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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 25.06.2009
Aktenzeichen: V R 25/07
Rechtsgebiete: UStG


Vorschriften:

UStG § 3 Abs. 1
UStG § 3 Abs. 4
UStG § 3 Abs. 9 Satz 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 6
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 7
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8
UStG § 12 Abs. 2 Nr. 9
Übernimmt der Betreiber einer Baumschule auf Wunsch eines Teils seiner Kunden auch das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen, können die (dem ermäßigten Steuersatz unterliegende) Lieferung der Pflanzen und das (dem Regelsteuersatz unterliegende) Einpflanzen umsatzsteuerrechtlich jeweils selbständige Leistungen sein (entgegen BMF in BStBl I 2004, 638, 646 f. Rz 35 Nr. 1 Abs. 1 und Rz 41).
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Baumschule. Er übernahm in den Jahren 1998 bis 2000 (Streitjahre) auf Wunsch seiner Kunden auch das Einpflanzen der dort gekauften Pflanzen. Ca. 20% seines Umsatzes aus Pflanzenverkauf waren mit Einpflanzarbeiten verbunden, wobei der Pflanzenpreis regelmäßig höher war als der nach dem Zeitaufwand berechnete Arbeitslohn. In den Rechnungen wies der Kläger die Lieferungen der Pflanzen unter Ansatz des ermäßigten Umsatzsteuersatzes (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 --UStG-- i.V.m. Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum UStG) und die Pflanzarbeiten unter Ansatz des Regelsteuersatzes (§ 12 Abs. 1 UStG) gesondert aus.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) war dagegen im Anschluss an eine Außenprüfung der Auffassung, dass es sich hier um einheitliche Leistungen in Form von Werklieferungen handele und die Aufteilung in begünstigte Pflanzenlieferungen einerseits und nichtbegünstigte Pflanzarbeiten andererseits dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung widerspreche. Das FA wendete dementsprechend in den Umsatzsteuer-Änderungsbescheiden für die Jahre 1998 bis 2000 vom 23. August 2002 auch auf die Umsätze, bei denen der Kläger die gekauften Pflanzen auf Wunsch seiner Kunden eingepflanzt hatte, den allgemeinen Steuersatz an.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung u.a. aus, bei Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls seien aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers die Pflanzenlieferung einerseits und die sonstige Leistung des Einpflanzens andererseits als zwei selbständige Leistungen zu beurteilen und wie vom Kläger vorgenommen zu besteuern.

Das Urteil ist in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2006, 1708 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und macht dazu geltend:

Das FG verkenne den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung mit der Folge, dass im konkreten Streitfall zu Unrecht eine einheitliche Werklieferung, die nicht dem ermäßigten Steuersatz des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum UStG unterliege, in eine dem ermäßigten Steuersatz zugrunde liegende Lieferung und eine dem Regelsteuersatz zugrunde liegende sonstige Leistung aufgeteilt worden sei.

Das Interesse eines Durchschnittsverbrauchers, der Pflanzen in einer Baumschule erwerbe und der Baumschule den Auftrag gebe, diese fachgerecht anzupflanzen, sei anders zu beurteilen als das Interesse eines Durchschnittsverbrauchers, der in einem Bau- oder Gartenmarkt lediglich Pflanzen erwerbe. Nur im letzten Fall sei das Interesse des Durchschnittsverbrauchers auf die bloße Verschaffung der Verfügungsmacht an einem Gegenstand gerichtet. Im ersten Fall beschränke sich die Erwartung des Durchschnittsverbrauchers jedoch nicht auf die bloße Verschaffung der Verfügungsmacht an der Pflanze. Der Durchschnittsverbraucher wolle von der Baumschule auch keine zusätzliche Dienstleistung in Form des Anpflanzens einkaufen. Sein Interesse sei auf das erfolgreiche Anwachsen der ausgesuchten Pflanzen gerichtet; aus seiner Sicht sei die eingekaufte Leistung damit nicht aufteilbar. Der Pflanzenkauf hätte für ihn keinerlei Wert, wenn die Pflanze nicht erfolgreich anwachsen würde.

