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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 28.10.2005
Aktenzeichen: V B 99/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb seit dem 1. April 1995 ein Leitergerüstbauunternehmen. Im Rahmen einer beim Kläger durchgeführten steuerlichen Betriebsprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen von insgesamt sechs Subunternehmern nicht gewährt werden dürfe, weil es sich nicht um Unternehmer, sondern um Arbeitnehmer des Klägers gehandelt habe. Außerdem seien die Rechnungen vom Kläger erstellt worden. Es habe sich um Blanko-Rechnungsvordrucke mit dem Firmenkopf der jeweiligen Subunternehmer gehandelt.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) folgte dem, ließ den Vorsteuerabzug in Höhe von insgesamt 38 097,81 DM nicht zum Abzug zu und änderte die unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Umsatzsteuerfestsetzung für das Streitjahr 1995 mit Bescheid vom 12. Mai 1999.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, die Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs seien nicht erfüllt, weil es sich bei den Subunternehmern nicht um Unternehmer gehandelt habe. Die Unternehmereigenschaft erfordere eine selbständige Tätigkeit. Ob das der Fall sei, entscheide sich nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, wobei die für und gegen die Selbständigkeit sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen seien. Danach ergebe sich eine Arbeitnehmerstellung der Subunternehmer.

Das FG hat weiter ausgeführt, selbst wenn es sich bei den Subunternehmern um Unternehmer gehandelt habe, komme der Vorsteuerabzug nicht in Betracht, weil in diesem Fall die Rechnungen nicht von den leistenden Unternehmern ausgestellt worden seien. Die Rechnungen seien vom Kläger selbst ausgestellt worden, obwohl ihn nicht die Abrechnungslast getroffen habe.

Mit der Beschwerde macht der Kläger geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Außerdem weiche das FG von der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) und des Bundesfinanzhofs (BFH), insbesondere von den Urteilen des BFH vom 5. April 2001 V R 5/00 (BFH/NV 2001, 1307) und vom 16. August 2001 V R 67/00 (BFH/NV 2002, 223) ab. Der Kläger rügt ferner mangelnde Sachaufklärung und Verfahrensfehler.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

1. Der Kläger hat keine grundsätzliche Bedeutung der Sache, insbesondere nicht deren Entscheidungserheblichkeit und Bedeutung für die Allgemeinheit dargelegt. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BFH-Beschlüsse vom 10. Dezember 1997 II B 12/97, BFHE 184, 118, BStBl II 1998, 56; vom 2. April 1997 V B 26/96, BFHE 182, 430, BStBl II 1997, 443; vom 7. August 2002 I B 151/01, BFH/NV 2003, 60; vom 14. Dezember 2001 VII B 44/01, BFH/NV 2002, 655, 656). Die Bedeutung der Sache darf sich dabei nicht in der Entscheidung des konkreten Einzelfalls erschöpfen, sondern muss eine Vielzahl gleichartiger Fälle betreffen (BFH-Beschluss vom 17. Mai 2002 V B 158/01, BFH/NV 2002, 1350). Das ist hier nicht der Fall, weil vorliegend die Frage streitig ist, ob die konkrete Sachverhaltsgestaltung die Annahme der Unternehmereigenschaft der Herren A, B, C, D, E und F rechtfertigt und von wem die Rechnungen, aus denen der streitige Vorsteuerabzug geltend gemacht wird, ausgestellt worden sind.

2. Der Kläger rügt zu Unrecht eine Abweichung der Entscheidung des FG von den Urteilen des BFH in BFH/NV 2001, 1307 und in BFH/NV 2002, 223. Eine die Rechtseinheit gefährdende Abweichung liegt nur vor, wenn das FG bei gleichem oder vergleichbarem festgestellten Sachverhalt in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2000 XI B 119/99, BFH/NV 2000, 1239; vom 19. Mai 1995 III B 60/92, BFH/NV 1996, 74; vom 15. Juni 2000 XI B 71/99, BFH/NV 2000, 1180). Eine Divergenz in der Würdigung von Tatsachen genügt nicht (BFH-Beschluss vom 4. August 1993 II B 175/92, BFH/NV 1994, 718). Das FG muss seiner Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt haben, der mit den tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung nicht übereinstimmt (BFH-Beschlüsse vom 27. April 1999 III B 43/98, BFH/NV 1999, 1477; vom 4. Mai 2000 I B 121/99, BFH/NV 2000, 1477; vom 8. Mai 2000 VIII B 78/99, BFH/NV 2000, 1201). Der Kläger hat nicht dargelegt, von welchem --einer Entscheidung des EuGH oder des BFH zugrunde liegenden-- Rechtssatz das FG in seiner Entscheidung abgewichen sein soll.

Insbesondere enthält das Urteil des EuGH vom 19. September 2000 Rs. C-454/98, Ampafrance (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 470) keinen Rechtssatz, wonach es der Neutralitätsgrundsatz gebietet, dem Empfänger einer Rechnung den Vorsteuerabzug --unabhängig vom Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs-- allein deshalb zu gewähren, weil die Umsatzsteuer in der Rechnung gesondert ausgewiesen ist. Der EuGH hat unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13. Dezember 1989 Rs. C-342/87, Genius Holding (Slg. 1989, 4227, UR 1991, 83) vielmehr ausdrücklich bestätigt, dass sich das in der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug nicht auf eine Steuer erstreckt, die ausschließlich deshalb geschuldet wird, weil sie in der Rechnung ausgewiesen ist. Die Entscheidung des EuGH, dass es der Grundsatz der Mehrwertsteuer gebietet, dass zu Unrecht in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer berichtigt werden kann, wenn der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt (EuGH-Urteil in UR 2000, 470, Rz. 57), betrifft nur die Berichtigungsmöglichkeit für den Rechnungsaussteller, nicht aber das Recht des Rechnungsempfängers auf Vorsteuerabzug.

3. Der Kläger rügt auch das Vorliegen eines Verfahrensmangels ohne Erfolg. Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO sind Verstöße des FG gegen Vorschriften des Verfahrensrechts. Soweit der Kläger geltend macht, das FG habe die Unerreichbarkeit des Zeugen C zum Anlass für weitere Nachforschungen nehmen müssen, rügt er die Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO). Dabei handelt es sich um einen verzichtbaren Verfahrensmangel (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung), bei dem das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren geht, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Den vom Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verfahrensmangel hätte er bereits vor dem FG rügen müssen (vgl. BFH-Beschluss vom 25. November 1992 II B 169/91, BFH/NV 1993, 258). Das ist ausweislich der Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem FG vom 13. Mai 2004 nicht geschehen.

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