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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.07.1999
Aktenzeichen: V B 31/98
Rechtsgebiete: UStG 1991, FGO, AO 1977, BFHEntlG


Vorschriften:

UStG 1991 § 4 Nr. 16 Buchst. e
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
AO 1977 § 227
BFHEntlG Art. 1 Nr. 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt seit 1984 eine ambulante Seniorenbetreuung. Für die mit dem Betrieb solcher Einrichtungen verbundenen Umsätze wurde zum 1. Januar 1992 durch § 4 Nr. 16 Buchst. e des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) eine Steuerbefreiung eingeführt. 1994 beantragte die Klägerin den Erlaß der für die Jahre 1984 bis 1991 festgesetzten Umsatzsteuer, der Zinsen zur Umsatzsteuer 1989 bis 1991 und der Verspätungszuschläge zur Umsatzsteuer 1988 bis 1991. Antrag und Einspruch hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die anschließende Klage ab. Es beurteilte die Ermessensausübung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) bei Ablehnung des Erlasses sowohl aus sachlichen als auch aus persönlichen Billigkeitsgründen als frei von Rechtsfehlern.

Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung, Abweichung des FG-Urteils von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) und Verfahrensmängeln.

Das FA tritt der Beschwerde entgegen.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) kommt nicht in Betracht.

Als Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung macht die Klägerin geltend: Die Ermessensausübung sei im vorliegenden Fall daran zu messen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erhebung von Umsatzsteuer auf die Leistungen eines privaten Anbieters häuslicher Krankenpflegeleistungen (sachlich) unbillig sei,

"wenn

a) die Finanzbehörde des Landes, in welchem die Steuerpflichtige ihren Sitz und Tätigkeitsbereich hat, ihr Ermessen gegenüber den Wettbewerbern der Klägerin bei im übrigen gleichen Voraussetzungen ausnahmslos in der Weise ausgeübt hat, daß deren Leistungen von der Umsatzsteuer befreit werden, während von dieser Ermessensausübung zu Lasten der Klägerin abgewichen werden soll;

aa) die Oberfinanzdirektion des Bundeslandes, in welchem die Steuerpflichtige ihren Sitz im Tätigkeitsbereich hat, verfügt, daß die Finanzämter bei der Ermessensentscheidung zur Frage des Erlasses von Umsatzsteuern für die Leistungen privater Anbieter von Krankenpflegemaßnahmen einen "wohlwollenden Maßstab" anzulegen haben, und die Finanzämter zugunsten der Wettbewerber der Klägerin diesen wohlwollenden Maßstab auch anlegen und Erlasse gewähren, ohne Rücksicht auf Art und Umfang der Begründung, insbesondere von einer unmittelbaren wirtschaftlichen Existenzgefährdung generell ausgehen, während zu Lasten der Klägerin von dieser Praxis abgewichen werden soll;

bb) die Erhebung von Umsatzsteuern auf die Leistungen privater Anbieter von Krankenpflegemaßnahmen den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verletzt, weil die Umsatzsteuer auf die Leistungen nicht an den Leistungsempfänger abgewälzt werden kann, da nicht dieser die Leistungen der privaten Anbieter von Pflegemaßnahmen vergütet, sondern dies durch den Kostenträger (Sozialamt, Krankenkassen) geschieht, auf welche eine Abwälzung der Umsatzsteuer aus rechtlichen wie aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den anderen Anbietern von Pflegeleistungen (die von den Kirchen und Trägern der freien Wohlfahrtsverbänden geführten Sozialstationen) nicht möglich ist;

cc) die Klägerin zumindest bis zum Erhalt des Nichtannahmebeschlusses ihrer Verfassungsbeschwerde davon ausging und ausgehen durfte, daß sie aus Gründen der Herstellung einer grundgesetzkonformen Besteuerung nicht zur Zahlung von Umsatzsteuern auf ihre krankenpflegerischen Maßnahmen herangezogen werden würde;

b) Von grundsätzlicher Bedeutung und klärungsbedürftig ist (nach Ansicht der Klägerin) auch die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen persönliche Billigkeitsvoraussetzungen mit der Begründung verneint werden können, die Steuerpflichtige habe ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (angeblich) nicht offen gelegt."

Zu diesem Bereich führt die Klägerin eingehend aus, wie das Ermessen nach ihrer Auffassung hätte ausgeübt werden müssen.

Der Beschwerdevortrag erfüllt insoweit nicht die Anforderungen an eine (zulässige) Darlegung grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dargelegt wird nicht, inwieweit Rechtsfragen zur Ermessensausübung bei Erlaßablehnung (§ 227 der Abgabenordnung --AO 1977--) noch umstritten, klärungsbedürftig und (im angestrebten Revisionsverfahren) klärbar sind, sondern inwieweit sie, die Klägerin, das FG-Urteil (und die Ermessensausübung durch die Verwaltungsbehörden) für unzutreffend hält. Dieser Vortrag ergibt, daß es der Klägerin nicht um die Klärung umstrittener Grundsätze, sondern um die Anwendung bestehender Grundsätze mit einem bestimmten Ergebnis geht.

2. Die behauptete Abweichung des FG-Urteils von den BFH-Entscheidungen vom 21. April 1977 IV R 161, 162/75 (BFHE 122, 141, 146, BStBl II 1977, 512) und vom 23. November 1994 X R 124/92 (BFHE 177, 246, BStBl II 1995, 824) wird in der Beschwerdebegründung ebenfalls nicht hinreichend bezeichnet (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 3 FGO). Der (wiedergegebenen) Aussage dieser Entscheidungen, einem Erlaßantrag sei stattzugeben, wenn dies durch eine Grundrechtskonformität herstellende Billigkeit gefordert werde, wird kein abweichender abstrakter Rechtssatz des FG gegenübergestellt. Die Klägerin legt vielmehr dar, wie nach ihrer Auffassung der Rechtssatz des BFH auf den Sachverhalt des Streitfalls anzuwenden gewesen wäre.

3. Auf den von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängeln kann das angefochtene Urteil nicht beruhen; diese führen ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Soweit sie ungenügende Sachaufklärung geltend macht, weil das FG ihr einerseits zwar vorgehalten habe, die Vermögensverhältnisse nicht offengelegt zu haben, andererseits aber keine (angebotenen) weiteren sachdienlichen Hinweise verlangt habe, kam es für die Entscheidung des FG --dessen materiell-rechtlicher Standpunkt maßgebend ist-- darauf nicht an. Denn das FG-Urteil stellt insoweit auf den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ab. Nach den Urteilsgründen wies das FA zurecht darauf hin, "daß die wirtschaftliche Situation der Klägerin im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung nicht deutlich genug zu erkennen war, um eine Erlaßbedürftigkeit anzunehmen".

Als weiteren Verfahrensmangel macht die Klägerin geltend, das FG habe dem Vortrag, das Ermessen der Finanzbehörden sei aufgrund der positiven Bescheidung sämtlicher anderer Erlaßanträge von privaten Anbietern von Pflegeleistungen in ... "auf Null" reduziert, keine Beachtung geschenkt, zumindest aber keine Erkundungen darüber eingeholt, in welcher Weise die Erlaßanträge der Wettbewerber der Klägerin beschieden worden seien. Dazu ergibt sich aufgrund des FG-Urteils folgendes: Das FG ist auf diesen Vortrag eingegangen, hat daraus aber andere rechtliche Folgerungen gezogen. Darin liegt kein Verfahrensfehler.

4. Von einer weiteren Wiedergabe der Entscheidungsgründe wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs abgesehen.

Ende der Entscheidung

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