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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 14.09.1999
Aktenzeichen: V B 77/99
Rechtsgebiete: UStG 1993, FGO
Vorschriften:
UStG 1993 § 19 Abs. 1 | |
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3 | |
FGO § 76 Abs. 1 |
Gründe
I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) änderte nach einer Umsatzsteuerprüfung die Umsatzsteuerfestsetzung für 1992 gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) durch Änderungsbescheid vom 2. Januar 1997 und ließ die von ihr wegen der Anschaffung mehrerer PKW geltend gemachten Vorsteuerbeträge nicht mehr zum Abzug zu.
Während des Verfahrens über den Einspruch, den die Klägerin gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid für 1992 eingelegt hatte, unterbreitete ihr Rechtsanwalt Vorschläge zur Erledigung des Rechtsbehelfs. Im Schreiben vom 9. März 1998 ging das FA auf das Angebot des Vertreters der Klägerin ein und bot an, "den Umsatzsteuerbescheid 1992 antragsgemäß zu ändern, sofern Ihre Mandantin der Versteuerung der Umsätze in 1993 zustimmt". Der Rechtsanwalt der Klägerin erklärte darauf mit Schreiben vom 12. März 1998, die Klägerin, "wäre mit der Versteuerung der Umsätze in 1993 einverstanden, sofern dem Einspruch vom 8.1.1997 gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1992 abgeholfen wird".
Dementsprechend erließ das FA am 31. März 1998 einen Umsatzsteueränderungsbescheid für 1992, in dem es die Vorsteuerbeträge berücksichtigte und die Umsatzsteuer auf den negativen Betrag von 13 522 DM festsetzte. Mit gleichem Datum gab das FA einen Umsatzsteueränderungsbescheid für 1993 bekannt, in dem die Umsatzsteuer auf 12 780 DM festgesetzt wurde.
Dagegen erhob die Klägerin Einspruch und machte geltend, sie habe der Besteuerung der Umsätze für 1993 nur zugestimmt, wenn die Steuer gemäß § 19 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 nicht erhoben werde. Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Die Klage gegen den Umsatzsteueränderungsbescheid für 1993 hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung der Klageabweisung u.a. aus, die Klägerin habe ein Angebot des FA über eine tatsächliche Verständigung angenommen. Das Verständigungsangebot habe das FA in dem Schreiben vom 9. März 1998 gemacht. Es sei aus der Sicht eines verständigen Empfängers auszulegen. Die anwaltlich vertretene Klägerin habe es nicht anders verstehen können, als daß durch die Besteuerung der Ausgangsumsätze der Vorsteuerabzug der Eingangsleistungen wieder ausgeglichen werden sollte, um schwierige tatsächliche und rechtliche Abgrenzungsfragen zu vermeiden. Dementsprechend habe sie im Schreiben vom 27. Februar 1998 ausgeführt, sie wäre "notgedrungen" zu einer Versteuerung der Umsätze für 1993 bereit. Erst das Zustandekommen der Verständigung habe die Möglichkeit zur Einstellung des gegen die Klägerin eingeleiteten Steuerstrafverfahrens eröffnet.
Im übrigen habe die Klägerin bereits durch die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs bei der Umsatzsteuerveranlagung für 1992 mit Wirkung für das Streitjahr 1993 schlüssig auf die Anwendung von § 19 Abs. 1 UStG 1993 verzichtet.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen Abweichung der Vorentscheidung von mehreren bezeichneten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen Abweichung der Vorentscheidung von Grundsätzen in einem Urteil des BFH zuzulassen. Die Klägerin macht zwar geltend, daß die Vorentscheidung mit den Urteilen des BFH vom 5. Oktober 1990 III R 19/88 (BFHE 162, 211, BStBl II 1991, 45) und vom 6. Februar 1991 I R 13/86 (BFHE 164, 168, BStBl II 1991, 673) unvereinbar sei, weil tatsächliche Verständigungen nicht über Rechtsfragen möglich seien, weil das FG unterstellt habe, daß das FA von dem zuständigen Amtsträger vertreten worden sei und weil wegen der Aufklärung des Sachverhalts in einem vorgreiflichen Steuerstrafverfahren keine erschwerte Sachverhaltsermittlung im Streitfall gegeben sei.
