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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.08.2006
Aktenzeichen: V B 59/04
Rechtsgebiete: UStG, FGO


Vorschriften:

UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb ab 28. März 1992 (Streitjahr) in der Rechtsform der GmbH & Co. KG auf über 12 000 qm eine Badelandschaft, Saunen, Fitnesseinrichtungen, einen Surf-Shop, Boutique, Solarien, Massageinstitut, Beauty-Salon, Inlineskate-Shop und Verleih. Der Fitnessbereich umfasste ca. 230 qm. Gesellschaftszweck der Klägerin ist "der Betrieb einer Bade-Freizeitanlage in S mit allen dazu erforderlichen Nebenbetrieben sowie der Betrieb einer Restauration und die Vermietung von Verkaufsflächen". Genutzt werden durfte der Fitnessbereich zum einen von sog. Clubmitgliedern, die hierfür ein gesondertes Entgelt entrichteten. Zum anderen konnten auch Besucher der ...-Therme (des Schwimmbades und Saunabereiches) kostenlose Fitnessprogramme in Anspruch nehmen.

Einem Prospekt der Klägerin zufolge waren im Eintrittsgeld für die Therme auch kostenlose Fitness-Programme enthalten. Der Fitnessbereich wurde vom 1. April 1992 bis 31. Dezember 1992 von einer Angestellten der Klägerin und vom 1. Januar 1993 bis 31. Oktober 1993 von der gleichen Fachkraft als freie Mitarbeiterin betreut. In dem mit der freien Mitarbeiterin geschlossenen Vertrag hieß es u.a.: "Für die Besucher der Therme wird während der Öffnungszeiten gewährleistet, dass jederzeit ein kostenloses Fitnesstraining unter sachkundiger Anleitung erfolgen kann. Frau ... verpflichtet sich, täglich mind. eine Trocken- und eine Wassergymnastik für die Besucher der Therme anzubieten ..."

Ab 1. Februar 1994 wurden die Fitnessräume verpachtet und die Geräte an den Pächter verkauft. Der Pachtvertrag besagte u.a.:

"Beide Parteien sind sich darüber einig, dass das Aktiv-Fitness-Center einen integrierten Bestandteil des Gesamtangebotes der Therme darstellt, d.h., dass die Gäste der Therme den Aktiv-Club als Teil der Gesamtanlage ansehen. Aus diesem Grunde verpflichten sich beide Parteien, zum Wohle der Gäste eng miteinander zusammenzuarbeiten, alle Maßnahmen miteinander abzustimmen und auf die jeweiligen Belange Rücksicht zu nehmen. ...

An mind. 26 Tagen im Monat zweimal pro Tag sind spezielle Fitnesskurse durchzuführen, an denen die Thermengäste teilnehmen können. Außerdem ist der Pächter verpflichtet, während der Öffnungszeiten mind. eine geschulte Fachkraft einzusetzen und für alle Thermengäste ein entsprechendes Fitness- und Beratungsangebot vorzuhalten. ..."

Für Thermenbesucher unter 16 Jahren war die Nutzung des Fitnessbereiches verboten. Von den Übrigen durfte er nur mit trockener Kleidung betreten werden. An Sonn- und Feiertagen wurden keine Kurse angeboten.

Im Anschluss an eine bei der Klägerin durchgeführte steuerliche Betriebsprüfung änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) den unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Umsatzsteuerbescheid 1992 und unterwarf die an Besucher über 16 Jahren erbrachten Leistungen dem Regelsteuersatz. Die Klägerin habe insoweit ihren Besuchern gegen ein einheitliches Pauschalentgelt neben verschiedenen Schwimmbad- und Saunaleistungen auch Fitnesseinrichtungen und Fitnessprogramme angeboten. Die Besucher hätten mit der Zahlung des Eintrittsgeldes das Recht erworben, das Angebot der Therme in seiner Gesamtheit, also incl. Fitnessbereich, in Anspruch zu nehmen. Es liege eine einheitliche Leistung vor, die durch die Möglichkeit, alle Angebote nutzen zu können, geprägt sei.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hat eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung durchgeführt. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das FG im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe kein Leistungsbündel aus begünstigten und nicht begünstigten Leistungen, sondern eine Leistung besonderer Art ausgeführt, die nicht unter die Steuerermäßigung des § 12 Abs. 2 Nr. 9 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) falle. Aus den Prospekten der Klägerin und der Aussage der Zeugin G, die im Streitjahr für den Fitnessbereich zuständig gewesen sei, ergebe sich, dass der Fitnessbereich im Leistungsangebot der Klägerin enthalten gewesen sei. Eine Leistung sei als bloße Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstelle, um die Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Das treffe auf die im Rahmen des Fitnessbereichs angebotenen Leistungen aber nicht zu.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordere eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH); zudem sei das Urteil des FG verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.

