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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 30.06.2003
Aktenzeichen: V B 86/02
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 73 Abs. 1 Satz 1
FGO § 100 Abs. 1 Satz 4
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
V B 86/02 V B 87/02

Gründe:

I. In dem Bescheid vom 5. August 1997 setzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für I/1997 aufgrund von geschätzten Besteuerungsgrundlagen gegen die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) fest. Der Einspruch wurde nicht näher begründet. Voranmeldungen wurden im Einspruchsverfahren nicht abgegeben.

Durch Bescheide vom 19. Februar 1998 setzte das FA die Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für Oktober und November 1997 und durch Bescheid vom 31. März 1998 die Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 1997 gegen die Klägerin fest. Weil die Klägerin keine Voranmeldungen abgegeben hatte, schätzte das FA die Besteuergrundlagen. Die Umsatzsteuer-Sonder-Vorauszahlung für das Kalenderjahr 1998 setzte das FA durch Bescheid vom 31. März 1998 ebenfalls aufgrund von geschätzten Besteuerungsgrundlagen fest. Weil die Klägerin auch im Einspruchsverfahren keine Voranmeldungen abgegeben hatte, wurde der Einspruch, in dem die Klägerin die Steuerfestsetzungen ohne nähere Begründung als rechtswidrig bezeichnete, zurückgewiesen.

Während der gegen die erwähnten Bescheide vor dem Finanzgericht (FG) gerichteten Klageverfahren (Verfahren 11 K 290/98 wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung I/1997 und Verfahren 11 K 7129/98 wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung 10 bis 12/1997 und Umsatzsteuer-Sonder-Vorauszahlung 1998) reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung für 1997 ein. Das FA ging in der Abrechnung über die Umsatzsteuer für 1997 von der darin angemeldeten Steuer aus und setzte Säumniszuschläge von 24 978 DM fest.

Die Klägerin erklärte, sie führe die Klagen gegen die erwähnten Bescheide als Fortsetzungsfeststellungsklage fort, weil ihr ein Schaden entstanden sei, den sie vor den Zivilgerichten durch Amtshaftungsklage geltend machen wolle. Die Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen seien zu hoch gewesen und seien über die in den Vorjahren erklärten Umsätze hinausgegangen.

Das FG wies die Klagen durch Urteile vom 12. Dezember 2001 ab, weil die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht substantiiert dargelegt habe. Sie habe nicht konkretisiert, inwiefern und in welcher Höhe ihr ein Schaden entstanden sei und dass sie den von ihr beabsichtigten Amtshaftungsprozess nicht offensichtlich aussichtslos führen werde. So sei ein Schadensersatzprozess wegen der entstandenen Säumniszuschläge als Schaden offensichtlich aussichtslos, weil die Klägerin die Säumniszuschläge nicht gezahlt und damit keinen Schaden gehabt habe. Hinzu komme, dass Säumniszuschläge unabhängig von der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids verwirkt würden (§ 240 Abs. 1 Satz 4 der Abgabenordnung --AO 1977--) und dass eine Aussetzung der Vollziehung abgelehnt worden sei.

Mit den Beschwerden begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision gegen die Urteile des FG vom 12. Dezember 2001 (11 K 290/98 wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung I/1997 und Verfahren 11 K 7129/98 wegen Umsatzsteuer-Vorauszahlung 10 bis 12/1997 und Umsatzsteuer-Sonder-Vorauszahlung 1998), weil Verfahrensmängel vorhanden seien.

Das FA ist den Beschwerden entgegengetreten.

II. 1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

2. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.

Die Revision gegen die Vorentscheidungen ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen. Die Klägerin hat Verfahrensmängel teils nicht den Voraussetzungen entsprechend bezeichnet. Soweit sie bezeichnet worden sind, liegen sie aber nicht vor.

a) Die Klägerin rügt, dass sie durch die Entscheidungen überrascht worden sei, weil sie "eine Problematik thematisieren, ... über die mit den Parteien nicht verhandelt" worden sei.

Dem widerspricht der Schriftsatz der Klägerin an das FG vom 10. Dezember 2001, in dem sie jeweils den Fortsetzungsfeststellungsantrag stellte und diesen Antrag mit der beabsichtigten Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs im Amtshaftungsprozess begründete. Dem Vorbringen der Klägerin ist zu entnehmen, dass ihr die Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit einer Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 100 Abs. 1 Satz 4 FGO) bewusst waren oder klar hätten sein müssen.

