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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 07.04.2005
Aktenzeichen: V B 36/04
Rechtsgebiete: BauGB, FGO
Vorschriften:
BauGB § 147 | |
FGO § 115 Abs. 2 | |
FGO § 74 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 |
Gründe:
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) schloss im Rahmen einer städtebaulichen Sanierungsmaßnahme am 9. Februar 1989 mit der Gemeinde A einen Rahmenvertrag über die Verlagerung ihrer betrieblichen Einrichtungen vom bisherigen Standort in ein neu errichtetes Industriegebiet.
In dem Vertrag übertrug die Gemeinde die ihr nach § 147 des Baugesetzbuchs (BauGB) obliegende Betriebsverlagerung der Klägerin. Das umfasste u.a. den Abbau sämtlicher Betriebseinrichtungen, Maschinen und Geräte sowie deren Abtransport vom Betriebsgrundstück. Als Gegenleistung sollte die Klägerin eine Verlagerungsentschädigung in Höhe von ... DM einschließlich Umsatzsteuer erhalten.
Darüber hinaus sah der Rahmenvertrag in § 5 Abs. 1 folgende Regelung vor: "Für den Verlust der Gebäudesubstanz auf dem Betriebsgrundstück, der durch die sanierungsbedingte Freilegung entsteht, zahlt die Gemeinde der Firma eine Substanzentschädigung in Höhe von ... DM."
Dementsprechend wurde auch verfahren.
Die Klägerin unterwarf zwar die Verlagerungsentschädigung, nicht aber die Substanzentschädigung der Umsatzsteuer.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) besteuerte dagegen im Umsatzsteuerbescheid für 1991 auch die Substanzentschädigung.
Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Finanzgericht (FG). Das Verfahren wurde durch Urteil vom 26. Oktober 2000 abgeschlossen. Das FG folgte der Auffassung des FA. Das Urteil wurde rechtskräftig.
Ebenfalls am 26. Oktober 2000 entschied der Bundesfinanzhof (BFH) in dem Revisionsverfahren V R 10/00 die streitige Frage im gegenteiligen Sinn (vgl. BFHE 193, 165, BFH/NV 2001, 400). Das BFH-Urteil ist erst nach Rechtskraft des Urteils des FG bekannt geworden.
Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schreiben vom 29. Januar 2001 den Erlass der streitigen auf dieser Frage beruhenden Umsatzsteuer.
Das FA lehnte den Erlass durch Bescheid vom 26. März 2001 ab. Der Einspruch der Klägerin und ihre Klage blieben erfolglos.
Das FG führte zur Begründung aus, Steuern, die --wie hier-- bestandskräftig festgesetzt worden seien, könnten nur dann im Billigkeitsverfahren sachlich überprüft werden, wenn die Steuerfestsetzung offensichtlich und eindeutig unrichtig sei und es dem Steuerpflichtigen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen sei, sich gegen deren Fehlerhaftigkeit innerhalb der Rechtsbehelfsfrist rechtzeitig zu wehren. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall nicht vor. Denn die Klägerin hätte bereits vor Ergehen des Urteils des FG vom 26. Oktober 2000 erkennen können und müssen, dass beim BFH ein Revisionsverfahren zu dieser Frage anhängig sei. Dies ergebe sich aus der Beilage Nr. 1/2000 zum BStBl II Nr. 5 vom 10. April 2000. Dort sei auf Seite 149 angegeben, dass ein Revisionsverfahren wegen umsatzsteuerrechtlicher Beurteilung einer Gebäuderestwertentschädigung anhängig war. Aus diesem Grunde hätte die Klägerin beim FG ein Ruhen des Klageverfahrens beantragen oder innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen können. Die Versäumnisse der Klägerin könnten nicht durch eine Billigkeitsmaßnahme geheilt werden.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie ist der Auffassung, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur wegen einer Rechtsfrage in Betracht, die im Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. März 2002 V B 87/01, BFH/NV 2002, 1012). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a) Entgegen der Auffassung der Klägerin besteht kein Bedarf, in einem Revisionsverfahren zu klären, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bekannt gewordenes BFH-Urteil, das vom FG-Urteil abweicht, im Billigkeitsverfahren berücksichtigt werden darf.
Die Klägerin beruft sich zur Begründung ihrer Beschwerde auf das Urteil des FG Berlin vom 24. Oktober 1968 V 141/66 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1969, 321). Danach kann ein Erlass ausnahmsweise geboten sein, wenn ein Steuerpflichtiger im Vertrauen auf die Beständigkeit der bisherigen Rechtsprechung den Steuerbescheid unanfechtbar werden lässt, die Rechtsprechung sich inzwischen zugunsten des Steuerpflichtigen gewandelt hat, dieser Wandel in der Rechtsprechung bei der Veranlagung aber nicht berücksichtigt werden konnte, weil das im Zeitpunkt der Veranlagung bereits verkündete Urteil des BFH erst später veröffentlicht worden ist.
Mittlerweile ist aber durch die BFH-Rechtsprechung geklärt, dass allein der Umstand, dass eine bestandskräftig festgesetzte Steuer in Widerspruch zu einer später entwickelten Rechtsprechung steht, noch nicht den Erlass der Steuer rechtfertigt (vgl. BFH-Urteile vom 22. September 1976 I R 68/74, BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15; vom 30. Oktober 1990 VII R 106/87, BFH/NV 1991, 509, unter II. 2. a bb; vom 13. Januar 2005 V R 35/03, unter II. 2. b aa, Zeitschrift für Steuern und Recht 2005, Heft 7, R 273, juris). Danach kommt im Streitfall ein Erlass nicht in Betracht.
b) Soweit die Klägerin ferner geltend macht, es müsse geklärt werden, ob ein FG von der Klägerin Kenntnisse (Anhängigkeit eines einschlägigen Revisionsverfahrens) verlangen darf, die es selbst offenbar nicht hatte, wäre diese Frage in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar. Sie stellt sich nicht (mehr), weil angesichts der dargelegten BFH-Rechtsprechung ein Erlass ohnehin ausscheidet.
Dasselbe gilt für die ferner von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob ein FG verpflichtet ist, ein Klageverfahren angesichts eines beim BFH anhängigen Musterverfahrens nach § 74 FGO auszusetzen.
3. Aus diesen Gründen kann die Revision auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 12. August 2004 XI B 150/02, BFH/NV 2005, 197, m.w.N.)
Ende der Entscheidung
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