Das Urteil des FG stehe im Widerspruch zu den Urteilen des BFH vom 29. April 1999 V R 72/98 (BFH/NV 1999, 1523) und des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 25. Februar 1999 C-349/96, Card Protection Plan Ltd. (CPP) (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1999, 254).

Außerdem sei die Feststellung, dass in dem Eintrittspreis für das Jahr 1992 auch die Nutzung des Fitnessbereichs enthalten gewesen sei, verfahrensfehlerhaft getroffen worden, weil zwischen den Beteiligten unstreitig sei, dass der Fitnessbereich nur von Club-Mitgliedern gegen gesondertes Entgelt habe genutzt werden dürfen, während die Thermenbesucher nur kostenlos Fitness-Programme hätten in Anspruch nehmen dürfen. Eine Tatsache, die beide Beteiligten als unstreitig angesehen hätten, dürfe das FG nach Beweiserhebung nicht als unwahr beurteilen. Bei der Würdigung der Zeugenaussagen habe das FG gegen Denkgesetze verstoßen; auch insoweit sei das Urteil verfahrensfehlerhaft.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des BFH oder des EuGH nicht übereinstimmt (BFH-Beschlüsse vom 27. April 1999 III B 43/98, BFH/NV 1999, 1477; vom 4. Mai 2000 I B 121/99, BFH/NV 2000, 1477; vom 8. Mai 2000 VIII B 78/99, BFH/NV 2000, 1201). Das ist vorliegend nicht der Fall. Das FG steht mit dem Rechtssatz, dass eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen ist, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Leistung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH und des Senats (EuGH-Urteile Card Protection Plan Ltd. in UR 1999, 254 Rdnr. 30; vom 22. Oktober 1998 C-308/96 und C-94/97, Madgett und Baldwin, UR 1999, 38 Rdnr. 24; BFH-Urteil vom 11. November 2004 V R 30/04, BFHE 207, 560, BStBl II 2005, 802). Diese Definition der Nebenleistung ist auch ausdrücklich in dem von der Klägerin als Divergenzurteil in Bezug genommenen Entscheidung des BFH in BFH/NV 1999, 1523 enthalten. Ob dem FG bei der Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze auf den vorliegenden Fall Fehler unterlaufen sind, kann dahingestellt bleiben. Keine zur Zulassung der Revision führende Divergenz liegt bei einer Divergenz in der Würdigung von Tatsachen vor (BFH-Beschluss vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718) oder wenn das FG erkennbar von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht, diese aber fehlerhaft auf die Besonderheiten des Einzelfalles anwendet (BFH-Beschlüsse vom 22. Mai 2000 III B 97/99, BFH/NV 2000, 1203; vom 17. Mai 2000 III B 26/00, BFH/NV 2000, 1352; vom 25. Mai 2000 V B 55/00, BFH/NV 2000, 1482).

2. Die Klägerin rügt auch das Vorliegen eines Verfahrensmangels ohne Erfolg. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts.

a) Soweit die Klägerin geltend macht, dem FG seien bei der Auslegung und Anwendung des materiellen Rechts Fehler unterlaufen, rechtfertigt das nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (BFH-Beschlüsse vom 2. April 1997 V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom 27. März 2003 V B 184/01, BFH/NV 2003, 1071).

Die Klägerin hat auch keinen Erfolg mit der Rüge, das FG habe die Beweiswürdigung falsch vorgenommen, es habe sich insbesondere zu Unrecht einseitig auf die Aussage der Zeugin G gestützt. Zu den das Revisionsgericht bindenden Würdigungen gehören auch die Beweiswürdigungen (BFH-Urteil vom 29. März 1988 IX R 224/84, BFH/NV 1989, 159). Die Würdigung, dass sich aus dem von der Klägerin in Umlauf gebrachten Prospektmaterial und aus der Aussage der Zeugin G ein Anspruch der erwachsenen Besucher der Badelandschaft auch auf die Nutzung des Fitnessbereichs ergibt, mag nicht zwingend sein, sie ist aber möglich. Das genügt (BFH-Urteil vom 23. Mai 1990 V R 167/84, BFHE 161, 191, BStBl II 1990, 1095).

b) Auch soweit die Klägerin geltend macht, das FG hätte seiner Entscheidung die Annahme zugrunde legen müssen, dass die Thermenbesucher mit dem Eintrittspreis nicht das Recht zur Nutzung des Fitnessbereichs erlangt hätten, weil das zwischen den Beteiligten unstreitig sei, führt dies nicht zur Zulassung der Revision. Das finanzgerichtliche Verfahren ist vom Untersuchungsgrundsatz (§ 76 Abs. 1 FGO) geprägt, d.h. es gibt keine Bindungswirkung für das Gericht aufgrund eines von den Beteiligten als unstreitig behandelten Sachverhalts. Im Übrigen hat das FG diesen Sachverhalt in seine Würdigung der Gesamtumstände, die es ermittelte, einbezogen.

Ende der Entscheidung

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