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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 18.08.2005
Aktenzeichen: V R 31/04
Rechtsgebiete: UStG 1999, InsO


Vorschriften:

UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1
UStG 1999 § 10 Abs. 1 Satz 1
InsO § 50
InsO § 51
InsO § 55
InsO § 166
InsO § 170
InsO § 171
1. Verwertet ein Insolvenzverwalter freihändig eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht eines Sicherungsgebers besteht, so erbringt er dadurch keine Leistung gegen Entgelt an den Sicherungsgeber. Die Verwertungskosten, die der Insolvenzverwalter in diesem Fall kraft Gesetzes vorweg für die Masse zu entnehmen hat, sind kein Entgelt für eine Leistung.

2. Vereinbaren der absonderungsberechtigte Grundpfandgläubiger und der Insolvenzverwalter, dass der Insolvenzverwalter ein Grundstück für Rechnung des Grundpfandgläubigers veräußert und vom Veräußerungserlös einen bestimmten Betrag für die Masse einbehalten darf, führt der Insolvenzverwalter neben der Grundstückslieferung an den Erwerber eine sonstige entgeltliche Leistung an den Grundpfandgläubiger aus. Der für die Masse einbehaltene Betrag ist in diesem Fall Entgelt für eine Leistung.


Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über den Nachlass des Kaufmanns N. Dieser hatte ein Autohaus betrieben.

Im Streitjahr 2000 veräußerte der Kläger die Fahrzeuge des Autohauses sowie ein zum Nachlass gehörendes Grundstück. Die Fahrzeuge des Autohauses waren sicherungsübereignet. Das Grundstück war durch eine Grundschuld in Höhe von 1,1 Mio. DM belastet; der Verkaufspreis betrug 986 000 DM (850 000 DM + 136 000 DM Mehrwertsteuer). Aus der Veräußerung der Fahrzeuge behielt der Kläger den Kostenbeitrag (die Feststellungs- und die Verwertungskostenpauschale) i.S. des § 171 der Insolvenzordnung (InsO) ein und zahlte den Nettoerlös an den absonderungsberechtigten Gläubiger aus. Für den Grundstücksverkauf vereinbarte der Kläger mit der absonderungsberechtigten Bank eine Beteiligung am Verwertungserlös in Höhe von 4 v.H. zu Gunsten der Masse.

Diese Vorgänge berücksichtigte der Kläger umsatzsteuerlich zunächst nicht. Nach einer Umsatzsteuersonderprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass sowohl die Verwertungskostenpauschale gemäß § 171 Abs. 2 InsO (5 v.H. des Verwertungserlöses = brutto 3 190 DM) als auch die Erlösbeteiligung der Masse am Grundstücksverkauf (brutto 34 000 DM), nicht aber die Feststellungspauschale gemäß § 171 Abs. 2 InsO (4 v.H. des Verwertungserlöses) der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien. Er erließ einen entsprechenden Umsatzsteuerbescheid.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) war der Ansicht, der Kläger habe mit den Verwertungen gegenüber den Gläubigern umsatzsteuerbare und mangels Befreiung umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) erbracht (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1003).

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Revision, mit der er Verletzung materiellen Rechts und mangelhafte Sachverhaltsaufklärung rügt.

Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den angefochtenen Umsatzsteuerbescheid dahin zu ändern, dass die Beteiligung der Masse am Grundstücksverwertungserlös in Höhe von 34 000 DM und die Verwertungskostenpauschale hinsichtlich der Fahrzeuge in Höhe von 3 190 DM als nicht umsatzsteuerpflichtig behandelt werden.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision hat Erfolg, soweit es um die Verwertungskosten i.S. der §§ 170 f. InsO geht, nicht aber soweit es um die Beteiligung an dem Grundstücksveräußerungserlös geht.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Der Umsatz wird insoweit nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG). Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG). Eine Leistung gegen Entgelt liegt vor, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte Dienstleistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 18. März 2004 V R 101/01, BFHE 205, 342, BStBl II 2004, 798, m.w.N.).

2. Mit der Verwertung der Kraftfahrzeuge hat der Kläger (genauer: der durch den Insolvenzverwalter vertretene Schuldner) keine Leistung gegen Entgelt an den oder die Gläubiger erbracht, denen die Fahrzeuge zur Sicherung übereignet worden waren.

Nach den Feststellungen des FG hatte der Schuldner die Fahrzeuge Gläubigern zur Sicherung ihrer Ansprüche übereignet. Die Gläubiger waren deshalb gemäß § 50, § 51 Nr. 1 InsO zur abgesonderten Befriedigung aus den Fahrzeugen berechtigt. Der Insolvenzverwalter durfte die Fahrzeuge gleichwohl freihändig verwerten. Nach § 166 Abs. 1 InsO darf der Insolvenzverwalter eine bewegliche Sache, an der ein Absonderungsrecht besteht, freihändig verwerten, wenn er die Sache in seinem Besitz hat. In diesem Fall sind aus dem Verwertungserlös die Kosten der Feststellung (des Gegenstands und der Rechte an diesem) und der Verwertung des Gegenstands vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO). Aus dem verbleibenden Betrag ist unverzüglich der absonderungsberechtigte Gläubiger zu befriedigen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 InsO).

a) Der Insolvenzverwalter, der gemäß § 166 Abs. 1 InsO eine bewegliche Sache freihändig verwertet, tut dies aufgrund der ihm durch die InsO zustehenden Befugnisse. Er entnimmt die Verwertungskosten dem Verwertungserlös aufgrund der ihm durch § 170 InsO eingeräumten Befugnis vor der Befriedigung des absonderungsberechtigten Gläubigers. Er handelt bei der freihändigen Verwertung weder im Auftrag des absonderungsberechtigten Gläubigers noch erhält er von diesem seine Verwertungskosten ersetzt.

