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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 17.08.2001
Aktenzeichen: V R 32/01
Rechtsgebiete: UStG, UStG 1980


Vorschriften:

UStG § 9
UStG § 15a
UStG § 15 Abs. 4
UStG § 15 Abs. 4 Satz 1
UStG 1980 § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Eigentümer eines mit einem mehrgeschossigen Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks in P, dessen Räume er zum Teil umsatzsteuerpflichtig, zum Teil umsatzsteuerfrei vermietet hat. Nach der Sanierung der Außenfassade machte der Kläger in Anlehnung an das Verhältnis der steuerpflichtigen (76,04 v.H.) und steuerfreien Umsätze (23,96 v.H.) von den hierfür ihm insgesamt in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträgen 75 v.H. geltend.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertrat dagegen die Auffassung, aufzuteilen sei nach dem Verhältnis der zu Wohnzwecken einerseits und zur Vermietung an andere Unternehmer andererseits vorgesehenen Flächen. Abziehbar seien deshalb lediglich 40,7 v.H. der in den Baurechnungen enthaltenen Vorsteuerbeträge. Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts und Verfahrensfehler.

Als Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt das FA, das FG habe tatsächliches Vorbringen des FA nicht berücksichtigt. Das FA habe im Schriftsatz vom 14. Juni 2000 unwidersprochen ausgeführt, dass der gewerblich genutzte Fassadenteil gering sei und die Vorsteuerbeträge deshalb in dem geltend gemachten Umfang nicht, wie erforderlich, in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den steuerpflichtigen Umsätzen stünden. Sachgerecht sei nur eine Aufteilung nach Flächen; auch der Hinweis des Klägers, zur Steigerung der gewerblichen Einnahmen habe die marode Fassade erneuert werden müssen, rechtfertige keine andere Beurteilung, denn dies gelte auch für die nicht gewerblich vermieteten Teile des Hauses.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge des FA greift schon deshalb nicht durch, weil sie nicht ordnungsgemäß erhoben wurde. Wird als Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, das FG habe einzelne Ausführungen nicht zur Kenntnis genommen, ist zusätzlich vorzutragen, dass die vom FG nicht berücksichtigten Tatsachen auf der Grundlage der Rechtsauffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätten führen können (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4. Februar 2000 II B 108/99, BFH/NV 2000, 875; vom 25. April 1995 II B 7/95, BFH/NV 1995, 914). Diesem Erfordernis ist mit der nicht weiter substantiierten Behauptung, die unbeachtet gebliebenen Ausführungen seien entscheidungserheblich, nicht genügt.

2. Erneuert ein Unternehmer den Außenputz eines Gebäudes mit Wohn- und Gewerbeflächen, ist die Aufteilung der Vorsteuerbeträge durch den Unternehmer nach dem Verhältnis der Ausgangsumsätze als sachgerechte Schätzung i.S. von § 15 Abs. 4 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) anzuerkennen.

Da der Kläger das erworbene Gebäude teilweise zur Ausführung steuerpflichtiger Vermietungsumsätze und teilweise zur Ausführung steuerfreier Vermietungsumsätze verwendet, ist gemäß § 15 Abs. 4 UStG der Teil der Vorsteuerbeträge auf die Gebäudeherstellung nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Wohnungsvermietungsumsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann der Unternehmer die nicht abziehbaren Teilbeträge im Wege einer sachgerechten Schätzung ermitteln.

a) Kriterien für eine "sachgerechte Schätzung" im Sinne der Vorschrift umschreibt das Umsatzsteuergesetz nicht ausdrücklich. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG stellt lediglich das Erfordernis einer "wirtschaftlichen Zurechnung" von Vorsteuerbeträgen zu den mit der bezogenen Leistung ausgeführten Umsätzen auf.

Das FA meint unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift, sachgerecht im Sinne einer "wirtschaftlichen Zuordnung" sei bei Vorbezügen für die Sanierung eines gemischt genutzten Gebäudes nur eine Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der zum Vorsteuerabzug berechtigenden bzw. diesen ausschließenden Verwendung der Flächen oder Raumvolumina. Aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 15 Abs. 4 UStG ergibt sich für diese Auslegung jedoch kein Anhaltspunkt; dieser ist insoweit nicht eindeutig, denn sachgerecht im Sinne einer "wirtschaftlichen Zurechnung" sind auch andere Zurechnungskriterien wie z.B. eine Aufteilung nach dem Verhältnis der ausgeführten Umsätze. Die Auslegung des Begriffs der "wirtschaftlichen Zuordnung" ist deshalb anhand der Vorgaben des gemeinschaftsrechtlichen Mehrwertsteuersystems vorzunehmen (zur richtlinienkonformen Auslegung vgl. Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 7. Dezember 1995 Rs. C-472/93 Luigi Spano, Slg. 1995, I-4321, Europäische Zeitschrift für Wirtschaft --EuZW-- 1996, 185; vom 8. Oktober 1987 Rs. 80/86 Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987, 3969, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1988, 594; z.B. BFH-Urteile vom 27. Juli 2000 V R 55/99, BFHE 193, 156; vom 2. April 1998 V R 34/97, BFHE 185, 536, BStBl II 1998, 695, unter II. 3. b bb).

