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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 21.06.2001
Aktenzeichen: V R 33/99
Rechtsgebiete: BGB, UStG


Vorschriften:

BGB § 164 Abs. 1
UStG § 14
UStG § 15
UStG § 15 Abs. 1
UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehrt den Abzug von Vorsteuerbeträgen im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der Bauherrengemeinschaft X. Diese Bauherrengemeinschaft wurde durch notariellen Vertrag vom 25. Oktober 1984 errichtet. Geplant war die Bebauung eines 11 102 qm großen Grundstücks in A mit 15 Mehrfamilienhäusern, die insgesamt 201 Wohn- und 17 Gewerbeeinheiten enthalten sollten. Baubeginn war der 10. Oktober 1986. Aufgrund von Vertriebs- und Finanzierungsschwierigkeiten wurde jedoch nur der erste Bauabschnitt mit 6 Häusern (Häuser Nr. 1 bis 4, 6 und 7) durchgeführt.

Mit notariellem Vertrag vom 4. März 1988 nahm der Kläger das Angebot des Treuhänders D vom 25. Oktober 1984 an zum Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages für die Errichtung des Bauvorhabens X und --konkret für den Kläger-- des im Haus Nr. 7 gelegenen Ladens Nr. 7.12 und erteilte dem Treuhänder entsprechende Vollmachten. Der von ihm lt. Vertrag zu übernehmende Anteil an den Gesamtkosten betrug 730 802 DM.

Der Kläger war der Bauherrengemeinschaft anstelle eines illiquide gewordenen Bauherren, der "von Anfang an dabei war", beigetreten. Der "Austausch einzelner Bauherren" war notwendig geworden, um die Finanzierung des Hauses Nr. 7 zu sichern. Zahlungen der einzelnen Bauherren waren nicht entsprechend dem Baufortschritt des erworbenen Teileigentums, sondern nach dem jeweiligen Finanzierungsbedarf des Gesamtprojekts zu leisten; d.h. Eigentümer einer Einheit, wie in dem zuletzt erstellten Haus Nr. 7, haben bereits früher erstellte Einheiten mitfinanziert.

Vom Haus Nr. 7 waren im März 1988 die Erdarbeiten und die Erschließung durchgeführt und die Kellersohle erstellt. Fertig gestellt wurde das Haus Nr. 7 Ende 1988. Der Kläger vermietete den Laden ab 1989 zu gewerblichen Zwecken.

Bei der Bauherrengemeinschaft führte das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eine Außenprüfung durch. Der Prüfer teilte dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit, auf den Kläger entfielen Vorsteuern in Höhe von 1 177,72 DM (1984), 1 853,49 DM (1985), 21 179,06 DM (1986), 23 628,62 DM (1987) und 8 876,33 DM (1988); in Bezug auf den Laden des Klägers bestünden bei Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietung gegen den Vorsteuerabzug dem Grunde nach keine Bedenken. Wörtlich heißt es in der Mitteilung vom 30. November 1992: "Bei dem Erwerber handelt es sich um theoretische Werte. Ein eventueller Vorsteuerabzug kann ggf. erst in 1988 (Datum des Beitritts 04.03.1988) erfolgen."

Der Kläger begehrte erfolglos den Abzug dieser Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 56 715,22 DM im Umsatzsteuerbescheid für 1988. Der Einspruch gegen den zuletzt am 7. September 1995 geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1988 blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 673 veröffentlicht ist, gab der Klage in Höhe von 8 876,33 DM statt (das sind die für Bauleistungen im Jahr 1988 angefallenen Vorsteuerbeträge). Im Übrigen hatte die Klage keinen Erfolg.

Das FG führte im Wesentlichen aus, dem Kläger stehe für vor seinem Beitritt liegende Leistungsbezüge keine Vorsteuer zu. Das FG sei durch die allenfalls missverständliche Äußerung des Betriebsprüfers nicht gebunden.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts. Das FG habe die unterschiedlichen Herstellungszeiten einzelner Gebäudegruppen in keiner Weise berücksichtigt. Diese Art der Aufteilung könne nur für diejenigen Bauherren zu einer richtigen zeitlichen Aufteilung der Vorsteuer führen, die seit Beginn des Projekts 1984 beigetreten waren. Die Auffassung des FG führe dazu, dass einem Bauherren, der zu einem späteren Zeitpunkt beigetreten sei und dessen Projekt erst nach Beitritt hergestellt worden sei, ein teilweiser Vorsteuerabzug versagt bleibe. Die Bauleistungen für die Errichtung des Hauses, in dem sich die Einheit des Klägers befinde, seien erst nach seinem Beitritt ausgeführt worden. Unter diesen Umständen widerspreche es dem europäischen Umsatzsteuerrecht, die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug zu versagen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Umsatzsteuerbescheid für 1988 dahin gehend zu ändern, dass weitere 47 838,89 DM als Vorsteuern berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) kann der Unternehmer als Vorsteuerbeträge u.a. abziehen, die in Rechnungen i.S. von § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

2. Bei Bauherrenmodellen, die die Errichtung von Einfamilienhäusern, Eigentumswohnungen oder sonstigen Gebäuden zum Gegenstand haben und bei Erwerbermodellen kommt zwar grundsätzlich ein Abzug der auf den einzelnen Bauherren entfallenden Vorsteuerbeträge in Betracht (vgl. hierzu Senatsurteile vom 27. Januar 1994 V R 31/91, BFHE 173, 463, BStBl II 1994, 488; vom 1. Oktober 1998 V R 31/98, BFHE 187, 78). Im Streitfall kann offen bleiben, ob es hierzu eines gesonderten Feststellungsverfahrens bedurft hätte, welche Anforderungen in diesen Fällen an eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung zu stellen sind und ob darüber hinaus der Kläger zum Vorsteuerabzug geeignete Rechnungen hätte vorlegen können, denn es fehlt schon an den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den im Streitjahr 1988 begehrten Abzug von Vorsteuerbeträgen, die für Leistungen vor dem "Beitritt" des Klägers zur Bauherrengemeinschaft --in den Jahren 1984 bis 1987-- im Zusammenhang mit der Errichtung des Gesamtobjektes angefallen sind.

a) Über das Recht auf Vorsteuerabzug ist bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezuges zu entscheiden (Grundsatz des "Sofortabzugs").

