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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.09.1998
Aktenzeichen: V B 71/98
Rechtsgebiete: AO 1977, UStG, FGO


Vorschriften:

AO 1977 § 227
UStG § 14 Abs. 3
FGO § 115 Abs. 3
FGO § 56 Abs. 2 Satz 1
FGO § 2 Satz 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 1
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 56
FGO § 118 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) erteilte im Jahre 1991 dem Unternehmer K Rechnungen über die entgeltliche Lieferung von Pkw mit gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt ... DM. In Wirklichkeit fanden die Lieferungen nicht statt. Die Rechnungstellung war vielmehr Teil eines zwischen dritten Personen und K abgesprochenen planmäßigen Vorgehens, Vorsteuervergütungen durch fingierte Lieferungen mit anschließender steuerfreier Ausfuhr zu erschleichen. Für seine Beteiligung erhielt der Kläger eine Provision von ... DM netto.

Nachdem der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) von diesem Sachverhalt erfahren hatte, setzte er gegen den Kläger die Umsatzsteuer für 1991 in Höhe von ... DM fest. In diesem Betrag war die unberechtigt ausgewiesene Steuer enthalten.

Danach berichtigte der Kläger die Rechnungen gegenüber K und beantragte den Erlaß der Umsatzsteuer nach § 227 der Abgabenordnung (AO 1977). Das FA lehnte den Erlaß ab.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage zum Teil statt. Es ging davon aus, daß der Kläger die unberechtigt ausgewiesene Steuer entsprechend der Vorschrift des § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) schulde und daß diese Vorschrift eine generalpräventive Wirkung entfalten solle, um Mißbräuchen durch die Ausstellung von Rechnungen mit offenem Steuerausweis vorzubeugen. Gleichwohl hielt es einen Teilerlaß für geboten, da die Höhe des vom Kläger nach § 14 Abs. 3 UStG geschuldeten Betrags für ihn und seine Familie existenzbedrohend sei und die Verfehlungen des Klägers in einem begrenzten zeitlichen Rahmen gelegen hätten. Das FG verpflichtete deshalb das FA, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Das Urteil des FG wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 17. April 1998 zugestellt. Dieser legte mit Fax vom 13. Mai 1998 Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein und beantragte gleichzeitig, die Frist für die Beschwerdebegründung bis zum 13. Juni 1998 zu verlängern. Die Begründung ging beim Bundesfinanzhof (BFH) am 10. Juni 1998 ein. Daraufhin teilte die Geschäftsstelle dem Prozeßbevollmächtigten mit, daß die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde verspätet eingegangen sei, da die in § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgesehene Frist am 18. Mai 1998 abgelaufen sei. Mit Schriftsatz vom 17. Juni 1998, der beim BFH am 22. Juni 1998 einging, beantragte der Bevollmächtigte wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; zur Begründung seines Antrags machte er geltend, er habe unter starken Schmerzen gelitten und sei deshalb nicht in der Lage gewesen, die Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist zu begründen; nach dem beigefügten ärztlichen Attest vom 16. Juni 1998 war der Bevollmächtigte vom 8. Mai 1998 bis zum 1. Juni 1998 arbeitsunfähig. Nachdem das FA geltend gemacht hatte, daß demzufolge auch die Frist des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO versäumt worden sei, behauptete der Bevollmächtigte, der Hinderungsgrund sei erst etwa zwei Wochen nach Beendigung der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit entfallen.

In der Sache begehrt der Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache. Diese stützt er in erster Linie auf das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87 --Genius Holding-- (Slg. 1989, 4227, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 83), nach dem jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden könne.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Nichtzulassung kann selbständig durch Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils angefochten werden (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO). In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Der Senat läßt dahinstehen, ob dem Kläger wegen Versäumung der Beschwerdefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO gewährt werden kann. Jedenfalls ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu verneinen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Zulassung der Revision kommt nur wegen einer klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfrage in Betracht. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt oder bereits aufgrund der Rechtsprechung geklärt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. Januar 1991 VI B 140/89, BFHE 163, 204, BStBl II 1991, 309, und vom 23. Januar 1992 II B 64/91, BFH/NV 1992, 676).

Die Beschwerdebegründung wirft keine klärungsbedürftigen und klärbaren Rechtsfragen auf. Die Steuerschuld des Klägers hat ihre Rechtsgrundlage in § 14 Abs. 3 UStG; die Möglichkeit des Erlasses der Steuerschuld ergibt sich aus § 227 AO 1977; Voraussetzung des Erlasses ist, daß die Einziehung des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Bestimmungen ist das FG zu seiner Entscheidung gelangt.

Der EuGH hat im Urteil in Slg. 1989, 4227, UR 1991, 83 nicht die Auffassung vertreten, daß jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann; vielmehr hat er in Nummer 18 der Entscheidungsgründe darauf hingewiesen, daß es Sache der Mitgliedstaaten ist, die Geltung des Grundsatzes der Neutralität der Mehrwertsteuer dadurch zu gewährleisten, daß sie in ihrem innerstaatlichen Recht vorsehen, daß jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer berichtigt werden kann, wenn der Aussteller der Rechnung seinen guten Glauben nachweist. Hierauf kann sich der Kläger jedoch nicht berufen, da er nicht nachgewiesen hat, er sei im guten Glauben gewesen, die Kraftfahrzeuge tatsächlich (mit Hilfe eines unbekannten Hintermannes) geliefert zu haben. Wie das FG näher ausgeführt hat, kann von einem guten Glauben des Klägers nicht ausgegangen werden. Die diesbezüglichen Feststellungen des FG sind für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).

Im übrigen ist durch die Rechtsprechung geklärt, daß die Vorschrift des § 14 Abs. 3 UStG kein Strafgesetz i.S. des Art. 103 des Grundgesetzes (GG) ist (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts vom 5. August 1980 2 BvR 736/80, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Umsatzsteuergesetz 1967, § 14, Rechtsspruch 12, und vom 5. Mai 1992 2 BvR 271/92, StRK, Umsatzsteuergesetz 1980, § 14, Rechtsspruch 14; BFH-Beschluß vom 23. Juli 1992 V B 90/91, BFH/NV 1993, 334). Die Vorschrift des § 14 Abs. 3 UStG verstößt deshalb nicht gegen den "Grundsatz, wonach man für eine Tat nur einmal bestraft werden darf" (vgl. Art. 103 Abs. 3 GG).

Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.

Ende der Entscheidung

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