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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.07.2006
Aktenzeichen: V R 46/05
Rechtsgebiete: UStG 1999, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG 1999 § 10 Abs. 1
UStG 1999 § 14 Abs. 2
UStG 1999 § 17 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a
Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil C Abs. 1
1. Erstattet der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an seinen Abnehmer der nächsten Stufe). Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (Bestätigung des BFH-Urteils vom 12. Januar 2006 V R 3/04, BStBl II 2006, 479).

2. Preisnachlässe, die dem Telefonkunden vom Vermittler des Telefonanbietervertrages gewährt werden, mindern die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der vom Vermittler dem Telefonunternehmen gegenüber erbrachten Vermittlungsleistung.


Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zu Recht die von dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1997 und 1998 (Streitjahre) auf Grund von Minderungen der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 abgelehnt hat.

Gegenstand des Unternehmens des Klägers war der Vertrieb, der Service und die Verwaltung von Telekommunikationselektronik. In den Streitjahren vermittelte er im Wesentlichen verschiedenen Telefongesellschaften Kunden, die mit der entsprechenden Gesellschaft einen Vertrag zum Betrieb eines Mobiltelefons abschlossen. Die Laufzeit dieser Verträge belief sich im Regelfall auf 24 Monate. Der Kläger erhielt beim Abschluss eines entsprechenden Vertrages von den Telefongesellschaften jeweils eine Vermittlungsprovision inklusive gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer, über die die Telefongesellschaften mittels Gutschriften abrechneten. Um die Kunden zum Abschluss eines Vertrages zu bewegen, zahlte der Kläger den von ihm vermittelten Kunden je Monat der Vertragslaufzeit, in dem der entsprechende Vertrag vom Kunden ordnungsgemäß eingehalten wurde, eine Vergütung von 20 DM. In seinen Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre erfasste der Kläger die erhaltenen Vermittlungsprovisionen als dem Regelsteuersatz unterliegende Entgelte. Das FA hat den eingereichten Umsatzsteuererklärungen zugestimmt.

Mit Schreiben vom 6. März 2000 beantragte der Kläger, die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre zu ändern und die Bemessungsgrundlage für das Jahr 1997 um 181 052 DM und die des Jahres 1998 um 1 674 000 DM (davon zum Steuersatz von 15 v.H.: 418 500 DM und zum Steuersatz von 16 v.H.: 1 255 500 DM) zu mindern. Bei diesen Beträgen handele es sich um die Zahlungen des Klägers an die von ihm geworbenen Kunden und damit um Preisnachlässe, die die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage minderten. Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) in Sachen Elida Gibbs Ltd. vom 24. Oktober 1996 Rs. C-317/94 (BStBl II 2004, 324) seien gewährte Preisnachlässe von der Bemessungsgrundlage abzusetzen.

Mit Bescheid vom 22. Mai 2000 lehnte das FA die beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre ab und führte zur Begründung aus, zwischen den Telefonanbietern und dem Vermittler finde ein Leistungsaustausch statt, nicht jedoch zwischen dem Vermittler und den Kunden. Der den Kunden von dem Kläger gewährte Preisnachlass mindere weder das Entgelt des Telefonanbieters noch die Provision des Vermittlers.

Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Im Klageverfahren trug der Kläger ergänzend zu seinen bisherigen Ausführungen vor, die Telefongesellschaften rechneten damit, dass ihre Vermittler die Kunden durch finanzielle Zuwendungen zum Abschluss der Verträge bewegten. Die Provisionssätze würden derartige Rückvergütungen ersichtlich enthalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien nur die Beträge in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer einzubeziehen, die dem Unternehmer wirtschaftlich aus dem Geschäft verblieben seien.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage in seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2005, 1977 veröffentlichten Urteil aus folgenden Gründen ab: Durch das Zahlungsversprechen des Klägers sei es zwischen ihm und den Telefonkunden zu einem Leistungsaustausch gekommen, bei dem die Telefonkunden dem Kläger eine Leistung erbrachten --Abschluss und Einhaltung des Telefonanbietervertrages-- und der Kläger hierfür ein Entgelt von 20 DM monatlich bezahlt habe. Die Leistung der Telefonkunden sei nachhaltig gewesen, so dass diese zumindest überwiegend (Klein-)Unternehmer gewesen seien. Deshalb habe der Kläger von den Telefonkunden Leistungen bezogen, die dem Kläger unter der Voraussetzung formgültiger Rechnungen durch die Telefonkunden zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten. Neben diesem Leistungsaustausch habe sich der Provisionsanspruch des Klägers gegenüber den Telefongesellschaften aber nicht vermindert; andernfalls hätte auch der Vorsteuerabzug der Telefongesellschaften zwangsläufig nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993 korrigiert werden müssen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und des Ablehnungsbescheides des FA vom 22. Mai 2000 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2000 sowie zur Verpflichtung des FA, die beantragte Änderung der Umsatzsteuerbescheide für 1997 und 1998 vorzunehmen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, dass das Zahlungsversprechen des Klägers zu einer vertraglichen Beziehung zwischen diesem und den Endkunden mit der Folge führt, dass Letztere dem Kläger nachhaltige Leistungen in Gestalt des Abschlusses und der Einhaltung des Telefonanbietervertrages erbringen und die Vergütung des Klägers von monatlich 20 DM das Entgelt für diese Leistung ist.