Aus diesem Grunde unterscheide sich der vorliegende Sachverhalt auch von dem "Einsaaturteil" des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 9. Oktober 2002 V R 5/02 (BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470). Denn in dem hier vorliegenden Fall seien lebende Pflanzen Gegenstand des Umsatzsteuergeschäftes, die bei unsachgemäßer Handhabung oder falscher Anpflanzung viel schneller absterben würden als reines Saatgut. Zum anderen unterschieden sich die Durchschnittsverbraucher. Ein Landwirt, der Saatgut erwerbe, werde regelmäßig selbst in der Lage sein, dieses fachgerecht anzusäen. Einem Besitzer eines Einfamilienhauses, der einen Baum im Wurzelballen erwerbe, fehle regelmäßig das entsprechende Fachwissen. Deshalb sei Letzterem eben aus seiner Sicht an einer einheitlichen "Rundumversorgung" durch die Baumschule gelegen.

Für diese Sichtweise sprächen auch die Ausführungen in Rz 41 des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 5. August 2004 IV B 7-S 7220-46/04 (BStBl I 2004, 638, 646 f.).

Das FA beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen des FA entgegen.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet; sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1.

Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7% für Lieferungen der in der Anlage zum UStG bezeichneten Gegenstände. In Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum UStG sind u.a. Pflanzen aufgeführt, um die es im Streitfall geht.

2.

Die Lieferung der Pflanzen und das Einpflanzen als sonstige Leistung stellen entgegen der Auffassung des FA keine einheitliche Leistung dar. Es handelt sich vielmehr um zwei selbständige Leistungen, die getrennt zu beurteilen sind, wie das FG zu Recht entschieden hat.

a)

Gemäß § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers Leistungen, durch die er einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). Sonstige Leistungen sind gemäß § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die keine Lieferungen sind.

Dies entspricht Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 der in den Streitjahren geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach gilt als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen (Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Als Dienstleistung gilt jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands ist (Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG).

b)

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), der sich der BFH angeschlossen hat, gelten für die im Streitfall entscheidende Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712, unter II.2.b, m.w.N.):

Jeder Umsatz ist in der Regel als eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt, wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.

Eine einheitliche Leistung liegt danach insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen.

Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.

c)

Das FG ist von der Rechtsprechung des EuGH und des BFH zu der Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als eine Gesamtleistung zu behandeln sind, ausgegangen. Seine Entscheidung, eine einheitliche Leistung im Streitfall zu verneinen, ist zutreffend.

aa)

Das FG hat ausgeführt, das Einpflanzen, das für sich allein als sonstige Leistung zu werten sei, verliere durch die vorhergehende Pflanzenlieferung nicht seine Selbständigkeit. Das Interesse des Verbrauchers, der Pflanzen in einer Baumschule oder in einem Gartencenter erwerbe, richte sich in erster Linie auf die Erlangung der Verfügungsmacht über die Pflanzen. Dies werde belegt durch das Verhältnis der Umsätze des Klägers aus reinen Pflanzenlieferungen (80%) und der Umsätze aus Pflanzenlieferung verbunden mit Pflanzarbeiten (20%). Das Angebot des Einpflanzens stelle sich als naheliegendes Zusatzangebot dar. Nehme der Verbraucher dieses Zusatzangebot wahr, verliere er deswegen nicht sein primäres Interesse an der Pflanzenlieferung. Es trete vielmehr ein weiteres Interesse in Gestalt einer sachgemäßen Einpflanzung hinzu. Aus Sicht des Verbrauchers bestehe die Leistung des Klägers nicht in der Lieferung eines eingepflanzten Baumes oder Busches, sondern in der Erbringung zweier selbständiger Leistungen. Denn es gehe weder die sonstige Leistung des Einpflanzens in der Pflanzenlieferung noch die Pflanzenlieferung in dieser sonstigen Leistung auf. Es werde auch nicht etwas selbständiges "Drittes" im Sinne beispielsweise einer gärtnerischen Anlage unter Verwendung von Pflanzen geschaffen. Dass die streitgegenständlichen Pflanzarbeiten mit der Errichtung einer Gartenanlage entsprechend einem Gesamtkonzept durch den Kläger zusammenhingen, sei weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Das Einpflanzen stelle weder üblicherweise eine Ergänzung der Hauptleistung dar noch werde es üblicherweise stets mit der Hauptleistung angeboten und ausgeführt, so dass es auch nicht als bloße Nebenleistung zur Pflanzenlieferung mit der Folge der ermäßigten Besteuerung der gesamten Leistung angesehen werden könne. Der Käufer der Pflanzen entscheide vielmehr im Einzelfall, ob er die in der Baumschule gekauften Pflanzen selbst einpflanze und ob er den Kläger oder einen fremden Dritten mit der Bepflanzung beauftrage.

bb)

Aus diesen zutreffenden Ausführungen des FG folgt zum einen, dass die Lieferung der Pflanzen und das nachfolgende Einpflanzen nicht so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. dazu z.B. EuGH-Urteile vom 27. Oktober 2005 Rs. C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 Rdnrn. 22 bis 25; vom 29. März 2007 Rs. C-111/05, Aktiebolaget NN, Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 Rdnrn. 23 bis 26).

