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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.10.2003
Aktenzeichen: V B 61/03
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977
Vorschriften:
FGO § 76 Abs. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
AO 1977 § 110 Abs. 2 | |
AO 1977 § 110 Abs. 2 Satz 2 |
Gründe:
I. Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1993 und 1994 gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) und beurteilte seine Nutzungsüberlassung von Gewerbeeinheiten an eine Vermietungs- und Verwaltungsgesellschaft nicht mehr als steuerpflichtige Vermietung, sondern als nicht steuerbaren Gesellschafterbeitrag.
Die Umsatzsteueränderungsbescheide für 1993 und 1994 vom 16. April 1999 sind dem Bevollmächtigten des Klägers mit einfachem Brief bekannt gegeben worden. Im Rahmen einer Besprechung am 2. Juli 1999 konnte das FA den Eingang eines Einspruchs durch Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 5. Mai 1999 nicht feststellen. Das FA bat den Kläger mit Schreiben vom 5. Juli 1999, eine Kopie des Einspruchs und eine Kopie des Postausgangsbuchs mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung einzureichen. Diese Kopien fügte der Bevollmächtigte des Klägers einem Schreiben an das FA vom 8. Juli 1999 bei.
Den zugleich mit dem Einspruch gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (auf der Kopie des Schreibens vom 5. Juli 1999; beigefügt dem Schreiben vom 8. Juli 1999) lehnte das FA ab. In der Stellungnahme zu dem nunmehr bei dem Finanzgericht (FG) gestellten Aussetzungsantrag machte das FA geltend, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist nicht in Betracht komme, weil der Kläger nicht dargelegt habe, wer das Schreiben mit dem Einspruch zu welchem Zeitpunkt zur Post gegeben habe und wie die Fristenkontrolle im Büro des Bevollmächtigten sichergestellt worden sei.
Mit Schreiben vom 23. November 1999 trug der Kläger zum Wiedereinsetzungsantrag vor, sein damaliger Prozessbevollmächtigter sei in der erwähnten Besprechung am 2. Juli 1999 nur um Überlassung einer Kopie des Einspruchsschreibens und zum Nachweis der Absendung des Einspruchsschreibens um Zusendung einer Kopie der entsprechenden Seite des Postausgangsbuchs gebeten worden. In einem Schriftsatz vom 28. Januar 2000 erklärte der damalige Bevollmächtigte des Klägers, er habe das Einspruchsschreiben vom 5. Mai 1999 selbst verfasst und zur Post gebracht.
Das FG wies den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung als unbegründet ab, weil der Einspruch nicht fristgerecht eingelegt worden sei und weil Wiedereinsetzungsgründe nicht innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist von einem Monat nach Wegfall des Hindernisses (§ 110 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) vorgetragen worden seien.
Mit der gleichen Begründung wies das FG die Klage gegen die Umsatzsteueränderungsbescheide für 1993 und 1994 ab. Das FG legte u.a. dar, der Kläger habe ausreichende Wiedereinsetzungsgründe nicht fristgemäß (§ 110 Abs. 2 AO 1977) vorgetragen. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 8. Juli 1999 habe keine geschlossene Darstellung enthalten, dass der Bevollmächtigte des Klägers ohne Verschulden an der Einhaltung der Einspruchsfrist gehindert worden sei, denn er habe nicht erklärt, wer und an welchem Tag das Einspruchsschreiben vom 5. Mai 1999 zur Post gegeben habe. Auch wegen der Versäumung der Begründungsfrist für den Wiedereinsetzungsantrag habe der Kläger --was möglich gewesen wäre-- keine Wiedereinsetzung beantragt.
Er habe schließlich nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er in dem Besprechungstermin am 2. Juli 1999 detaillierte und substantiierte Angaben zu den Wiedereinsetzungsgründen gemacht habe. Dies hätte spätestens innerhalb eines Monats nach der Zustellung des Beschlusses des FG über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung am 2. März 2000 geschehen müssen.
Mit der Beschwerde begehrt der Kläger die Zulassung der Revision aus den in § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bezeichneten Gründen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
Die von dem Kläger dargelegten Gründe zur Zulassung der Revision verpflichten nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 FGO.
1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
Nach ständiger Rechtsprechung hat eine Sache grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Die Rechtsfrage muss in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und im Streitfall auch klärbar sein (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 2000 XI B 122/99, BFH/NV 2000, 1495; vom 14. August 2001 XI B 57/01, BFH/NV 2002, 51).
Die von dem Kläger vorgetragene Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig.
Der Kläger begehrt sinngemäß zu klären, ob der Finanzbehörde mündlich dargelegte Wiedereinsetzungsgründe schriftlich wiederholt werden müssen. Die Beantwortung ist ohne weiteres auf Grund des Gesetzestextes möglich. Da § 110 Abs. 2 AO 1977 keine Form für die Begründung der Wiedereinsetzung verlangt, können Antrag und Gründe auch mündlich vorgebracht werden (herrschende Meinung vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 110 FGO Rz. 72, m.N.).
Von dieser Beurteilung ist auch das FG ausgegangen. Es hat die mündlich und schriftlich innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist vorgebrachten Gründe aber nicht für ausreichend angesehen. Es ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Tatsachen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags wenigstens ihrem wesentlichen Inhalt nach innerhalb der Begründungsfrist vorgebracht werden müssen.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
a) Soweit der Kläger die Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das FG (§ 76 Abs. 1 FGO) rügt, ergibt sein Vortrag nicht, welche Tatsachenaufklärung das FG unterlassen hat. Für die Sachaufklärungspflicht des FG ist dessen sachlich-rechtliche Beurteilung maßgebend.
Nach Auffassung des FG (Urteil S. 17) war, selbst wenn man die Richtigkeit der Behauptung des Klägers im Schriftsatz vom April 2000 --er habe schon im Besprechungstermin vom 2. Juli 1999 ausgeführt, dass er den Einspruch am 5. Mai 1999 selbst geschrieben und persönlich in den Briefkasten eingeworfen habe-- als wahr unterstellte, dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben, weil diese Angaben nach der Rechtsprechung (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 26. Februar 1998 III R 66/97, BFH/NV 1998, 1231) nicht ausreichten.
Das Verfahren des FG war insoweit auch nicht zu beanstanden; denn es entspricht der Rechtsprechung des BFH, dass die Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags nach § 110 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 ausschließlich Sache des Antragstellers ist. Wenn der Wiedereinsetzungsantrag --wie im Streitfall-- unter Mitwirkung eines fachkundigen Beraters gestellt wurde, brauchen die Finanzbehörde und das FG den Antragsteller über den erforderlichen Inhalt eines Wiedereinsetzungsgesuchs nicht aufzuklären oder zur Ergänzung eines unzulänglich begründeten Antrags aufzufordern (vgl. BFH-Beschluss vom 4. August 1987 VII B 36/87, BFH/NV 1988, 242; BFH-Urteil vom 27. September 2001 X R 66/99, BFH/NV 2002, 358, 359; Kuczynski in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 110 AO 1977 Rz. 46).
b) Die außerdem erhobene Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs ist unbegründet, weil dem Kläger durch die Ausführungen in dem Beschluss des FG vom 23. Februar 2000 über die Ablehnung der beantragten Aussetzung der Vollziehung alle entscheidungserheblichen Umstände bekannt waren und er ausreichend Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen.
Ende der Entscheidung
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