Diese rechtliche Würdigung wird vom festgestellten Sachverhalt nicht getragen und berücksichtigt nicht die Grundsätze der EuGH-Rechtsprechung zur Entgeltsminderung durch "Vergütungen" an sog. Endkunden als "Verkaufsförderungsmaßnahmen" (z.B. EuGH-Urteil vom 15. Oktober 2002 C-427/98 --Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland--, BStBl II 2004, 328). Diese Rechtsprechung des EuGH, der sich der Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 12. Januar 2006 V R 3/04 (BStBl II 2006, 479) angeschlossen hat, geht davon aus, dass nach dem Umsatzsteuersystem nur der Endverbraucher wirtschaftlich mit der Umsatzsteuer belastet wird. Für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsvorstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, muss die Umsatzbesteuerung neutral sein. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze darf dem Fiskus aus allen Umsatzgeschäften (z.B. über einen Gegenstand) von der Herstellung bis zum Endverbrauch nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der Endverbraucher letztlich wirtschaftlich aufwendet. Es ist deshalb nicht erforderlich, dass ein Preisnachlass oder eine Preiserstattung (ggf. über einen "Gutschein") in der unmittelbaren Leistungsbeziehung gewährt werden muss, um sich entgeltmindernd auszuwirken.

2. Die von dem Kläger an die Endkunden gewährten "Vergütungen" stellen vielmehr Preisnachlässe dar und mindern die Bemessungsgrundlage der von dem Kläger an die Telefongesellschaften erbrachten Vermittlungsleistungen (§§ 10 Abs. 1 und 17 Abs. 1 UStG 1993; Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--).

Der Senat hat diese Grundsätze in seinem Urteil in BStBl II 2006, 479 auch auf vergleichbare "Absatzförderungsmaßnahmen" für sonstige Leistungen, die mehrere Umsatzstufen umfassen, angewandt. Nach dem Urteil gilt u.a. Folgendes:

Erstattet der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers (an den zweiten Unternehmer der Leistungskette). Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen.

Der Vorsteuerabzug des zweiten Unternehmers in der Leistungskette ändert sich dadurch nicht, auch wird die Rechnung durch die Änderung der Bemessungsgrundlage beim ersten Unternehmer nicht unrichtig, so dass dieser die Umsatzsteuer auch nicht nach § 14 Abs. 2 UStG (jetzt: § 14c UStG) schuldet.

Auch Vermittlungsleistungen können zur relevanten Leistungskette gehören.

3. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Kläger in der hier maßgebenden Leistungskette erster Unternehmer. Er erbringt Vermittlungsleistungen an die Telefongesellschaften. Diese schließen die (von dem Kläger vermittelten) Telefonverträge mit den Endkunden. Damit mindert sich die Bemessungsgrundlage der von dem Kläger an die Telefongesellschaften erbrachten Vermittlungsumsätze um die Beträge, die den Endverbrauchern (Telefonkunden) von dem Kläger vergütet wurden. Der Vorsteuerabzug der Telefongesellschaften für die von dem Kläger diesen in Rechnung gestellten Vermittlungsleistungen ändert sich dadurch nicht, auch wird die Rechnung durch die Änderung der Bemessungsgrundlage bei dem Kläger nicht unrichtig. Im Gesamtergebnis erhält der Fiskus damit die Umsatzsteuer, die in dem vom Endverbraucher aufgewendeten Betrag enthalten ist.

Aus der vom FG herangezogenen Entscheidung des EuGH vom 19. Juni 2003 Rs. C-149/01 --First Choice Holidays-- (Umsatzsteuer-Rundschau 2003, 456) kann nichts anderes hergeleitet werden, weil diese Entscheidung nur die Leistungsbeziehung des Reiseveranstalters (hier analog: der Telefongesellschaft) zum Endkunden betrifft und nicht die hier streitige Frage, ob das Vermittlungsentgelt des Verkaufsagenten gemindert wird; auch im Streitfall bleibt es konsequenterweise beim ungekürzten Entgelt im Verhältnis zwischen Endkunden und den Telefongesellschaften.

4. Die Umsatzsteuerfestsetzungen 1997 und 1998 stehen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977); der Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO 1977) ist nach § 171 Abs. 3 AO 1977 gehemmt, weil über den Änderungsantrag vom 6. März 2000 noch nicht unanfechtbar entschieden war. Die Änderung der Umsatzsteuerbescheide 1997 und 1998 ist daher nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 noch möglich und kann vom FA mit der abschließenden Prüfung des Steuerfalles verbunden werden (§ 164 Abs. 2 Satz 3 AO 1977), wobei es für die rechtliche Beurteilung der Vergütungen des Klägers an die Endkunden an diese Entscheidung gebunden ist.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Ende der Entscheidung

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