(1)

Dem EuGH-Urteil Levob in Slg. 2005, I-9433, BFH/NV Beilage 2006, 38 lag ein Fall zugrunde, in dem ein Unternehmer einem Verbraucher eine zuvor entwickelte und in den Verkehr gebrachte, auf einem Datenträger gespeicherte Standard-Software überlassen und anschließend an die besonderen Bedürfnisse dieses Erwerbers angepasst hatte (vgl. Leitsatz 2 des Urteils).

Der EuGH führte dazu aus, der wirtschaftliche Zweck dieses Umsatzes liege darin, dass ein Steuerpflichtiger einem Verbraucher eine spezielle an dessen Bedürfnisse angepasste einsatzfähige Software überlasse. Insoweit wäre es wirklichkeitsfremd, anzunehmen, dass ein solcher Verbraucher bei ein und denselben Lieferanten zunächst eine bestehende Software erworben habe, die in diesem Zustand jedoch für seine wirtschaftliche Tätigkeit nutzlos sei, und erst später die Anpassungen, die diese Software erst nützlich werden ließen (Rdnr. 24).

Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar, denn die (bloße) Lieferung der Pflanzen --ohne das nachfolgende Einpflanzen durch den Kläger-- war für die Kunden nicht nutzlos; sie konnten das Einpflanzen --wie das in ca. 80% der Fälle geschah-- entweder selbst vornehmen oder damit einen Dritten beauftragen.

(2)

Im EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 ging es um die Veräußerung eines verlegten und funktionstüchtigen unterseeischen Glasfaserkabels zwischen Schweden und einem anderen Mitgliedstaat der EU, die nach Abschluss der Installation und der probeweisen Inbetriebnahme stattfinden sollte (Rdnrn. 12 bis 14, 24). Die Verlegung des Kabels erforderte die Anwendung komplexer technischer Verfahren, machte den Einsatz von Spezialausrüstung notwendig, verlangte spezifische Sachkunde und war bei einer Leistung solchen Ausmaßes mit der Lieferung des Gegenstands nicht nur untrennbar verbunden, sondern auch für den weiteren Einsatz und die weitere Nutzung des Gegenstands unerlässlich (Rdnr. 29).

Hierzu führte der EuGH aus, alle Einzelleistungen seien zum einen zur Verwirklichung des Umsatzes erforderlich und zum anderen eng miteinander verbunden; unter diesen Voraussetzungen wäre es wirklichkeitsfremd, anzunehmen, dass der Kunde zunächst das Glasfaserkabel erwerbe und dann bei denselben Lieferanten die mit der Verlegung dieses Kabels zusammenhängenden Dienstleistungen (Rdnr. 24) bestelle.

Damit ist der vorliegende Streitfall nicht vergleichbar, weil hier die Einzelleistungen "Lieferung der Pflanzen" und "Einpflanzen" nicht zur Verwirklichung des geschuldeten Umsatzes erforderlich und eng miteinander verbunden waren; sie waren vielmehr trennbar.

cc)

Zum anderen lag im Streitfall kein Verhältnis von Haupt- und Nebenleistung vor (vgl dazu z.B. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1712, unter II.3.).

Denn das Einpflanzen der gelieferten Pflanzen erfüllte einen eigenen Zweck und stellte nicht nur das Mittel dar, um die Lieferung der Pflanzen unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Die Pflanzenlieferung war bereits vom Preis her so gewichtig, dass sie nicht in einer einheitlichen Dienstleistung aufgeht. Umgekehrt hat auch das Einpflanzen für den Kunden eine derartige Bedeutung, dass es keine bloße Nebenleistung zur Pflanzenlieferung ist. Im Übrigen mussten die gelieferten Pflanzen nicht zwingend vom Kläger, dem Lieferer, eingepflanzt werden.

dd)

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Senatsurteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470.

