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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.09.2000
Aktenzeichen: V R 26/99
Rechtsgebiete: UStG 1991, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG 1991 § 4 Nr. 23
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i
BUNDESFINANZHOF

1. Die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung usw. ist nur dann gemäß § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei, wenn dem Unternehmer selbst die Erziehung, Ausbildung oder Fortbildung der aufgenommenen Jugendlichen obliegen. Er muss die Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke zwar nicht allein verfolgen; es reicht aber auch nicht aus, dass sie lediglich von einem Dritten verfolgt werden (Abgrenzung gegenüber Abschn. 117 Abs. 2 Satz 1 UStR).

2. Der Unternehmer, der Jugendliche für Erziehungszwecke bei sich aufnimmt, muss eine Einrichtung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbetreuung oder der Kinder- und Jugenderziehung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i der Richtlinie 77/388/EWG unterhalten.

UStG 1991 § 4 Nr. 23 Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h und i

Urteil vom 28. September 2000 - V R 26/99 -

Vorinstanz: FG München (EFG 1999, 926)


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb eine Gastwirtschaft und Fremdenpension, die hauptsächlich mit Schulklassen sowie Kinder- und Jugendgruppen belegt war. Die Schulklassen wurden von Lehrern, die übrigen Kinder- und Jugendgruppen von Pädagogen verschiedener Organisationen (z.B. Lebenshilfe Werkstatt für Behinderte GmbH, Stadtjugendamt E, Caritasverband) betreut. Der Aufenthalt dauerte regelmäßig vier bis fünf Tage. Neben diesen Gruppen nahm der Kläger auch Pensionsgäste auf.

In seiner Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1991 behandelte der Kläger die mit der Unterbringung der Jugendlichen zusammenhängenden Umsätze (brutto 117 106,20 DM) als steuerfrei.

Im Anschluss an eine Außenprüfung kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zum Ergebnis, die Umsätze aus der Beherbergung der Jugendlichen seien umsatzsteuerpflichtig, und änderte entsprechend die Umsatzsteuerveranlagung.

Einspruch und Klage gegen den Änderungsbescheid hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 23 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) sei nicht erfüllt, da diese Vorschrift voraussetze, dass der begünstigte Unternehmer die dort genannten Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecke selbst verfolge; dies treffe für den Kläger nicht zu.

Gegen das Urteil des FG, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 926 veröffentlicht ist, wendet sich der Kläger mit der Revision. Er meint, nach dem Wortlaut der Befreiungsvorschrift setze diese nicht voraus, dass die begünstigten Personen und Einrichtungen die Jugendlichen zur Erziehung, Ausbildung und Fortbildung, sondern nur für Erziehungs-, Ausbildungs- und Fortbildungszwecke bei sich aufnähmen. Dementsprechend stelle auch Abschn. 117 Abs. 1 Satz 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien --UStR-- (heute: Abschn. 117 Abs. 2 Satz 1 UStR 2000) klar, dass die Erziehungs-, Aus- und Fortbildungszwecke nicht von dem Unternehmer verfolgt werden müssten, der die Jugendlichen bei sich aufnehme.

Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Umsatzsteuerbescheid für 1991 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer auf 2 388,71 DM herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei.

Nach dieser Vorschrift ist steuerfrei die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke bei sich aufnehmen, soweit die Leistungen an die Jugendlichen oder an die bei ihrer Erziehung, Ausbildung, Fortbildung oder Pflege tätigen Personen ausgeführt werden. Jugendliche im Sinne dieser Vorschrift sind alle Personen vor Vollendung des 27. Lebensjahres.

a) Die Befreiungsvorschrift geht auf § 4 Nr. 13 UStG 1951 zurück und soll Einrichtungen im Bereich der Jugenderziehung und -ausbildung zugute kommen (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 24. Mai 1989 V R 127/84, BFHE 157, 464, BStBl II 1989, 912). Die hierdurch begünstigten Unternehmer sind dadurch gekennzeichnet, dass sie Jugendliche für die genannten Zwecke bei sich aufnehmen.

Der Unternehmer, der die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 23 UStG in Anspruch nimmt, muss die aus der Aufnahme zu den Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecken folgenden Betreuungs- und Pflegeleistungen selbst erbringen (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1990 V R 55/85, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1991, 54, BFH/NV 1992, 845). Nach dem noch zu § 4 Nr. 13 UStG 1951 ergangenen Senatsurteil vom 24. August 1961 V 22/59 (Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Nr. 13, Rechtsspruch 6, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1962, 22) --betreffend einen Gastwirt, der von einer Fachschule neben Internat und Erholungsheim eine Gaststätte gepachtet hatte und dort Speisen und Getränke an die Fachschüler abgab-- ist das Merkmal "überwiegend Personen für Erziehungszwecke bei sich aufnehmen" nur dann erfüllt, wenn der Unternehmer bewusst oder planmäßig auf die aufgenommenen Personen erzieherisch einwirken will und einwirkt (in diesem Sinne auch BFH-Urteil vom 7. Juli 1960 V 282/57 U, BFHE 71, 393, BStBl III 1960, 396). Er muss die Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke zwar nicht allein verfolgen; es reicht aber auch nicht aus, dass sie lediglich von einem Dritten verfolgt werden. Soweit sich aus Abschn. 117 Abs. 2 Satz 1 UStR 2000 etwas anderes ergeben sollte, folgt der Senat dem nicht.

Der Kläger hat die Jugendlichen nicht für die begünstigten Zwecke bei sich aufgenommen. Als begünstigter Zweck kommt im Streitfall allenfalls die Erziehung der Jugendlichen in Betracht. Selbst wenn die Aufenthalte der Jugendlichen beim Kläger ihrer Erziehung dienten, hat der Kläger die Jugendlichen nicht zu diesem Zweck bei sich aufgenommen. Träger eventueller Erziehungsmaßnahmen war nicht der Kläger, sondern allenfalls die eingangs genannten Organisationen, die die Jugendlichen betreuten. Dem Kläger oblag die Erziehung der von ihm aufgenommenen Jugendlichen nicht. Seine Leistungen bestanden in der Unterbringung und Verköstigung der Jugendlichen; selbst wenn er darüber hinausgehend wie ein Jugendherbergsvater sich um die Jugendlichen kümmerte, war dies doch nicht Gegenstand der Leistungen, für die er bezahlt wurde und um deren Besteuerung es hier geht.

b) Die Rechtsprechung des Senats zu § 4 Nr. 23 UStG steht im Einklang mit den Befreiungsvorschriften des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h oder i der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach diesen Bestimmungen befreien die Mitgliedstaaten die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannten Einrichtungen (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG) sowie die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betreut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung (Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG). Befreit sind demnach Einrichtungen des öffentlichen Rechts auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbetreuung sowie der Kinder- und Jugenderziehung und vergleichbare privatrechtliche Einrichtungen nach näherer Maßgabe des nationalen Rechts. Hierzu mögen auch mit staatlichen Mitteln geförderte Jugendheime gehören (vgl. BFH in BFHE 71, 393, BStBl III 1960, 396). Die vom Kläger betriebene Gastwirtschaft und Fremdenpension war jedoch keine derartige Einrichtung auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendbetreuung oder der Kinder- und Jugenderziehung.

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