Sie musste somit substantiiert darlegen, dass ein Schadensersatzprozess anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass dafür die Entscheidung nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht unerheblich und dass der Schadensersatzprozess nicht offenbar aussichtslos sein wird (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juli 1994 II R 109/91, BFH/NV 1995, 322; vom 11. August 1998 VII R 72/97, BFHE 187, 159, BStBl II 1998, 750, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom 15. Mai 2002 I B 8/02, I S 13/01, BFH/NV 2002, 1317; vom 20. September 2000 VII B 33/00, BFH/NV 2001, 458). Der bloße Hinweis auf einen möglichen Schadensersatzprozess genügt nicht (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 153/73, BFHE 116, 459, BStBl II 1975, 857; BFH-Beschluss vom 6. Juli 2001 III B 58/00, BFH/NV 2001, 1530).

Ausweislich des jeweiligen Protokolls über die mündliche Verhandlung am 12. Dezember 2001 wurde die Sache mit den Beteiligten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Anhaltspunkte für Überraschungsentscheidungen sind somit nicht vorhanden.

b) Ebenso wenig sind Anhaltspunkte für die gerügte Verletzung der Aufklärung des Sachverhalts durch das FG gegeben. Die Beschwerdeschrift genügt insoweit schon nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Wer einen Verstoß des FG gegen die Amtsermittlungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) wegen unvollständiger Aufklärung des Sachverhalts rügt, muss nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO in der Beschwerdebegründung u.a. bezeichnen, welche weitere Aufklärung sich dem FG --nach dessen maßgebender sachlich-rechtlicher Auffassung-- von Amts wegen hätte aufdrängen müssen (BFH-Beschluss vom 19. Juni 1998 IX B 13/98, BFH/NV 1999, 58), welche Tatsachen aufklärungsbedürftig waren, und weshalb die angeblich unterlassene Sachverhaltsaufklärung nicht vor dem FG als verfahrensfehlerhaft gerügt worden ist (zu den Anforderungen an eine schlüssige Rüge der Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes vgl. BFH-Beschlüsse vom 1. August 2002 VII B 35/02, BFH/NV 2002, 1499; vom 20. März 1997 XI B 182/95, BFH/NV 1997, 777).

Die durch ihren damaligen Prozessbevollmächtigten vertretene Klägerin hat ausweislich des jeweiligen Protokolls über die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2001 in der Sache verhandelt, ohne Verfahrensrügen zu erheben. Sie hat durch rügelose Verhandlung zur Sache und damit das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung; vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Januar 2000 VI B 234/99, BFH/NV 2000, 860; vom 10. Mai 2001 III B 115/00, BFH/NV 2001, 1423; vom 5. Februar 2002 IX B 175/01, BFH/NV 2002, 793) auf die Rüge schlüssig verzichtet. Die in dem überreichten Schriftsatz vom 10. Dezember 2001 erwähnten Beweisantritte waren gegen die Höhe der Schätzung gerichtet und für die Entscheidung des FG unerheblich, weil die Klägerin selbst in dem jeweiligen Einspruchsverfahren noch keine Steuererklärungen abgegeben hatte.

c) Das gilt ebenso für die angebliche Nichthinzuziehung von Steuerakten, die Nichterhebung von Sachverständigen- und Zeugenbeweisen und die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Aus den Gerichtsakten ergibt sich, dass die hier erheblichen Steuerakten dem FG vorlagen und dass der damalige Prozessbevollmächtigte der Klägerin Gelegenheit hatte, diese beim FG einzusehen. Welche Beweisanträge, die für die Entscheidung des FG nach dessen rechtserheblicher Auffassung hätten bedeutsam sein können, die Klägerin gestellt hätte, hat sie auch in den Nichtzulassungsbeschwerden nicht bezeichnet. Die Gelegenheit in der mündlichen Verhandlung, Beweisanträge zu stellen, hat sie nicht wahrgenommen. Weshalb das rechtliche Gehör der Klägerin trotz der protokollierten Erörterung der Sach- und Rechtslage verletzt worden sein könnte, legt sie nicht dar.

d) Mit den übrigen Ausführungen (fehlende Schätzungsberechtigung, Verstoß gegen Denkgesetze, Schadenseintrittsvoraussetzungen) rügt die Klägerin die sachliche Richtigkeit der Vorentscheidung. Sie kann damit die Zulassung der Revision wegen Verfahrensmängeln nicht erreichen.

3. Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO nicht.

Ende der Entscheidung

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