Nach diesem Urteil darf ein Unternehmer, der einem Landwirt Saatgut liefert und es einsät, die (dem ermäßigten Steuersatz unterliegende) Lieferung des Getreides und die (dem Regelsteuersatz unterliegende) Einsaat jedenfalls dann getrennt abrechnen, wenn die Saatgutlieferung bereits vom Preis her so gewichtig ist, dass sie nicht in einer einheitlichen Dienstleistung aufgeht und umgekehrt auch die Einsaat für den Landwirt eine derartige Bedeutung hat, dass sie keine bloße Nebenleistung zur Saatgutlieferung ist (vgl. unter II.3.d der Gründe). Dieser Rechtsprechung hat sich die Finanzverwaltung angeschlossen (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 638, 646, 654 Rz 35, Nr. 1 Abs. 4 Rz 62; Abschn. 29 Abs. 4 Satz 4 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- 2005/2008).

Die Grundsätze dieses Urteils sind auch im vorliegenden Streitfall anwendbar, in dem nach den Feststellungen des FG der Pflanzenpreis regelmäßig höher war als der nach dem Zeitaufwand berechnete Arbeitslohn.

Dem Verhältnis zwischen dem Preis des Gegenstands und dem der Dienstleistungen darf zwar allein keine ausschlaggebende Bedeutung für die Frage zukommen, ob zwei getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung; es ist aber eine objektive Gegebenheit, die einen Anhaltspunkt für die Beurteilung geben kann.

Davon ist der EuGH im Rahmen der Beurteilung der Frage ausgegangen, ob eine einheitliche Leistung als Lieferung eines Gegenstands oder als Dienstleistung einzustufen ist (vgl. EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 Rdnr. 37). Diese Erwägung des EuGH gilt aber auch für die hier zu beurteilende Frage --die vorrangig zu klären ist (vgl. EuGH-Urteil Aktiebolaget NN in Slg. 2007, I-2697, BFH/NV Beilage 2007, 293 Rdnr. 21)--, ob zwei getrennte Leistungen vorliegen oder eine einheitliche Leistung.

Soweit das FA ausführt, der im Streitfall vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470 zugrunde liege, weil vorliegend lebende Pflanzen Gegenstand des Umsatzes seien, die bei unsachgemäßer Handhabung oder falscher Anpflanzung viel schneller absterben würden als reines Saatgut, vermag der Senat dem keinen entscheidungserheblichen Unterschied beizumessen. Auch der ferner vom FA herausgestellte Unterschied im Sachverhalt, dass ein Landwirt, der Saatgut erwerbe, regelmäßig selbst in der Lage sein werde, dieses fachgerecht anzusäen, spricht nicht gegen die Heranziehung der Grundsätze im BFH-Urteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470. Denn in dem dort entschiedenen Fall ging es --wie sich aus dem Tatbestand dieses Urteils ergibt-- um die Einsaat zuvor gelieferten Saatguts mittels einer Maisdrillmaschine, einem Spezialgerät, das wegen seines Anschaffungspreises (ca. 25 000 DM) nur von wenigen Landwirten vorgehalten wurde.

ee)

Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass der vorliegende Streitfall nicht mit Grabpflegeleistungen zu vergleichen ist.

Grabpflegeleistungen sind regelmäßig als einheitliche sonstige Leistungen zu beurteilen, bei denen der Lieferung von Pflanzen kein selbständiger rechtlicher Gehalt zukommt (vgl. BFH-Urteil vom 21. Juni 2001 V R 80/99, BFHE 195, 440, BStBl II 2003, 810, unter II.1.a bb; BFH-Beschluss vom 26. August 2004 V B 196/03, V S 6/04, BFH/NV 2004, 1677; BFH-Urteil vom 31. Mai 2007 V R 5/05, BFHE 217, 290, BFH/NV 2007, 2202, unter II.2.b).

Dafür ist aus der maßgebenden Sicht des Durchschnittsverbrauchers von Bedeutung, dass durch die Vereinbarung einer "Grabpflege" der Auftragnehmer in der Regel das jeweilige Grab durch Dienstleistungen in einen würdigen und der Jahreszeit gemäßen Zustand versetzen und zur Unterstützung des Dienstleistungserfolgs auch Pflanzen verwenden soll (vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 440, BStBl II 2003, 810, unter II.1.a bb).

