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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.07.1999
Aktenzeichen: V B 83/99
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 142 Abs. 1
ZPO § 114
AO 1977 § 140
AO 1977 § 141
AO 1977 § 142
AO 1977 § 143
AO 1977 § 144
AO 1977 § 145
AO 1977 § 146
AO 1977 § 147
AO 1977 § 148
AO 1977 § 158
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Der Antragsteller, Kläger und Beschwerdeführer (Antragsteller) betrieb in den Streitjahren (1987 bis 1989) eine Schank- und Speisewirtschaft.

Aufgrund der Feststellungen einer Fahndungsprüfung änderte der Beklagte und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) die bisherigen Veranlagungen des Antragstellers zur Umsatzsteuer für die Streitjahre. Dabei ging das FA davon aus, daß der Antragsteller die in seinem Unternehmen eingesetzten Waren bei einem Geschäft in G teilweise unter seinen "Kunden-Nummern" gegen Rechnung und teilweise lediglich gegen Barquittung (sog. "Tagesnummern-Einkäufe") eingekauft und dementsprechend die Eingangsumsätze und die Ausgangsumsätze verkürzt habe; es sah diesen Sachverhalt durch eine von den Fahndungsprüfern erstellte Vermögenszuwachsrechnung bestätigt.

Der Einspruch gegen die Änderungsbescheide hatte keinen Erfolg. Die anschließende Klage ist beim Finanzgericht (FG) unter dem Aktenzeichen 10 K 4016/98 U anhängig.

Auf den Antrag des Antragstellers hin setzte das FA die Vollziehung der Umsatzsteueränderungsbescheide und der Zinsen zur Umsatzsteuer 1989 gegen Sicherheitsleistung aus.

Da der Antragsteller sich nicht in der Lage sah, die geforderte Sicherheitsleistung zu erbringen, beantragte er beim FG die Aussetzung der Vollziehung ohne Sicherheitsleistung. Außerdem beantragte er für dieses Verfahren sowie für das Klageverfahren 10 K 4016/98 U Prozeßkostenhilfe (PKH).

Das FG lehnte die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung und auf Gewährung von PKH ab; es kam zum Ergebnis, daß die von den Fahndungsprüfern vorgenommene Vermögenszuwachsrechnung auch höhere Zuschätzungen gerechtfertigt hätte, als das FA vorgenommen hatte; wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß verwiesen.

Gegen die Zurückweisung der PKH-Anträge wendet sich der Antragsteller mit der vorliegenden Beschwerde, mit der er mangelnde Aufklärung des Sachverhalts bezüglich der "Tagesnummern-Einkäufe" rügt.

II. 1. Die Beschwerde ist unzulässig, soweit der PKH-Antrag den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung betrifft.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH durch das FG ist nicht statthaft, wenn das zugehörige Hauptsacheverfahren nicht an den Bundesfinanzhof (BFH) gelangen kann. Das ist der Fall, wenn das FG im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen seine Entscheidung die Beschwerde nicht zugelassen hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschluß vom 25. September 1997 VII B 174/97, BFH/NV 1998, 493).

Das FG hat die Beschwerde gegen seine Ablehnung des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung nicht zugelassen, so daß dieses Verfahren auch nicht an den BFH gelangen kann. Insoweit ist die Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH unzulässig.

2. Soweit der PKH-Antrag die Anfechtungsklage gegen die Umsatzsteuerbescheide betrifft, ist die Beschwerde unbegründet. Das FG hat dem Antragsteller insoweit zu Recht die Gewährung von PKH versagt.

Nach § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung erhält ein Beteiligter PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet sowie nicht mutwillig erscheint.

Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung dafür eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BFH-Beschlüsse vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526, m.w.N.; vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217).

3. Legt man diese Maßstäbe der Beurteilung des Streitfalls zugrunde, so hat die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Es bestehen keine Bedenken dagegen, daß das FA seinen Bescheiden das Ergebnis einer Schätzung zugrunde gelegt hat. Zwar sind der Besteuerung grundsätzlich die Buchführung und die Aufzeichnungen eines Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechen, zugrunde zu legen; dies gilt indessen nur, "soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlaß ist, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden" (§ 158 AO 1977). Ergibt die Würdigung des Sachverhalts, daß die formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ganz oder teilweise sachlich unrichtig ist, so kann das Ergebnis dieser Buchführung ganz oder teilweise verworfen werden (BFH-Beschluß vom 7. November 1990 III B 449/90, BFH/NV 1991, 724). Ein solcher Fall war hier im Hinblick auf den ungeklärten Vermögenszuwachs und die "Tagesnummern-Einkäufe" gegeben.

Bei einer formell ordnungsmäßigen Buchführung rechtfertigt ein ungeklärter Vermögenszuwachs die Annahme, daß höhere Betriebseinnahmen erzielt und höhere Privatentnahmen getätigt als gebucht wurden. Der Vermögenszuwachsrechnung liegt die Überlegung zugrunde, daß niemand mehr Geld ausgeben oder einlegen kann, als ihm aus seinen steuerpflichtigen und sonstigen Quellen zur Verfügung steht. Wird auf diese Weise ein ungeklärter Vermögenszuwachs dargelegt, kann angenommen werden, daß der Steuerpflichtige mehr Einnahmen erzielt als er erklärt hat. Damit sind ein eigenständiger Schätzungsgrund und ein ausreichend sicherer Anhalt für die Höhe der Schätzung gegeben (BFH in BFH/NV 1991, 724).

Im Streitfall hat das FA einen Vermögenszuwachs des Antragstellers mit einer auf den Einzelfall angepaßten Vermögenszuwachsrechnung festgestellt. Der Antragsteller hat insoweit im vorliegenden Verfahren keine substantiierten Einwendungen gegen die Vermögenszuwachsrechnung erhoben. Wird mit einer dem Einzelfall angepaßten Vermögenszuwachsrechnung ein ungeklärter Vermögenszuwachs aufgedeckt, so trägt der Steuerpflichtige die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Herkunft des Vermögens. Bleibt die Herkunft des ermittelten Vermögens trotz Ausschöpfung aller Erkenntnismittel ungeklärt, so kann angenommen werden, daß dem Steuerpflichtigen mehr Einnahmen aus steuerpflichtigen Quellen zur Verfügung standen, als er erklärt hat (BFH in BFH/NV 1991, 724).

Diese Annahme wird durch die "Tagesnummern-Einkäufe" des Antragstellers erhärtet, die bei der Fahndungsprüfung festgestellt wurden und die der Antragsteller grundsätzlich selbst eingeräumt hat. Wie das FG näher ausgeführt hat, ist es unwahrscheinlich, daß es dem Antragsteller gelingen wird, das FG davon zu überzeugen, daß die "Tagesnummern-Einkäufe" nur für den privaten Bedarf des Antragstellers bestimmt waren und der ungeklärte Vermögenszuwachs nicht im Unternehmen des Antragstellers erwirtschaftet wurde.



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