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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: V R 1/02
Rechtsgebiete: UStG 1980/1991/1993, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG 1980/1991/1993 § 4 Nr. 14
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c
Eine steuerfreie Heilbehandlung setzt voraus, dass ihr Hauptziel der Schutz der Gesundheit ist. Für die Umsatzsteuerfreiheit von Supervisionsleistungen nach § 4 Nr. 14 UStG reicht es nicht aus, dass die auch bei Heilbehandlungen eingesetzten Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Diplom-Psychologe und als nicht ärztlicher Psychotherapeut selbständig tätig. Er besaß gemäß § 1 Abs. 1 des Heilpraktikergesetzes die Erlaubnis, die Heilkunde ohne Bestallung (nur Psychotherapie) berufsmäßig auszuüben. Anfang 1999 erhielt er die Approbation als psychologischer Psychotherapeut und ist zudem seit dem 16. August 1999 als psychologischer Psychotherapeut vom Zulassungsausschuss bei der kassenärztlichen Vereinigung (KV) A in B-Stadt zur Abrechnung seiner Heilbehandlungen mit den Krankenkassen über die KV zugelassen.

In den Streitjahren 1990 bis 1993 führte der Kläger --neben der heilkundlichen Tätigkeit aufgrund ärztlicher Zuweisung von Patienten-- psychologische Supervisionen für diverse Einrichtungen durch. Teilnehmer dieser Supervisionen waren Therapeuten dieser Einrichtungen. Die Leistungen wurden direkt mit den o.g. Verbänden abgerechnet, die diese Leistungen dann teilweise in ihre Tagessätze einkalkulieren.

An den Supervisionssitzungen nahmen in der Regel 5 bis 12 Personen teil, wobei es sich regelmäßig um Arbeitsteams (etwa alle Angehörigen einer Krankenhausstation) handelte, die die Supervisionen während ihrer Arbeitszeit besuchten und deren Teilnahme obligatorisch war. Nur etwa 10 v.H. der streitigen Supervisions-Umsätze wurden aus Einzelsupervisionen erzielt und entsprechend an die jeweiligen Teilnehmer privat abgerechnet, die diese Rechnungen dann bei ihrem Arbeitgeber einreichten. Bei den Gruppensupervisionen werden die aktuellen Probleme der Teilnehmer, die in Bezug zu ihrer Arbeit stehen, abgefragt.

In der Folge werden je nach Häufigkeit und Schwere der Problemstellungen Schwerpunkte gebildet und dann die Lösung der entsprechenden Problembereiche diskutiert. Es handelt sich nach den unwidersprochenen Einlassungen des Klägers um einen gruppendynamischen Prozess, bei dem es darum geht, zu erkennen, welche Arbeitssituationen aufgrund der spezifischen seelischen Struktur des Einzelnen Nöte auslöst.

Im Anschluss an eine Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, diese Umsätze aus der Durchführung von Supervisionen seien nicht gemäß § 4 Nr. 14 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980/1991/1993 (UStG) steuerbefreit, da sie nicht der unmittelbaren Ausübung der Heilkunde dienten. Das FA erließ deshalb unter Berücksichtigung anteiliger Vorsteuerbeträge am 30. Juli 1996 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1990 bis 1993 und setzte zugleich Nachzahlungszinsen fest. Hiergegen richtete sich die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage.

Das Finanzgericht (FG) holte im Rahmen der Beweiserhebung ein Sachverständigengutachten zur Frage ein, ob die Supervisionsmaßnahmen des Klägers als eine i.S. des § 4 Nr. 14 UStG ähnliche Tätigkeit eingestuft werden kann.

Die Klage hatte keinen Erfolg; das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 504 abgedruckt.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 14 UStG.

Er trägt im Wesentlichen vor, Psychotherapie sei Heilbehandlung, wie sich aus § 27 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ergebe, wonach Krankenbehandlung die ärztliche Behandlung einschließlich der Psychotherapie und die Leistungen der Krankenkassen auch Vorsorgemaßnahmen umfassten (§ 23 SGB V). Die sozialversicherungsrechtliche Bedeutung der Supervision ergebe sich aus § 12 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 des Psychotherapiegesetzes. Danach sei die Approbation von einer bestimmten Zahl von Behandlungsstunden unter Supervision abhängig. Die Supervision sei integraler Bestandteil der Tätigkeit. Heilbehandlung bedeute, dass der Therapeut zwei medizinische Behandlungsebenen zu beachten habe, die "Pathologie (als Lehre der Krankheit) im Kontakt mit dem Patienten und die Salutologie (Lehre der Gesundheit) im Kontakt mit dem Supervisor". Dass die Arbeitgeber die Behandlungen veranlassten, sei unerheblich, denn auch berufsgenossenschaftliche Regelungen sowie das Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit (ASiG) sehen Vorsorgeuntersuchungen vor (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 ASiG). Der therapeutische Beruf stelle für viele seiner Mitglieder ein Gesundheitsrisiko dar und viele Therapeuten litten unter psychischen Störungen (Hinweis auf "Psychologie heute" 2005, 64 ff.); diesem Bedarf entsprechend und in Übereinstimmung mit seiner Ausbildung führe er therapeutische Supervisionen durch.

