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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.10.1998
Aktenzeichen: V B 87/98
Rechtsgebiete: UStG 1980, FGO
Vorschriften:
UStG 1980 § 10 | |
UStG 1980 § 10 Abs. 1 | |
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1 | |
FGO § 74 | |
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3 |
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Automatenaufstellerin. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) rechnete die Umsatzsteuer für 1982 bis 1989 entsprechend den Steueranmeldungen der Klägerin ab. Für 1990 setzte er die Umsatzsteuer nach einer Betriebsprüfung in dem vorbehaltlosen Umsatzsteuerbescheid vom 30. November 1992 fest. Am 24. Juli 1995 legte die Klägerin Einspruch gegen die Steuerfestsetzungen für 1982 bis 1990 ein und beantragte vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Zuvor hatte sie am 3. Juni 1994 Einspruch gegen die Steuerfestsetzungen für 1991 und 1992 eingelegt, nachdem der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in dem Urteil vom 5. Mai 1994 Rs. C-38/93 - Glawe (Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548) entschieden hatte, Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) sei dahin auszulegen, daß bei Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der gesetzlich zwingend festgelegte Teil der Gesamtheit der Spieleinsätze, der den an die Spieler ausgezahlten Gewinnen entspreche, nicht zur Besteuerungsgrundlage gehöre. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) wies darauf die Finanzbehörden der Länder in dem Schreiben vom 5. Juli 1994 (BStBl I 1994, 465) an, die Grundsätze des erwähnten EuGH-Urteils auf alle nicht bestandskräftigen Fälle anzuwenden. Zugleich wurde die bisherige Beurteilung aufgegeben (BMF-Schreiben vom 7. Juni 1991, BStBl I 1991, 558), nach der Bemessungsgrundlage für die Umsätze aus Geldspielautomaten der Geldeinsatz für das jeweilige Spiel sei, der notfalls geschätzt werden müsse.
Das FA verwarf den Einspruch der Klägerin gegen die Umsatzsteuerfestsetzungen für 1982 bis 1990 als verspätet und lehnte eine Änderung ab. Das Finanzgericht wies die dagegen gerichtete Klage ab. Es folgte den Darlegungen der Klägerin nicht, daß eine Hemmung von Fristen deshalb eingetreten sei, weil der Gesetzgeber in § 10 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) eine ausdrückliche Regelung über die Bemessungsgrundlage von Umsätzen mit Geldspielautomaten habe treffen müssen.
Mit der Beschwerde begehrt die Klägerin Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie beantragt außerdem, den Rechtsstreit dem EuGH zur Entscheidung vorzulegen.
Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.
II. 1. Der Senat kann entscheiden. Eine Aussetzung des Beschwerdeverfahrens entsprechend § 74 FGO zur Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem EuGH nach Art. 177 Abs. 1, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) kommt nicht in Betracht. Eine Vorlagepflicht besteht nicht. Zweifel über die Auslegung von Gemeinschaftsrecht können nur zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen. Erst im Revisionsverfahren wird über die Vorlagepflicht (Art. 177 Abs. 3 EGV) nach den dafür maßgebenden Kriterien entschieden (vgl. dazu Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 24. September 1996 VII B 101/96, BFH/NV 1997, 272).
2. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Revision kann nur wegen klärungsbedürftiger und klärbarer Rechtsfragen zugelassen werden. In der Beschwerdeschrift muß die grundsätzliche Bedeutung dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Bei einer wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde sind nur die innerhalb der Beschwerdefrist ordnungsgemäß dargelegten Rechtsfragen zu prüfen (BFH-Beschluß vom 6. August 1986 II B 53/86, BFHE 147, 219, BStBl II 1986, 858; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 115 Rz. 55). Somit sind die in den nachgereichten Schriftsätzen der Klägerin vom 14. September 1998 und 17. September 1998 herausgestellten Rechtsfragen nicht zu berücksichtigen.
b) Die Klägerin hält nach ihren Darlegungen in dem innerhalb der Beschwerdefrist eingereichten Schriftsatz vom 19. Juni 1998 sinngemäß die Rechtsfrage in der angestrebten Revision für klärungsbedürftig und klärbar, ob die Regelung über die Besteuerungsgrundlage in der Richtlinie 77/388/EWG bezogen auf Umsätze aus Geldspielgeräten nach den Kriterien des gemeinschaftsrechtlichen Transparenzgebotes aufgrund der sog. EmmottŽschen Fristenhemmung (EuGH-Urteil vom 25. Juli 1991 Rs. C-208/90 - Emmott, Slg. 1991, I-4292, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1993, 315) vollständig und sachlich richtig umgesetzt worden sei. Dazu erläutert die Klägerin, daß nach der Umsetzung der Richtlinie 77/388/EWG in das Umsatzsteuergesetz die Verwaltungsvorschriften nicht aufgehoben worden seien, nach denen die Bemessungsgrundlagen bei Geldspielautomatenumsätzen aufgrund der Anzahl der Spieleinsätze zu ermitteln seien. Deswegen hätten die betroffenen Unternehmer von einer richtlinienkonformen Umsetzung ausgehen müssen. Sie hätten keinen Anlaß gehabt, rechtzeitig Rechtsbehelfe gegen entsprechende Steuerfestsetzungen einzulegen.
c) Für die Zulassung der Revision wegen der so bezeichneten Rechtsfrage fehlt es jedoch an der Klärungsbedürftigkeit.
Es ist durch die Rechtsprechung geklärt (BFH-Urteil vom 21. März 1996 XI R 36/95, BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399; BFH-Beschluß vom 2. Oktober 1997 V R 21/96; Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des BFH in BFHE 179, 563, BStBl II 1996, 399 ist vom Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 23. Dezember 1996 2 BvR 1335/96, Steuer-Eildienst 1997, 96 nicht zur Entscheidung angenommen worden), daß die Entscheidung des EuGH in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548 über die Auslegung der Besteuerungsgrundlage nach Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG im Fall von Geldspielautomatenumsätzen nicht zur Änderung bereits bestandskräftiger Umsatzsteuerfestsetzungen verpflichtet. Ein Fall der sog. EmmottŽschen Fristenhemmung liegt nicht vor, weil Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG objektiv ordnungsgemäß in § 10 Abs. 1 UStG 1980 umgesetzt worden ist. Nur die Auslegung und Anwendung der umgesetzten Regelung in Rechtsprechung und Verwaltung entsprach nicht der Beurteilung des EuGH in Slg. 1994, I-1679, BStBl II 1994, 548. Der Klägerin war weder der rechtzeitige Weg zu den Gerichten versperrt noch wären die Gericht --bei rechtzeitiger Anfechtung der Steuerfestsetzungen-- gehindert gewesen, die Prüfung der Vereinbarkeit des nationalen Rechtsakts mit dem Gemeinschaftsrecht durchzuführen. Für die Geltendmachung des Rechts auf richtlinienkonforme Anwendung und Auslegung des einzelstaatlichen Rechts ist unter diesen Voraussetzungen das nationale Verfahrensrecht maßgebend (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Juli 1995 Rs. C-62/93 - BP Soupergaz, Slg. 1995, I-1883, Internationales Steuerrecht --IStR-- 1995, 385; vgl. dazu Lohse, UR 1995, 408; Thesling, Deutsches Steuerrecht 1997, 848, 850; Rainer, IStR 1995, 388, 389; Reiß, Steuer und Wirtschaft 1994, 323, 330).
3. Von einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ab.
Ende der Entscheidung
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