Darum geht es im Streitfall nicht (vgl auch BFH-Urteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470, unter II.3.d).

ff)

Der Senat folgt dem FG auch insoweit, als es ausgeführt hat, die Pflanzenlieferung einerseits und das Einpflanzen als sonstige Leistung andererseits ließen sich regelmäßig ohne Schwierigkeiten in eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung (§ 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nrn. 6 bis 9 der Anlage zum UStG) und in eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung (§ 12 Abs. 1 UStG) trennen (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470, unter II.3.d).

gg)

Der Senat hält schließlich auch die Erwägung des FG für zutreffend, dass es für den Durchschnittsverbraucher nicht verständlich sei, wenn der für die Pflanzenlieferung anzuwendende Steuersatz davon abhinge, wer die Pflanzen später einpflanze.

3.

Die Einwendungen des FA rechtfertigen kein anderes Ergebnis.

a)

Soweit sich das FA auf den "Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung" beruft, ist zweifelhaft, ob ein solcher Grundsatz mit der --unter II.2.b dargelegten-- neueren Rechtsprechung des EuGH und BFH vereinbar wäre. Denn danach ist --jedenfalls im Ausgangspunkt-- jeder Umsatz in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 200, 135, BStBl II 2004, 470, unter II.3.c; Abschn. 29 Abs. 2 Satz 1 UStR 2005/2008).

Überdies hat der BFH zum Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung ausgeführt, zusammengehörige Vorgänge könnten nicht allein deshalb als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen (wirtschaftlichen) Ziel dienten. Wenn mehrere, untereinander gleich zu wertende Faktoren zur Erreichung dieses Zieles beitrügen und aus diesem Grunde zusammen gehörten, sei die Annahme einer einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen würden, dass sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurückträten (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197, m.w.N.; ebenso Abschn. 29 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 3 UStR 2005/ 2008).

Diese Voraussetzungen liegen --wie dargelegt-- im Streitfall nicht vor.

b)

Das FA beruft sich auch ohne Erfolg auf § 3 Abs. 4 UStG.

aa)

Diese Vorschrift lautet: "Hat der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstands übernommen und verwendet er hierbei Stoffe, die er selbst beschafft, so ist die Leistung als Lieferung anzusehen (Werklieferung), wenn es sich bei den Stoffen nicht nur um Zutaten oder sonstige Nebensachen handelt. Das gilt auch dann, wenn die Gegenstände mit dem Grund und Boden fest verbunden werden."

bb)

§ 3 Abs. 4 UStG findet in der Richtlinie 77/388/EWG keine Parallele (vgl. dazu BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, unter II.2.b) und ist richtlinienkonform auszulegen (vgl. dazu z.B. BFH-Urteil in BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98).

Schon deshalb ist der Auffassung des FA und des BMF im Schreiben in BStBl I 2004, 638, 646 f. Rz 35, Nr. 1 Abs. 1 und Rz 41 nicht zu folgen, wonach eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Pflanzenlieferung nicht vorliege, wenn außer dem Verpacken und Befördern bzw. Versenden der Ware weitere Tätigkeiten, die ihrer Art nach sonstige Leistungen seien (z.B. das Einsetzen der Pflanze in das Erdreich und damit im Zusammenhang stehende Tätigkeiten) erbracht würden; in diesen Fällen bestehe diese gesamte Leistung in einer Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG), die dem allgemeinen Steuersatz unterliege.

Dies widerspricht den unter II.2.b dargelegten Abgrenzungsgrundsätzen des EuGH und des BFH.

c)

Soweit das FA ferner vorträgt, der Durchschnittsverbraucher wolle von der Baumschule keine zusätzliche Dienstleistung in Form des Anpflanzens einkaufen, sein Interesse sei auf das erforderliche Anwachsen der ausgesuchten Pflanzen gerichtet, aus seiner Sicht sei die eingekaufte Leistung damit nicht aufteilbar, greift es lediglich die nach den Umständen des Streitfalls vertretbare und rechtlich nicht zu beanstandende Würdigung des FG an.

Revisionsrechtlich beachtliche Verstöße gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze hat das FA damit nicht vorgebracht (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Januar 2008 V R 12/05, BFHE 221, 310, BStBl II 2009, 60, unter II.2.c bb).

Ende der Entscheidung

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