Dem entspricht, dass der absonderungsberechtigte Gläubiger selbst im Zusammenhang mit der Verwertung des Sicherungsguts nichts i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG aufwendet. Die Verwertungskosten sind deshalb kein Entgelt für eine steuerpflichtige Leistung des Insolvenzverwalters an den Sicherungsgeber (so nunmehr auch Abschn. 2 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005).

b) Die gegenteiligen Ausführungen des FG, das sich im Wesentlichen auf Onusseit (in Insolvenzrecht; Zeitschrift für die gesamte Insolvenzpraxis --ZIP-- 2002, 777) stützt, überzeugen den Senat nicht.

Aus § 168 InsO folgt nicht, dass mit der Verwertung des Sicherungsguts nach § 166 InsO eine steuerpflichtige Leistung an den Gläubiger verbunden ist.

Nach § 168 InsO hat der Insolvenzverwalter, bevor er den Gegenstand nach § 166 InsO selbst veräußert, dem absonderungsberechtigten Gläubiger Gelegenheit zu geben, auf eine andere, für den Gläubiger günstigere Möglichkeit der Verwertung des Gegenstands hinzuweisen (§ 168 Abs. 1 InsO). Die andere Verwertungsmöglichkeit kann auch darin bestehen, dass der Gläubiger den Gegenstand selbst übernimmt; günstiger ist eine Verwertungsmöglichkeit auch dann, wenn Kosten eingespart werden (§ 168 Abs. 3 InsO). Das FG meint, im Fall der Verwertung nach § 166 InsO liege eine steuerbare sonstige Leistung des Insolvenzverwalters an den Gläubiger vor, da diese Form der Verwertung an die Stelle der Verwertung nach § 168 Abs. 3 InsO trete. Diese Argumentation ist bereits deshalb nicht schlüssig, weil im Fall des § 168 Abs. 3 InsO regelmäßig eine Lieferung des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer (und des Sicherungsnehmers an den Käufer) vorliegt (sog. Doppelumsatz, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. Februar 2004 V B 110/03, BFH/NV 2004, 832), im Fall des § 166 InsO aber eine Lieferung des Sicherungsguts an den Käufer; in keinem Fall liegt aber eine sonstige Leistung der in Frage stehenden Art des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer vor.

Es mag zwar sein, dass der Gläubiger aufgrund der Vorschriften der §§ 166 ff. InsO den Vorteil einer möglichst günstigen Art der Verwertung hat. Dies rechtfertigt aber nicht die Annahme einer an ihn erbrachten Leistung gegen Entgelt i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Der Vorteil ergibt sich aus dem Gesetz und ist nicht Gegenstand einer steuerbaren Leistung des Insolvenzverwalters an den Gläubiger. Im Fall des § 166 InsO liefert er lediglich den sicherungsübereigneten Gegenstand dem Käufer oder sonstigen Erwerber und erbringt nicht gleichzeitig noch eine sonstige Leistung an den Gläubiger.

Schließlich ergibt sich auch aus der Regelung des § 171 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO nicht, dass mit der Verwertung des Sicherungsguts nach § 166 InsO eine steuerbare Leistung an den Gläubiger verbunden ist. Nach § 171 Abs. 2 Satz 1 InsO sind als Kosten der Verwertung pauschal 5 v.H. des Verwertungserlöses anzusetzen. Lagen die tatsächlich entstandenen, für die Verwertung erforderlichen Kosten erheblich niedriger oder erheblich höher, so sind nach § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO diese Kosten anzusetzen. Auch in diesem Fall hat der Gläubiger kein Recht auf Befriedigung in Höhe des vollen Kaufpreises; vielmehr sind auch im Fall des § 171 Abs. 2 Satz 2 InsO vorweg die Kosten der Feststellung und der Verwertung des Gegenstands für die Insolvenzmasse zu entnehmen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 InsO). Deshalb ist auch in diesem Fall mit der Lieferung des Grundstücks an den Käufer keine sonstige Leistung an den Gläubiger verbunden.