Vorsteuerabzugsberechtigter Unternehmer ist bei richtlinienkonformer Auslegung des § 15 UStG bereits, wer die durch objektive Anhaltspunkte belegte Absicht hat, eine unternehmerische Tätigkeit auszuführen (z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 8. März 2001 V R 24/98, m.w.N. der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Umsatzsteuer-Rundschau --UStR-- 2001, 214). Nach § 15 Abs. 1 UStG darf der Unternehmer aber nur Vorsteuerbeträge abziehen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind.

b) Leistungsempfänger ist nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzlich derjenige, der aus dem der Leistung zugrunde liegenden Schuldverhältnis als Auftraggeber berechtigt und verpflichtet ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 187, 78; vom 16. Mai 1995 XI R 50/93, BFH/NV 1996, 185; vom 5. Oktober 1995 V R 113/92, BFHE 178, 493, BStBl II 1996, 111; vom 24. Juni 1999 V R 99/98, BFH/NV 1999, 1648, und vom 1. Februar 2001 V R 79/99, BFH/NV 2001, 989).

Entsprechend der Regelung des § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist bei einem Handeln im Namen des Vertretenen grundsätzlich auch umsatzsteuerrechtlich Leistender bzw. Leistungsempfänger der Vertretene (vgl. BFH-Urteile vom 20. Februar 1986 V R 133/75, BFH/NV 1986, 311, unter 3.; vom 25. Juni 1987 V R 78/79, BFHE 150, 205, BStBl II 1987, 657, unter II. 1.; vom 21. September 1989 V R 99/85, BFH/NV 1989, 810, unter 2.). Bezieht ein Treuhänder im Namen und für Rechnung seines Auftraggebers Leistungen, so ist, wenn die übrigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG vorliegen, der Vertretene zum Vorsteuerabzug berechtigt.

c) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angefochtenen Feststellungen des FG hat der Treuhänder zwar die Verträge mit den jeweiligen Bauhandwerkern im Namen der an der Bauherrengemeinschaft beteiligten Mitglieder geschlossen. Ein Abzug von Vorsteuerbeträgen für vor dem "Beitritt" des Klägers zur Bauherrengemeinschaft ausgeführte Bauleistungen kommt jedoch schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Leistungen nicht für den Kläger, sondern für einen anderen "Bauherrn" bezogen worden sind und der Vorsteuerabzug möglicherweise von diesem auch geltend gemacht worden ist. Im Übrigen durften diese nur in dem Besteuerungszeitraum berücksichtigt werden, in dem sie entstanden sind, mithin keinesfalls im Streitjahr 1988. Dass der Teil des Gesamtprojektes der Bauherrengemeinschaft, in dem sich das vom Kläger erworbene Sondereigentum befand (das Haus Nr. 7), erst 1988 errichtet worden ist, ist unerheblich.

3. Zu Recht hat das FG auch entschieden, dass das FA nicht aufgrund einer Äußerung des Außenprüfers verpflichtet war, die streitigen Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen.

Das FA kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sein, wenn es einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition des Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen (z.B. BFH-Urteile vom 4. August 1961 VI 269/60 S, BFHE 73, 813, BStBl III 1961, 562; vom 19. März 1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, BStBl II 1981, 538, und vom 16. März 1983 IV R 36/79, BFHE 138, 223, BStBl II 1983, 459). Voraussetzung ist u.a., dass der im Zeitpunkt der Auskunftserteilung für die spätere Entscheidung im Veranlagungsverfahren zuständige Beamte oder der Vorsteher die Auskunft erteilt hat (z.B. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, und vom 7. Juli 1999 X R 52/96, BFH/NV 2000, 174, jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen liegen offensichtlich nicht vor, denn der Kläger beruft sich insoweit lediglich auf Äußerungen des Betriebsprüfers bzw. Berichte oder Mitteilungen der Außenprüfung, die im Übrigen auch nur die Beurteilung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts zum Gegenstand haben. Äußerungen, tatsächliche und rechtliche Feststellungen in einem Prüfungsbericht sind für die Veranlagungsstelle nicht verbindlich; sie enthalten insbesondere keine Zusagen oder Verständigungen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 202 AO 1977 Tz. 6, 12, § 201 AO 1977 Tz. 5, 6 f., § 4 AO 1977 Tz. 59 ff., m.w.N.).

4. Nach den Feststellungen des FG ist dem Kläger im Zusammenhang mit seinem "Beitritt" zur Bauherrengemeinschaft --auch für die Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Grundstück-- keine Umsatzsteuer in der streitigen Höhe in Rechnung gestellt worden. Ohne Bedeutung ist deshalb, dass sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen lässt, wie der "Austausch einzelner Bauherren" unter Berücksichtigung der bisher für diesen Miteigentumsanteil bereits angefallenen Aufwendungen im Einzelnen tatsächlich durchgeführt worden ist.

Ende der Entscheidung

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