörde aufzuerlegen seien, wenn der Rechtsstreit dadurch erledigt werde, dass dem Antrag des Klägers durch Änderung des angefochtenen Bescheides stattgegeben werde. So verhalte es sich vorliegend. Raum für eine Entscheidung nach § 138 Abs. 1 FGO bestehe in diesem Fall nicht, denn seit dem Klageantrag seien keine Änderungen des zugrunde liegenden Sachverhaltes eingetreten. Vielmehr habe das FA die Rechtswidrigkeit des Bescheides eingesehen und deshalb abgeholfen. Auch eine Mitveranlassung des Klägers sei unter keinem Gesichtspunkt zu erkennen. Denn das FA habe es seit Anbeginn des Einspruchsverfahrens abgelehnt, der detaillierten Aufstellung der gemischt genutzten Gegenstände zu folgen bzw. eine Aufteilung überhaupt anzuerkennen. Daher könne dem Kläger kein Vorwurf daraus erwachsen, wenn er eine weiter gehende Zuordnung unmittelbar im Klagewege geltend mache. Zudem habe es das FA wiederholt durch sein ablehnendes Verhalten deutlich gemacht, dass es auch neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zeitnah folgen wolle. Auch aus diesem Grund wäre es unangemessen gewesen, vom Kläger nunmehr einen weiteren Antrag gegenüber dem FA zu verlangen.

Schließlich sei der Rechtsstreit deshalb erforderlich geworden, weil die materiell-rechtlichen Vorgaben der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) nicht richtig in nationales Recht umgesetzt worden seien. Bei materiell richtiger Umsetzung wäre weder das Einspruchsverfahren, noch ein Klageverfahren erforderlich geworden. Auch vor diesem Hintergrund erscheine die Auferlegung der anteiligen Kostenlast auf den Kläger unter keinem Gesichtspunkt vertretbar.

Der Kläger beantragt, den Kostenbeschluss des FG aufzuheben und die Kosten insgesamt dem FA aufzuerlegen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

Es meint, das FG habe für seine Kostenentscheidung zu Recht § 138 Abs. 1 FGO und nicht § 138 Abs. 2 FGO herangezogen.

Nach § 138 Abs. 1 FGO sei bei der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu befinden. Dies habe das FG getan. In § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO werde vorausgesetzt, dass sich ein Rechtsstreit dadurch erledige, dass der angefochtene Bescheid antragsgemäß geändert werde (erste Alternative) oder dass im Fall der Erhebung der Untätigkeitsklage dem außergerichtlichen Rechtsbehelf innerhalb der vom FG nach § 46 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 FGO gesetzten Frist stattgegeben werde (zweite Alternative). Die zweite Alternative liege nicht vor, da das FG ihm (dem FA) keine Frist gesetzt habe. Sie könne als Ausnahmetatbestand auch nicht analog angewendet werden. Die erste Alternative könne der Kostenentscheidung nicht zugrunde gelegt werden, da sie nicht die Erledigung einer Untätigkeitsklage betreffe; denn sonst wäre die zweite Alternative gegenstandslos (Hinweis auf Bundesfinanzhof --BFH--, Beschluss vom 22. September 1967 VI B 19/67, BStBl II 1968, 61). Schließlich habe sich durch den geänderten Klageantrag auch der Sachverhalt verändert.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

In Streitigkeiten über Kosten ist gemäß § 128 Abs. 4 FGO die ("reguläre") Beschwerde nicht gegeben.

Ob bei greifbarer Gesetzwidrigkeit der angefochtenen Entscheidung eine außerordentliche Beschwerde in Betracht kommt, wenn die Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschluss vom 8. September 2005 IV B 42/05, BFH/NV 2005, 2130) oder ob eine solche grundsätzlich nicht statthaft ist --wovon der Senat ausgehen würde--, kann offen bleiben.

Denn entgegen der Ansicht des Klägers ist es nicht greifbar gesetzeswidrig, dass das FG seine Kostenentscheidung auf § 138 Abs. 1 FGO und nicht auf § 138 Abs. 2 FGO gestützt hat.

Wie das FA in der Beschwerdeerwiderung zutreffend ausgeführt hat, ist nach den Grundsätzen des BFH-Beschlusses in BStBl II 1968, 61 über die Kosten einer Untätigkeitsklage gemäß § 138 Abs. 1 FGO zu entscheiden, wenn diese sich in der Hauptsache dadurch erledigt hat, dass das FA dem Einspruch stattgegeben hat, ohne dass das FG dem FA hierzu eine Frist gesetzt hat. Nach dem vom Kläger herangezogenen Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2002 V B 170/01 (BFH/NV 2003, 197) richtet sich die Kostenentscheidung auch dann nach § 138 Abs. 1 FGO, wenn die Untätigkeitsklage unzulässig war; für den Fall der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage enthält dieser Beschluss keine Aussage. Jedenfalls ist die Ansicht des FG, die Kostenentscheidung sei im Streitfall nach § 138 Abs. 1 FGO und nicht nach § 138 Abs. 2 FGO zu treffen gewesen, nicht greifbar gesetzeswidrig.

Nach § 138 Abs. 1 FGO entscheidet das Gericht über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist; dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.

Dies hat das FG getan. Insbesondere ist es nicht greifbar gesetzeswidrig, dass das FG die Erweiterung des Klageantrags bei der Kostenentscheidung berücksichtigt hat.

Ende der Entscheidung

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