b) Gemeinschaftsrechtlich ist in Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) für die Vorsteueraufteilung Folgendes vorgegeben:

"Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt. Jedoch können die Mitgliedstaaten

a) dem Steuerpflichtigen gestatten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden, wenn für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen geführt werden;

b) den Steuerpflichtigen verpflichten, für jeden Bereich seiner Tätigkeit einen besonderen Pro-rata-Satz anzuwenden und für jeden dieser Bereiche getrennte Aufzeichnungen zu führen;

c) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihn verpflichten, den Abzug je nach der Zuordnung der Gesamtheit oder eines Teils der Gegenstände oder Dienstleistungen vorzunehmen;

d) dem Steuerpflichtigen gestatten oder ihm vorschreiben, den Vorsteuerabzug nach der in Unterabsatz 1 vorgesehenen Regel bei allen Gegenständen und Dienstleistungen vorzunehmen, die für die dort genannten Umsätze verwendet wurden,

e)....."

Für die Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzuges schreibt Art. 19 der Richtlinie 77/388/EWG in Abs. 1 vor:

"Der pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabsatz 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:

* im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Art. 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;

* im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze abzüglich der Mehrwertsteuer. ....

* Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz abgerundet."

Nach der Rechtsprechung des EuGH (z.B. Urteile vom 8. Juni 2000 Rs. C-98/98 Midland Bank, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2000, 342, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 2000, 348 Rz. 20; vom 6. April 1995 Rs. C-4/94 BLP-Group., Slg. 1995, I-983, UR 1996, 427 Rz. 18 und 19) folgt aus der Formulierung in Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG "für .... verwendet werden", dass das in Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug (nur) entsteht, wenn die bezogenen Gegenstände oder Dienstleistungen direkt und unmittelbar mit Ausgangsumsätzen zusammenhängen, die den Vorsteuerabzug zulassen. Für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen in Fällen gemischter (d.h. zum Vorsteuerabzug berechtigender und nicht berechtigender) Verwendung geht die Richtlinie 77/388/EWG in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 und Art. 19 als Regel-Aufteilungsmaßstab von einem Umsatzschlüssel aus, ohne danach zu unterscheiden, ob der Unternehmer den Gegenstand angeschafft oder selbst hergestellt hat. Bei richtlinienkonformer Auslegung ist als "sachgerecht" i.S. des § 15 Abs. 4 UStG deshalb ein den Vorgaben des Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechendes Aufteilungsverfahren anzuerkennen, das --objektiv nachprüfbar-- nach einheitlicher Methode die beiden "Nutzungsteile" eines gemischt verwendeten Gegenstandes bzw. einer sonstigen Leistung den damit ausgeführten steuerfreien und steuerpflichtigen Umsätzen zurechnet (vgl. für die Aufteilung von Vorsteuerbeträgen bei Erwerb eines gemischt genutzten Gebäudes Senatsurteile vom 5. Februar 1998 V R 101/96, BFHE 185, 524, BStBl II 1998, 492, unter 2. b; vom 12. März 1998 V R 50/97, BFHE 185, 530, BStBl II 1998, 525). Soweit der Senat in dem zu § 15 UStG 1980 ergangenen Urteil vom 12. März 1992 V R 70/87 (BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755, unter 2. b dd) einen Umsatzschlüssel als nicht sachgerecht beurteilt hat, hält er hieran nicht mehr fest.

Hat der Unternehmer ein i.S. des § 15 Abs. 4 UStG sachgerechtes Aufteilungsverfahren gewählt, ist dieser Maßstab auch für nachfolgende Besteuerungszeiträume der Besteuerung zugrunde zu legen. Dieser Aufteilungsmaßstab ist auch maßgebend für eine mögliche Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG bei Änderungen, die sich auf die Höhe der steuerfreien oder steuerpflichtigen Mietumsätze auswirken.

c) Offen bleiben kann, ob die den Mitgliedstaaten in Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 3 Buchst. a bis e der Richtlinie 77/388/EWG eingeräumten Möglichkeiten zur Modifizierung des Pro-rata-Satzes eine Regelung zuließe, wonach bei gemischter Verwendung eines Gebäudes die Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Flächen oder Raumvolumina aufgeteilt werden müssen. Hierfür hätte es aber jedenfalls zunächst einer eindeutigen gesetzlichen Regelung bedurft, die dann allerdings auf ihre Vereinbarkeit mit der Richtlinie 77/388/EWG zu überprüfen wäre.

d) Da der Kläger nach den Feststellungen des FG objektiv nachprüfbar nach einheitlicher Methode die Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze aufgeteilt hat, hat das FG zu Recht diesen Aufteilungsmaßstab als sachgerecht beurteilt.

Ende der Entscheidung

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