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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.09.1998
Aktenzeichen: V R 28/98
Rechtsgebiete: UStG 1980


Vorschriften:

UStG 1980 n.F. § 19 Abs. 1 und 3
BUNDESFINANZHOF

1. Bei der Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz nach § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG 1980 n.F. ist das Kalenderjahr in den Zeitraum bis zum Beginn des Unternehmens und den Zeitraum danach aufzuteilen.

2. Zur gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit eines Unternehmers zählen auch Vorbereitungshandlungen, die nach oder mit der Begründung des Unternehmens vorgenommen werden, insbesondere also Leistungsbezüge, die den Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigen.

3. Hierzu können auch Leistungsbezüge im Zusammenhang mit einer Schulung gehören, die unmittelbar auf den Beruf eines selbständigen Rundfunkgebührenermittlers vorbereitet.

UStG 1980 n.F. § 19 Abs. 1 und 3

Urteil vom 17. September 1998 - V R 28/98 -

Vorinstanz: FG des Saarlandes (EFG 1998, 1227)


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) trat im Jahre 1989 eine Tätigkeit als selbständiger Rundfunkgebührenermittler beim Saarländischen Rundfunk an.

Zur Vorbereitung auf die künftige Tätigkeit nahm er im Juli 1989 an Schulungsmaßnahmen seines Auftraggebers teil. Am 8. August 1989 wurde er vom Saarländischen Rundfunk auf das Datengeheimnis verpflichtet. Danach wurde ihm ein eigenes Tätigkeitsfeld zugewiesen.

Der Kläger erhielt in den Monaten August bis Dezember 1989 vom Saarländischen Rundfunk Vergütungen in Höhe von 11 706 DM. Im Jahre 1990 erzielte er Umsätze in Höhe von 97 004 DM (zuzüglich darauf entfallender Steuer: 110 585,44 DM).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte es aufgrund dieses Sachverhalts ab, die Umsatzsteuer für 1990 gemäß § 19 des Umsatzsteuergesetzes --UStG 1980-- (i.d.F. von Art. 12 des Steuerreformgesetzes 1990 vom 25. Juli 1988, BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) nicht zu erheben und veranlagte den Kläger zur Umsatzsteuer. Das FA vertrat die Auffassung, bei der Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes des Jahres 1989 in einen Jahresgesamtumsatz werde der in § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 n.F. genannte Betrag von 25 000 DM überschritten, weil der Kläger seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit i.S. des § 19 Abs. 4 Satz 3 UStG 1980 erst ab August 1989 ausgeübt habe.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 1227 veröffentlicht worden ist, gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es war der Meinung, der Kläger habe seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit bereits seit Juli 1989 ausgeübt, da diese Tätigkeit auch Vorbereitungshandlungen umfasse, zu denen die Schulung im Juli 1989 gehöre.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts; es meint, das FG habe die Vorschrift des § 19 UStG 1980 falsch angewandt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 n.F. wird die für Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 geschuldete Umsatzsteuer nicht erhoben, wenn der in Satz 2 bezeichnete Umsatz zuzüglich der darauf entfallenden Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr 25 000 DM nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 100 000 DM voraussichtlich nicht übersteigen wird. Hat der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeübt, so ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresgesamtumsatz umzurechnen (§ 19 Abs. 3 Satz 3 UStG 1980 n.F.). Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, daß die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt (§ 19 Abs. 3 Satz 4 UStG 1980 n.F.).

Die vom FG getroffenen Feststellungen tragen nicht seine Ansicht, der Kläger habe seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit bereits ab Juli 1989 ausgeübt; insoweit hat das FG die Vorschrift des § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG 1980 n.F. unzutreffend ausgelegt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 ist gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen. Hierzu zählen auch sog. Vorbereitungshandlungen, die auf die Erzielung von Einnahmen gerichtet sind; dies gilt jedenfalls dann, wenn es zur Ausführung entsprechender entgeltlicher Leistungen kommt (vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteile vom 4. Mai 1994 XI R 106/92, BFH/NV 1995, 76; vom 12. Mai 1993 XI R 68/90, BFH/NV 1994, 131, und vom 6. Mai 1993 V R 45/88, BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564; Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteile vom 11. Juli 1991 Rs. C-97/90 -Lennartz-, Slg. 1991, I-3795, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 1992, 19, Nr. 13 der Entscheidungsgründe; vom 14. Februar 1985 Rs. 268/83 -Rompelman-, Slg. 1985, 655, Umsatzsteuer-Rundschau 1985, 199; vom 29. Februar 1996 Rs. C-110/94 -INZO-, Slg. 1996, I-857, BStBl II 1996, 655, und vom 15. Januar 1998 Rs. C-37/95 -Ghent Coal Terminal NV-, Deutsches Steuerrecht-Entscheidungsdienst 1998, 528). Vorbereitungshandlungen im Sinne der genannten Rechtsprechung sind aber nur nach außen und auf Ausführung entgeltlicher Leistungen gerichtete Handlungen, die nach oder mit der Begründung des Unternehmens vorgenommen werden, insbesondere also Leistungsbezüge, die den Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 171, 138, BStBl II 1993, 564; in BFH/NV 1995, 76, und in BFH/NV 1994, 131). Eine Schulung, die der Gründung des Unternehmens vorgeht, ist grundsätzlich noch keine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit i.S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 1993 V R 18/89, BFHE 171, 111, BStBl II 1993, 561 am Ende).

Diese Grundsätze gelten entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift auch im Rahmen des § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG 1980 n.F. Der Beginn der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit fällt mit dem Beginn des Unternehmens zusammen. Bei der Umrechnung des tatsächlichen Gesamtumsatzes in einen Jahresgesamtumsatz ist deshalb das Kalenderjahr in den Zeitraum bis zum Beginn des Unternehmens und den Zeitraum danach aufzuteilen. Der gegenteiligen Ansicht von Stadie (in Rau/Dürrwächter, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 8. Aufl., § 19 Anm. 58), der auf den Zeitpunkt abstellen will, ab dem der Unternehmer Ausgangsumsätze tätigt, folgt der Senat nicht. Da § 19 Abs. 3 Satz 3 und 4 UStG 1980 n.F. Kriterien aufstellt, die auf eine möglichst zutreffende Ermittlung des "umzurechnenden" Gesamtumsatzes bei Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres abzielen, würde es andererseits auch dem Gesetzeszweck widersprechen, in die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit Zeiträume einzubeziehen, in denen eine Umsatztätigkeit gar nicht in Betracht kam.

Aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG kann der Senat nicht beurteilen, ob der Kläger bereits im Juli 1989 unternehmerisch tätig war. Hiervon wird man nur ausgehen können, wenn dem Kläger im Zusammenhang mit der Schulung Aufwendungen erwachsen sind, durch die er den Tatbestand des § 15 UStG 1980 erfüllt hat. Eine weitere Voraussetzung ist, daß die Schulung unmittelbar auf den Beruf des selbständigen Rundfunkgebührenermittlers vorbereitet hat und nicht etwa auch der Ausbildung unselbständiger Angestellter gedient hat.

Ende der Entscheidung

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