Insoweit genügt die Beschwerde nicht den Anforderungen, die nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO zur Darlegung der Abweichung erfüllt werden müssen. Die Klägerin bezeichnet keinen entscheidungserheblichen Rechtssatz aus dem angefochtenen finanzgerichtlichen Urteil und keinen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BFH so genau, daß eine Abweichung erkennbar wird, weil die gegenübergestellten Rechtsgrundsätze unvereinbar sind (BFH-Beschlüsse vom 1. August 1990 II B 36/90, BFHE 161, 418, BStBl II 1990, 987; vom 30. März 1983 I B 9/83, BFHE 138, 152, BStBl II 1983, 479). Aus den Entscheidungen des BFH in BFHE 162, 211, BStBl II 1991, 45 und in BFHE 164, 168, BStBl II 1991, 673 ergibt sich nicht, daß ein Verzicht auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG 1991/1993 bei gleichzeitiger tatsächlicher Verständigung über getätigte Umsätze nicht möglich ist.
2. Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) begehrt, hat die Beschwerde keinen Erfolg.
Mit der Verfahrensbeschwerde können nur Fehler gerügt werden, die das FG bei der Handhabung seines Verfahrens begeht und die zur Folge haben, daß es an einer ordnungsgemäßen Grundlage für die Entscheidung im Urteil fehlt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 25 a). Für die Beurteilung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des FG auszugehen (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Beschluß vom 9. März 1995 V B 85/94, BFH/NV 1995, 949; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24, m.w.N.).
Soweit die Klägerin rügt, das FG habe es unterlassen, ihrem Hinweis nachzugehen, wonach das FA "bei Bescheidberichtigung" von einer "gegenseitigen Verständigung bzw. eines Vergleichs abgerückt" sei, macht sie einen Verfahrensmangel durch Verletzung von § 76 Abs. 1 FGO geltend. Die Rüge genügt jedoch nicht den Anforderungen, die § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Bezeichnung des Verfahrensmangels stellt.
Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Auswertung des Akteninhalts und wegen unterlassener Beweiserhebung rügt, muß nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung bezeichnen (vgl. BFH-Beschluß vom 4. Juni 1998 VII B 67/98, BFH/NV 1999, 54, m.w.N.), welche weitere Aufklärung sich dem FG --nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung-- von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluß vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, welche Beweise das FG zu welchem Beweisthema nicht erhoben hat, und inwieweit die als unterlassen gerügte Sachverhaltsaufklärung und Beweisaufnahme zu einer anderen Entscheidung des FG hätte führen können.
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdeschrift nicht. Darin wird zwar ausgeführt, dem FG hätte sich die Einvernahme einer Sachbearbeiterin des FA aufdrängen müssen oder es hätte der Klägerin Gelegenheit zur Stellung eines solchen Beweisantrags geben müssen. Die Klägerin setzt sich aber nicht damit auseinander, weshalb dies die Entscheidung des FG hätte beeinflussen können.
Selbst wenn die Darlegung der Klägerin noch als ausreichend angesehen würde, hätte die Ansicht der Sachbearbeiterin des FA bei der Bescheiderteilung über eine Bindung des FA an die tatsächliche Verständigung nach der maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG keine Bedeutung. Das FG ging davon aus, daß die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 12. März 1998 das Angebot des FA vom 9. März 1998 über eine tatsächliche Verständigung angenommen hatte und daß die Beteiligten daran gebunden waren. Außerdem war das FG der Auffassung, daß die Klägerin schlüssig auf die Anwendung von § 19 Abs. 1 UStG 1991/1993 verzichtet hatte. Unter diesen Umständen war es für die Entscheidung des FG unerheblich, ob das FA von der tatsächlichen Verständigung abgerückt war.
3. Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne weitere Begründung.
Ende der Entscheidung
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