3. Anders ist es im Fall des freihändigen Verkaufs des Grundstücks durch den Insolvenzverwalter. Aufgrund der Vereinbarung des Grundpfandgläubigers mit dem Kläger hat dieser gleichzeitig mit der Veräußerung des Grundstücks auch an den Grundpfandgläubiger eine Leistung gegen Entgelt erbracht.

a) Außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt die Befriedigung des Grundpfandgläubigers aus dem Grundstück grundsätzlich im Wege der Zwangsvollstreckung (§§ 1147, 1192 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--). Daneben kann der Grundpfandgläubiger aber auch den Grundstückseigentümer im Wege eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsauftrags gemäß § 675 BGB beauftragen, das überschuldete Grundstück im eigenen Namen (des Grundstückseigentümers) für seine (des Grundpfandgläubigers) Rechnung zu veräußern. Der Grundstückseigentümer ist dann verpflichtet, dem Grundpfandgläubiger den Veräußerungserlös abzüglich des vereinbarten Entgelts herauszugeben. Damit liefert der bisherige Grundstückseigentümer dem Grundstückserwerber das Grundstück, gleichzeitig erbringt er dem Grundpfandgläubiger eine entgeltliche Geschäftsbesorgungsleistung, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegt.

b) Ähnlich ist es auch in der Insolvenz des Grundstückseigentümers. Die in § 165 InsO vorgesehene Verwertung von mit einem Absonderungsrecht belasteten Grundstücken durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung ist nicht zwingend; es ist auch eine Verwertung i.S. des § 159 InsO durch freihändigen Verkauf möglich, wenn der Gläubigerausschuss oder die Gläubigerversammlung nach § 160 InsO zustimmt (vgl. Weis/Ristelhuber, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht --ZInsO-- 2002, 859; Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 165 Rdnr. 4). Auch hier kommt ein Geschäftsbesorgungsvertrag in Betracht, durch den der absonderungsberechtigte Grundpfandgläubiger den Insolvenzverwalter gegen ein vereinbartes Entgelt beauftragt, das Grundstück für seine (des Grundpfandgläubigers) Rechnung zu veräußern. Dabei kann auch vereinbart sein, dass der Insolvenzverwalter das vereinbarte Entgelt von dem Veräußerungserlös für die Masse einbehalten darf.

Bei einem Geschäftsbesorgungsvertrag oder bei sonstigen gegenseitigen Verträgen i.S. der §§ 320 ff. BGB sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG regelmäßig erfüllt, falls --wie im Streitfall-- der leistende Vertragspartner Unternehmer ist (BFH-Urteil vom 17. Februar 2005 V R 17/02, BFH/NV 2005, 1394, m.w.N.). Wird das mit einem Absonderungsrecht belastete Grundstück nicht --wie in § 165 InsO vorgesehen-- durch Zwangsversteigerung oder Zwangsverwaltung verwertet, sondern freihändig veräußert, und vereinbart der Insolvenzverwalter mit dem Grundpfandgläubiger gegen Entgelt --z.B. in Form einer prozentualen Beteiligung am Verwertungserlös-- dessen Verwertung, liegen deshalb die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG vor.

c) Im Streitfall hat die Bank den Kläger mit der Verwertung des Grundstücks beauftragt und hierfür ein Entgelt in Höhe von 4 v.H. des Veräußerungserlöses gewährt. Der Senat folgt deshalb nicht der Auffassung des Klägers und des von ihm zitierten Schrifttums (Heublein, Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht, Bank- und Kreditsicherungsrecht, Handels- und Kreditsicherungsrecht, Handels- und Gesellschaftsrecht, AGB- und Vertragsrecht, Insolvenz- und Sanierungsrecht, § 165 InsO 1/05, 513; de Weerth, Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht 2005, 375; Onusseit, ZInsO 2005, 815), dass die vereinbarte Massebeteiligung der gesetzlichen Massebeteiligung nach § 170 InsO gleichsteht.

§ 170 Abs. 1 InsO ist eine Sonderregelung gegenüber § 55 Nr. 1 InsO. Nach § 55 Nr. 1 InsO sind die Kosten der Verwertung der Insolvenzmasse grundsätzlich Masseverbindlichkeiten; nach § 170 Abs. 1 InsO sind aber die dort genannten Verwertungskosten vorweg für die Insolvenzmasse zu entnehmen, so dass die Masse nicht mit den Verwertungskosten belastet bleibt.

Dies gilt aber so nur für die Verwertung beweglicher Sachen und von Forderungen und nicht für die Verwertung von Grundstücken. Hier hat der Insolvenzverwalter kein gesetzliches Recht, die Verwertungskosten vom Veräußerungserlös für die Masse einzubehalten. Insolvenzgläubiger und Grundpfandgläubiger können lediglich vereinbaren, dass der Grundpfandgläubiger der Masse die Verwertungskosten ersetzt. Dabei handelt es sich --anders als im Fall des § 170 Abs. 1 InsO-- um eine geldwerte Leistung des Grundpfandgläubigers. Sie ist das Entgelt für die Geschäftsbesorgungsleistung des Insolvenzverwalters, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegt.

4. Die Steuer berechnet sich wie folgt:

Steuer laut angefochtenem Bescheid: 149 584 DM ./. Verwertungskostenpauschale brutto 3 190 DM netto 2 750 DM 440 DM 440 DM 149 144 DM 76 256 €

Ende der Entscheidung

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