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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: V R 12/07
Rechtsgebiete: UStG 1999
Vorschriften:
UStG 1999 § 3 Abs. 1b Nr. 2 | |
UStG 1999 § 10 Abs. 5 |
Gründe:
I.
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt ein Unternehmen für Maschinen- und Metallbau. In den Streitjahren 2001 bis 2003 überließ sie mit einem Schriftzug versehene Berufskleidung an ihre Arbeitnehmer und ordnete an, diese während der Arbeitszeit zu tragen, um ein gleichmäßiges Erscheinungsbild bei den Kunden zu erreichen. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) war die private Nutzung der Arbeitskleidung ausgeschlossen.
Um die Arbeitnehmer zum sorgsamen Umgang mit der Arbeitskleidung anzuhalten und wegen der ersparten Bekleidungsaufwendungen wurden sie monatlich mit 40 € an den Gesamtkosten für das Leasing und die Reinigung der Arbeitskleidung beteiligt. Die tatsächlichen Kosten waren wesentlich höher.
Im Anschluss an eine Lohnsteueraußenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) unter Berufung auf § 10 Abs. 5 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) die Auffassung, dass die Überlassung der Arbeitskleidung mit den tatsächlichen Gesamtkosten zu besteuern sei.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Klage und führte zur Begründung aus, § 10 Abs. 5 UStG sei nur in Fällen einer Steuerumgehung anwendbar. Diese liege jedoch nicht vor, da auch bei unentgeltlicher Überlassung von Arbeitskleidung kein steuerbarer Vorgang zu sehen sei.
Das FG gab der Klage, mit der die Klägerin die Herabsetzung der Bemessungsgrundlage für die Besteuerung der Arbeitskleidung auf die Höhe der tatsächlich von den Arbeitnehmern geleisteten Zahlungen begehrte, statt und führte zur Begründung aus: Die teilentgeltliche Überlassung der Arbeitskleidung sei nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar und daher mit den tatsächlich erhaltenen Zahlungen zu besteuern. Eine Erhöhung um die Differenz zu den Selbstkosten nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG i.V.m. § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG komme nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht in Betracht, weil keine Steuerumgehung vorliege. Wegen der betrieblichen Zwecksetzung der Überlassung der Arbeitskleidung sei auch eine unentgeltliche Überlassung nicht steuerbar. Dies entspreche der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) im Urteil vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95, Fillibeck (Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1998, 61).
Mit der Revision bringt das FA vor, das FG habe unzutreffend aufgrund einer teleologischen Reduktion die Anwendung von § 10 Abs. 5 UStG versagt. Bei der von den Arbeitnehmern gezahlten Kostenbeteiligung handele es sich nicht um das marktübliche Entgelt im Sinne des EuGH-Urteils vom 29. Mai 1997 Rs. C-63/96, Skripalle (Slg. 1997, I-2847, BStBl II 1997, 841). Die Arbeitnehmer hätten das gezahlte Entgelt nicht ausgehandelt, weil ihnen der Betrag vorgegeben worden sei. Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Arbeitskleidung unentgeltlich bereitzustellen, weil es sich nicht um Schutzkleidung gehandelt habe. Das tatsächlich gezahlte Entgelt sei auch nicht aus lohnsteuerrechtlichen Überlegungen als marktüblich anzusehen. Ertragsteuerrechtlich werde die verbilligte Überlassung typischer Berufskleidung als vermögenswerter Vorteil angesehen, der nach § 3 Nr. 31 des Einkommensteuergesetzes steuerfrei gestellt werde. § 10 Abs. 5 UStG sei auch nicht wegen Fehlens der Gefahr einer Steuerumgehung unanwendbar, weil es sich um eine gesetzgeberische Typisierung handele. Wenn dies zu einem Wertungswiderspruch im Hinblick auf die fehlende Steuerbarkeit der unentgeltlichen Überlassung von Arbeitskleidung führe, sei das hinzunehmen.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht die Anwendbarkeit der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG verneint.
1. Gemäß § 10 Abs. 5 UStG unterliegen "Leistungen, die ein Unternehmer an sein Personal aufgrund des Dienstverhältnisses ausführt", der Mindestbemessungsgrundlage, wenn das vom Arbeitnehmer tatsächlich entrichtete Entgelt hinter den Ausgaben des Arbeitgebers (§ 10 Abs. 4 UStG) zurückbleibt. Die Anwendung dieser Regelung entspricht im Streitfall nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift.
§ 10 Abs. 5 UStG bezweckt als abweichende Sondermaßnahme i.S. des Art. 27 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen durch ungerechtfertigte Minderung der Bemessungsgrundlage zu vermeiden. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 15. November 2007 V R 15/06 (BFH/NV 2008, 1070, Sammelbeförderung) im Anschluss an das EuGH-Urteil Skripalle in Slg. 1997, I-2847 Randnr. 22, BStBl II 1997, 841 entschieden hat, sind derartige abweichende nationale Maßnahmen eng auszulegen und nur insoweit anzuerkennen, als dies für die Erreichung dieses Zieles unbedingt erforderlich ist. Daher ist die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG nur auf solche Leistungen anzuwenden, die auch bei unentgeltlicher Leistung nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2, Abs. 9a UStG steuerbar sind. Danach sind unentgeltliche Lieferungen oder sonstige Leistungen des Unternehmers an sein Personal nur dann steuerbar, wenn diese "dem privaten Bedarf" des Arbeitnehmers dienen und "keine Aufmerksamkeiten" vorliegen (§ 3 Abs. 1b Nr. 2 UStG). Liegt keine Leistung für den privaten Bedarf des Personals vor, weil sie nicht zur Befriedigung persönlicher Bedürfnisse des Arbeitnehmers erfolgt, sondern durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist, handelt es sich nicht um eine Leistung "aufgrund des Dienstverhältnisses" i.S. des § 10 Abs. 5 UStG. Ansonsten käme es zu einem Wertungswiderspruch, wenn eine unentgeltliche, ausschließlich aus betrieblichen Gründen erfolgte Leistung des Arbeitgebers an seinen Arbeitnehmer mangels Eigenverbrauchs nicht steuerbar wäre, jedoch bei teilentgeltlicher Überlassung aufgrund des § 10 Abs. 5 UStG die Bemessungsgrundlage mit den gesamten Kosten angesetzt werden müsste. Dementsprechend hat auch der XI. Senat des Bundesfinanzhofs durch Urteil vom 27. Februar 2008 XI R 50/07 (BFH/NV 2008, 1086) entschieden, dass die verbilligte Überlassung von Arbeitskitteln und -jacken nicht der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG unterliegt, wenn sie durch betriebliche Erfordernisse bedingt ist.
2. Danach hat das FG zu Recht die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG abgelehnt, weil nach den revisionsrechtlich bindenden Feststellungen des FG im Streitfall die persönlichen Bedürfnisse der Arbeitnehmer am Tragen von Bekleidung durch die betrieblichen Belange des Arbeitgebers verdrängt wurden. Dieser hatte das Tragen der mit einem Firmenschriftzug versehenen Arbeitskleidung angeordnet, um ein einheitliches Erscheinungsbild für die Kunden zu gewährleisten. Zudem war eine private Nutzung der Arbeitskleidung ausgeschlossen. Ob es sich um Schutzkleidung i.S. des § 618 des Bürgerlichen Gesetzbuches handelt (vgl. Abschn. 12 Abs. 4 Nr. 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2008), ist unerheblich.
Ende der Entscheidung
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