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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.07.2006
Aktenzeichen: V R 13/04
Rechtsgebiete: UStG 1993


Vorschriften:

UStG 1993 § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
1. Eine Entgeltsforderung ist uneinbringlich i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich oder tatsächlich nicht durchsetzen kann.

2. Eine Berichtigung kommt in Betracht, wenn der Leistungsempfänger zwar nicht die Entgeltsforderung selbst bestreitet, sondern mit einer vom Gläubiger (dem leistenden Unternehmer) substantiiert bestrittenen Gegenforderung aufrechnet, und wenn bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (Fortführung des BFH-Urteils vom 22. April 2004 V R 72/03, BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684).


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt ihr Unternehmen auf einem ihr --vom Vermieter unter Verzicht auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) steuerpflichtig-- vermieteten Grundstück. Die Klägerin ließ an dem Gebäude umfangreiche Instandhaltungsarbeiten durchführen, die sie auch bezahlte. Da diese Instandhaltungsmaßnahmen ihrer Auffassung nach dem Vermieter oblagen und deshalb ihre Aufwendungen dafür von ihm zu erstatten waren, kürzte sie in der Zeit zwischen Januar 1993 bis Dezember 1995 ihre Mietzahlungen und erklärte insoweit die Aufrechnung mit dem von ihr behaupteten Erstattungsanspruch. Erst nachdem schließlich der Vermieter mit seiner Klage gegen die Aufrechnung Erfolg hatte, bezahlte die Klägerin die ausstehende Miete. Die Mietforderung selbst hatte die Klägerin nicht bestritten.

Die Klägerin machte die ihr für die Vermietung berechnete Umsatzsteuer in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 1993 bis 1995 ohne Rücksicht auf die Kürzung der Mietzahlungen geltend.

Aufgrund entsprechender Feststellungen anlässlich einer im Jahr 1996 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, in Höhe des Einbehalts sei nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 UStG der Vorsteuerabzug zu berichtigen, weil das vereinbarte Entgelt --das auch beim Abschluss der Prüfung noch nicht vollständig entrichtet worden war-- insoweit "uneinbringlich" geworden sei. Das FA erhöhte deshalb in den geänderten Bescheiden für die Streitjahre vom 11. März 1998 die Umsatzsteuer für 1993 um 19 305,28 DM, für 1994 um 55 186,87 DM und für 1995 um 20 903,82 DM.

Die Sprungklage der Klägerin, mit der sie geltend machte, sie habe die Mietforderungen durch Aufrechnung mit Schadenersatzforderungen erfüllt, hatte keinen Erfolg. Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2004, 939 abgedruckt.

Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, uneinbringlich i.S. des § 17 UStG sei das Entgelt, wenn der Leistungsempfänger das Bestehen und/oder die Höhe des Entgelts substantiiert bestreite und nicht zahle. Ein solches substantiiertes Bestreiten der Forderung liege auch dann vor, wenn mit bestrittenen Gegenforderungen --wie hier im Endeffekt erfolglosen, angeblichen Schadenersatzforderungen-- aufgrund desselben Rechtsverhältnisses aufgerechnet werde.

Mit der --vom Senat zugelassenen-- Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Sie trägt im Wesentlichen vor, sie habe die Mietzahlung nie bestritten. Die Mietforderung sei deshalb nicht "uneinbringlich" gewesen. Erst das rechtliche Unvermögen des Gläubigers, seine Forderung durchzusetzen, löse die Berichtigung aus.

Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer in den Änderungsbescheiden vom 11. März 1998 für 1993 um 19 305,28 DM, für 1994 um 55 186,87 DM und für 1995 um 20 903,82 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, dass eine Forderung i.S. des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich ist, wenn der Schuldner (der Leistungsempfänger) mit einer Forderung aufrechnet, deren Bestehen der Gläubiger (der leistende Unternehmer) substantiiert bestreitet.

1. Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 UStG haben der leistende Unternehmer den für seine Leistung geschuldeten Umsatzsteuerbetrag und der Leistungsempfänger den entsprechenden Vorsteuerabzug zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind der Umsatzsteuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).

a) "Uneinbringlich" ist eine Forderung nicht schon, wenn der Leistungsempfänger die Zahlung nach Fälligkeit verzögert, sondern erst, wenn der Anspruch auf Entrichtung des Entgelts nicht erfüllt wird und bei objektiver Betrachtung damit zu rechnen ist, dass der Leistende die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) jedenfalls auf absehbare Zeit nicht durchsetzen kann (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. April 2004 V R 72/03, BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684; vom 13. Januar 2005 V R 21/04, BFH/NV 2005, 928). Uneinbringlichkeit in diesem Sinn hat der erkennende Senat deshalb bejaht, wenn und ggf. soweit der Leistungsempfänger das Bestehen dieser Forderung ganz oder teilweise substantiiert bestreitet und damit erklärt, dass er die Entgeltsforderung (ganz oder teilweise) nicht bezahlen werde. Damit entfällt seine Berechtigung für den Abzug der Vorsteuer und dementsprechend ist die Umsatzsteuerschuld des Leistenden nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG zu korrigieren (BFH-Urteile in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684; vom 31. Mai 2001 V R 71/99, BFHE 196, 330, BStBl II 2003, 206, m.w.N.).

b) Nicht uneinbringlich (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG) ist eine Forderung, wenn deren Schuldner, der Leistungsempfänger, mit einer ihm gegenüber dem Leistenden, dem Gläubiger, zustehenden unbestrittenen Forderung aufrechnet, denn die Aufrechnung (§ 387 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--) bewirkt, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind (§ 389 BGB), d.h. beide Forderungen erlöschen durch entsprechende Tilgung. Uneinbringlich ist die Entgeltsforderung jedoch, wenn der Schuldner mit einer Forderung aufrechnet, die der Gläubiger (der leistende Unternehmer) substantiiert bestreitet; denn auch in diesem Fall muss der Gläubiger, der Leistende, damit rechnen, dass der Schuldner auf absehbare Zeit das vereinbarte Entgelt unter Hinweis auf die Aufrechnung mit der angeblichen Gegenforderung nicht bezahlen wird. Dass der Schuldner, der Leistungsempfänger --wie hier die Klägerin--, die Entgeltsforderung selbst nicht in Frage stellt und diese nach Obsiegen des Gläubigers im Streit um die Gegenforderung tatsächlich schließlich bezahlt, ist entgegen der Auffassung der Klägerin ohne Bedeutung; dies ergibt sich ohne weiteres aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG, wonach bei nachträglicher Vereinnahmung des Entgelts der Umsatzsteuerbetrag und der Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen sind. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Gläubiger der Forderung auf Zahlung des Entgelts (hier: der Vermieter der Klägerin) mit dem Bestehen einer aufrechenbaren Gegenforderung des Schuldners rechnen und deshalb davon ausgehen muss, dass beide Forderungen durch Aufrechnung erfüllt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 15. April 2004 V B 162/03, BFH/NV 2004, 1122). Ob dies der Fall ist, ist im Wesentlichen eine Tatfrage. Das FA kann durch Hinzuziehung oder Beantragung der Beiladung sicherstellen, dass die Uneinbringlichkeit beim Leistenden und beim Leistungsempfänger gleich beurteilt wird (BFH in BFHE 205, 525, BStBl II 2004, 684).

2. Im Streitfall ist das FG angesichts dessen, dass der Vermieter die Gegenforderung und deshalb eine wirksame Aufrechnung bestritten hatte und seine Entgeltsforderung einklagen musste, und weil schließlich die Klägerin ihren angeblichen Schadenersatzanspruch gegen den Vermieter gerichtlich nicht hatte durchsetzen können, davon ausgegangen, dass der Gläubiger (der Vermieter) mit der Erfüllung seiner Entgeltsforderung durch wirksame Aufrechnung nicht rechnen musste. Diese auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Ende der Entscheidung

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