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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 29.11.2002
Aktenzeichen: V B 96/02
Rechtsgebiete: FGO, UStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) handelt mit Mobiltelefonen.

Durch eine Steuerprüfung wurde dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) bekannt, dass ein Lieferant der Klägerin unter der Firma A zum Schein als Importeur von Mobiltelefonen zwischengeschaltet wurde, um die Lieferungen an die Klägerin als Inlandslieferungen mit gesondertem, zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausweis der Umsatzsteuer behandeln zu können, und nicht, wie es eigentlich zutreffend gewesen wäre, als innergemeinschaftliche Erwerbe.

Das FA ließ deshalb Vorsteuerbeträge aus Rechnungen des A in Höhe von ... DM nicht zum Vorsteuerabzug zu. Die Klägerin legte gegen die Vorauszahlungsbescheide für März und April 1998 Einspruch ein, der aber nie beschieden wurde.

In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1998 machte die Klägerin die ihr von A in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zunächst versehentlich nicht als Vorsteuer geltend, weshalb das FA der Steueranmeldung, die einen (Vorsteuer-)Überschuss von ... DM auswies, mit Mitteilung vom 10. Juni 1999 zustimmte. Am 9. Juni 1999 ging beim FA eine "berichtigte" Umsatzsteuererklärung ein, die einen Überschuss von ... DM ergab.

Mit Schriftsatz vom 16. Juni 1999 beantragte die Klägerin im Wege der "Sprungklage" den Überschuss für den Veranlagungszeitraum 1998 auf ... DM festzusetzen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) meinte, die Feststellungslast für das Vorliegen der den Vorsteuerabzug begründenden Tatsachen habe der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer. Das FG hatte "begründende Zweifel" an der Identität von Rechnungsaussteller und tatsächlich Leistendem. Es meinte, es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der Sozialhilfeempfänger A, der die Rechnungen unter der Firma A unterzeichnet habe, von den tatsächlich handelnden Personen dazu benutzt worden sei, die Existenz einer Firma und eines Bankkontos vorzutäuschen. Die Klägerin habe keine Unterlagen vorgelegt oder Beweismittel benannt, dass zwischen dem als Rechnungssaussteller in Erscheinung getretenen A (ggf. vertreten durch angebliche Mitarbeiter der Fa. A) und der Klägerin tatsächlich zivilrechtlich Leistungsaustauschverhältnisse zustande gekommen seien, die die Lieferung von Mobiltelefonen zum Inhalt gehabt hätten. Für A sei stets eine Frau unter dem falschen Namen P aufgetreten. Frau "P" sei von einem anderweitig Beschuldigten als S identifiziert worden. Dass A ein bloßer Unterschriftengeber gewesen sei und dass er keine Kenntnis davon gehabt habe, wozu die tatsächlich Handelnden seinen Namen und die von ihm angemeldete Firma benutzten, werde insbesondere durch seine Einlassung gegenüber einem Prüfer des Finanzamts belegt, er wolle mit elektronischem Zubehör für Musikinstrumente handeln. Diese Einlassung sei zwei Tage nach einer von ihm unterzeichneten "Purchase Order" über 1 000 Mobiltelefone erfolgt. A sei nicht selbst als Händler von Mobiltelefonen aufgetreten. Die Person, die unter seinem Namen nach außen aufgetreten sei, habe sehr gute Branchenkenntnisse gehabt; sie habe auch über die Abwicklung der Warenbewegungen Bescheid gewusst.

Es könne nicht geklärt werden, ob A überhaupt in der Lage gewesen sei, zu erkennen und zu verhindern, in welcher Weise und zu welchem Zweck sein Name bzw. die von ihm angemeldete Firma von den tatsächlich handelnden Hintermännern benutzt worden sei und ob er bei Kenntnis der wahren Sachlage das Handeln der Hintermänner geduldet haben würde. Deshalb könne auch nicht von einer Vertretung in Anscheins- oder Duldungsvollmacht ausgegangen werden. Er sei auch nicht als Strohmann anzusehen, da sein Auftreten (ungenügende eigene Sprachkenntnisse, fehlende Kenntnis vom Handy-Handel) der Annahme widerspreche, er habe als selbständiger Unternehmer im eigenen Namen Geschäfte mit Dritten abschließen und eigene Leistungsverpflichtungen begründen wollen.

Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Beschwerde, die sie auf die Revisionsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) stützt.

Die Klägerin meint, die "Rechtsfrage, ob die im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG maßgebliche zivilrechtliche Leistungsbeziehung durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärung zustandekommt, oder ob bereits auf dieser Ebene eine wirtschaftliche Wertung eingreift mit der Folge, dass ein wirksamer Vertragsschluss persönliche oder intellektuelle Qualifikationen der Beteiligten wie etwa Deutschkenntnisse, Branchenkenntnisse etc. voraussetzt", bedürfe zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH). Nach dem Ermittlungsbericht der Steuerfahndung, den das FG zum Gegenstand seiner Feststellungen gemacht habe, habe A die Mobiltelefone schriftlich der Klägerin zum Kauf angeboten, die dieses Angebot angenommen habe. Damit sei der Vertrag über die Telefone zustande gekommen. Es spiele keine Rolle, dass A möglicherweise den Inhalt seiner Erklärung nicht im Detail überblickt habe oder sich nicht im Klaren darüber gewesen sei, eine bestimmte Erklärung überhaupt abzugeben. Dadurch sei seine Erklärung zwar möglicherweise anfechtbar gewesen (§ 119 des Bürgerlichen Gesetzbuchs --BGB--); sie sei aber nicht von vorneherein unwirksam oder nichtig gewesen.

Im Übrigen enthalte die Vorentscheidung eine Sachverhaltsunterstellung, die nicht durch die tatsächlichen Feststellungen getragen werde und deshalb als Verfahrensfehler (Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO) revisibel sei. Die Unterstellung des FG, A habe nicht als selbständiger Unternehmer im eigenen Namen Geschäfte mit Dritten abschließen und eigene Leistungsverpflichtungen begründen wollen, lasse sich dem Ermittlungsbericht der Steuerfahndung, auf den das FG Bezug nehme, nicht entnehmen.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Nichtzulassung kann durch Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

2. Die Revision war nicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen.

Die Frage, "ob die im Rahmen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG maßgebliche zivilrechtliche Leistungsbeziehung durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärung zustandekommt", ist bereits durch das Gesetz hinreichend geklärt. Das FG hat bezweifelt, dass A die Mobiltelefone, um die es hier geht, im Inland an die Klägerin geliefert hat; es ging vielmehr davon aus oder hielt es jedenfalls für möglich, dass in Wirklichkeit ein innergemeinschaftlicher Erwerb vorlag. Diese Zweifel sind mit den vorgenannten Vorschriften vereinbar: Wenn A sich über den Inhalt seiner Erklärungen im Unklaren war und die Klägerin die Mobiltelefone in Wirklichkeit nicht von A im Inland, sondern von einem Lieferanten in einem anderen Mitgliedstaat erwerben wollte, fehlte es an der für das Zustandekommen eines Kaufvertrags und der Übereignung notwendigen Einigung zwischen A und der Klägerin.

3. Unter diesen Umständen ist auch unerheblich, ob A "selbständig" oder "nicht selbständig" gehandelt hat; selbst wenn die Vorentscheidung in diesem Punkte nicht verfahrensfehlerfrei zustande gekommen wäre, würde sie nicht auf diesem Verfahrensfehler beruhen.

Ende der Entscheidung

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