Dass die Sozialversicherungsträger die Kosten nicht tatsächlich bezahlten, sei unerheblich, denn ausreichend sei, wenn sie ihrer Art nach bezahlt würden.

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuer für 1990 auf 607,60 DM, für 1991 auf 599,70 DM, für 1992 auf 583,50 DM und für 1993 auf 615,00 DM festzusetzen.

Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG nur Heilbehandlungen betrifft und deshalb die streitigen Supervisionsleistungen nicht steuerbefreit sind.

Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG sind "die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes und aus der Tätigkeit als klinischer Chemiker" steuerfrei.

a) § 4 Nr. 14 UStG ist richtlinienkonform unter Berücksichtigung des Befreiungszwecks auszulegen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. Juli 2004 V R 27/03, BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862).

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- ist es Zweck der Befreiung, die Kosten ärztlicher Heilbehandlung zu senken. Sie umfasst daher nur Tätigkeiten, die zum Zweck der Diagnose, der Behandlung und, soweit möglich, der Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen bei Menschen vorgenommen werden (Urteile vom 10. September 2002 Rs. C-141/00 --Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH--, Slg. 2002, I-6833, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2002, 513 Rdnr. 26 ff.; vom 6. November 2003 Rs. C-45/01 --Christoph-Dornier-Stiftung--, UR 2003, 585 Rdnr. 38; vom 20. November 2003 Rs. C-212/01 --Margarete Unterpertinger--, UR 2004, 70 Rdnr. 39 und Rs. C-307/01 --Peter d'Ambrumenil--, UR 2004, 75 Rdnr. 57). Nicht befreit sind Leistungen, die sich nicht als "heilberufliche Tätigkeiten" qualifizieren lassen, auch wenn sie eine bestimmte heil- oder heilhilfsberufliche Ausbildung voraussetzen. Maßgebend ist daher das Ziel einer ärztlichen oder arztähnlichen Leistung. Wird eine solche Leistung in einem Zusammenhang erbracht, der die Feststellung zulässt, dass ihr Hauptziel nicht der Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung der Gesundheit ist, findet die Befreiung keine Anwendung (EuGH-Urteile in UR 2004, 75 Rdnr. 60, und in UR 2004, 70 Rdnr. 42). Dass die betreffende Leistung von einer Person erbracht wird, die die für Heilbehandlungen erforderlichen beruflichen Voraussetzungen erfüllt, und dass sie sich derselben Methoden bedient, reicht für das Vorliegen einer Heilbehandlung ebenso wenig aus wie der Umstand, dass die mit einem anderen Hauptzweck vorgenommene Tätigkeit zugleich auch zum Schutz der Gesundheit des Betroffenen beitragen kann (EuGH-Urteile in UR 2004, 75 Rdnr. 61, und in UR 2004, 70 Rdnr. 43).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat das FG zu Recht entschieden, dass die Supervisionsleistungen des Klägers nicht nach § 4 Nr. 14 UStG befreit sind.

Das FG geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass Supervisionen zwar auch dazu führen können, dass frühzeitig pathologische Entwicklungen bei den teilnehmenden Psychotherapeuten und anderen Personen erkannt und dann behandelt werden können. Nach den Feststellungen des FG ist Zweck der streitigen Supervisionsleistungen des Klägers im eigentlichen Sinn aber eine ständige professionelle Begleitung im Sinne einer Steuerung, Korrektur und Überwachung der beruflichen Tätigkeit der bei den diversen Einrichtungen angestellten Therapeuten, bei der das eigene Erleben und Verhalten in der psychotherapeutischen Tätigkeit reflektiert wird, die im Interesse der jeweiligen Arbeitgeber und auf deren Kosten durchgeführt wurden, sei es, dass diese die Leistungen des Klägers selbst in Auftrag gegeben und bezahlt haben oder sei es, dass sie ihren psychotherapeutisch tätigen Arbeitnehmern die in ihrem Interesse durchgeführten Supervisionen erstattet haben. Danach dienten die streitigen Supervisionen in der Hauptsache der Professionalisierung und der Bewältigung spezifischer Probleme der therapeutischen Arbeit der Mitarbeiter der Organisationen, die die Kosten hierfür übernommen haben. Zu diesen Feststellungen, die auf tatsächlichem Gebiet liegen, gelangte das FG aufgrund eigener Sachaufklärung und Würdigung des Sachverhalts. Verfahrensmängel hat der Kläger insoweit nicht gerügt. Damit sind diese Feststellungen revisionsrechtlich bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das gilt auch dann, wenn sie nicht zwingend, sondern nur möglich wären (BFH-Urteil vom 17. Juli 1992 VI R 12/91, BFHE 168, 567, BStBl II 1992, 1036).

War hiernach die Begleitung und Optimierung der therapeutischen Arbeit der Teilnehmer bei den Supervisionen ein wesentliches Ziel der Leistungen des Klägers, schließt dies die Beurteilung als Heilbehandlung aus. Ohne Bedeutung ist insoweit, dass bei den Supervisionsleistungen die auch für Heilbehandlungen eingesetzten Methoden angewandt werden und diese auch der gesundheitlichen Prophylaxe dienen können.

Ende der Entscheidung

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