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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: V R 5/03
Rechtsgebiete: UStG 1993, Richtlinie 77/388/EWG
Vorschriften:
UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. a | |
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der zuvor 17 Jahre in der Kreditabteilung einer Bank beschäftigt gewesen war, schloss Ende 1993 mit X einen Repräsentantenvertrag, wonach es ihm als selbständigem Handelsvertreter oblag, Finanzierungen für Kunden der X vorzubereiten. Hierfür erhielt er von X die notwendigen Informationen, anhand derer er sodann einen Finanzierungsplan aufstellte. Dieser umfasste unter anderem die Höhe und die Laufzeit der Finanzierung, die Möglichkeit, Zwischentilgungen vorzunehmen, den Eigenkapitaleinsatz, die Zinsbindungen und die Tilgungspläne. Bei der Planung zeigte der Kläger unterschiedliche "Szenarien" auf, je nach dem wie die einzelnen Faktoren gewichtet würden. Dem Kläger stand die für derartige Berechnungen erforderliche Software zur Verfügung. Sodann wählte er aus der Angebotspalette der Banken die gemessen an den Vorstellungen der Kunden optimale Finanzierung aus. Die Kreditverträge kamen zwischen den Kunden und der Bank direkt zustande, wobei die Banken die Verträge in der Regel anhand der Vorarbeiten des Klägers entwarfen und ihm die Entwürfe in sein Büro übersandten, wo sie von den Kunden unterschrieben wurden. Die Provisionen für die Kreditvermittlungen zahlten die Banken an X, von der der Kläger ein monatliches Provisionsfixum bezog. Zum Teil erhielt der Kläger von X auch erfolgsabhängige Provisionen. In seinen Steuererklärungen behandelte der Kläger die Provisionen als steuerfreie Umsätze gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG).
Das damals für den Kläger zuständige Finanzamt vertrat im Anschluss an eine Betriebsprüfung die Auffassung, bei den Provisionen handele es sich gemäß Abschn. 57 Abs. 8 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) und den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 26. Januar 1995 V R 9/93 (BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427) um steuerpflichtige sonstige Leistungen. Für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung sei es erforderlich, dass der Kläger im eigenen Namen als Kreditvermittler auftrete. Daraufhin änderte das seinerzeit für den Kläger zuständige Finanzamt die Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1996 entsprechend.
Die Einsprüche wurden von dem mittlerweile zuständigen Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) verworfen. Das Finanzgericht (FG) gab der daraufhin erhobenen Klage statt. Es bejahte eine nach § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG steuerfreie Kreditvermittlung; es komme allein auf die Art der Tätigkeit an, ohne Bedeutung sei, unter wessen Namen die Leistungen ausgeführt würden (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 492).
Hiergegen wendet sich das FA mit der vorliegenden Revision.
Es beantragt Aufhebung der Vorentscheidung und Klageabweisung. Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist begründet. Die Leistung, die der Kläger an X erbracht hat, ist keine steuerfreie Kreditvermittlung, sondern eine sonstige steuerpflichtige Leistung.
1. Gemäß § 4 Abs. 8 Buchst. a UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die Gewährung und Vermittlung von Krediten.
2. Die Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG setzt die Bestimmung des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in das nationale Recht um; sie ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. Da die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiungen nach der Richtlinie 77/388/EWG autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- Urteil vom 5. Juni 1997 Rs. C-2/95, SDC, Slg. 1997, I-3017, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1998, 64), kann die frühere Rechtsprechung des BFH, der Begriff "Vermittlung" in § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG bestimme sich nach dem gleichnamigen bürgerlichrechtlichen Begriff in § 652 des Bürgerlichen Gesestzbuchs --BGB-- (vgl. BFH in BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427), mit dieser Begründung nicht aufrecht erhalten werden.
Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber" von der Umsatzsteuer.
Zum Begriff der "Vermittlung" in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 Rs. C-235/00, CSC Financial Services (Slg. 2001, I-10237 = UR 2002, 84 mit Anm. Wäger) wörtlich ausgeführt:
"37. Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie enthält keine Definition des Ausdrucks Vermittlung, die sich auf Wertpapiere bezieht im Sinne dieser Vorschrift.
38. ...
39. Ohne dass die genaue Bedeutung des Begriffes Vermittlung ermittelt werden müsste, der auch in anderen Bestimmungen der Sechsten Richtlinie, und zwar in Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummern 1 bis 4, auftaucht, ist festzustellen, dass sich dieser Begriff im Rahmen der Nummer 5 auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei eines Vertrages über ein Finanzprodukt einnimmt und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Denn die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u. a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat.
40. Dagegen handelt es sich nicht um eine Vermittlungstätigkeit, wenn eine der Vertragsparteien einen Subunternehmer mit einem Teil der mit dem Vertrag verbundenen Sacharbeit betraut, wie der Erteilung von Informationen an die andere Partei oder der Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Zeichnung der Wertpapiere, die Gegenstand des Vertrages sind. In einem solchen Fall nimmt der Subunternehmer denselben Platz ein wie der Anbieter des Finanzprodukts und ist daher keine Mittelsperson, die nicht den Platz einer Vertragspartei einnimmt, im Sinne der fraglichen Bestimmung.
41. Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Artikel 13 Teil B Buchstabe d Nummer 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass
- der Ausdruck Umsätze, die sich auf Wertpapiere beziehen, Umsätze betrifft, die geeignet sind, Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf Wertpapiere zu begründen, zu ändern oder zum Erlöschen zu bringen,
- der Ausdruck Vermittlung, die sich auf Wertpapiere bezieht, keine Dienstleistungen betrifft, die sich auf die Erteilung von Informationen über ein Finanzprodukt und gegebenenfalls die Annahme und Bearbeitung der Anträge auf Zeichnung der entsprechenden Wertpapiere beschränken und nicht deren Ausgabe umfassen."
Nach Ansicht des Senats gelten diese Ausführungen für die "Vermittlung von Krediten" i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechend.
Demnach liegt eine steuerfreie Kreditvermittlung nur vor, wenn die Leistung an eine Partei des Kreditvertrags (Kreditgeber oder Kreditnehmer) erbracht wird und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird (vgl. Randnr. 39 des EuGH-Urteils in Slg. 2001, I-10237); der Leistung muss also ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Kreditgeber oder Kreditnehmer zugrunde liegen. Für das Vorliegen einer Vermittlungsleistung reicht nicht aus, dass der leistende Unternehmer im Auftrag eines Dritten das Erforderliche tut, damit zwei Parteien einen Kreditvertrag schließen.
Im Streitfall wurde der Kläger nicht aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrags mit den Banken, die den Kredit gewährten, oder mit den Kreditnehmern tätig, sondern aufgrund eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags mit X. Er hat deshalb seine Leistungen nicht an die Banken oder die Kreditnehmer, sondern an X erbracht. Die Leistungen sind somit keine Kreditvermittlungen i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG.
3. Dies steht im Ergebnis im Einklang mit der Entscheidung des BFH in BFHE 177, 161, BStBl II 1995, 427, wonach eine steuerfreie Vermittlung von Krediten i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG nur der ausführt, wer gegenüber den künftigen Vertragsparteien des Kreditvertrags als selbständiger Vermittler auftritt. Dem FG ist zwar einzuräumen, dass der EuGH im Urteil SDC (Slg. 1997, I-3017 Randnrn. 32 und 48) gemeint hat, die nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nrn. 3 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG befreiten Umsätze seien durch die Art der erbrachten Leistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert. In diesem Urteil ging es aber allgemein um die Frage, ob das klagende Rechenzentrum an seine Mitglieder (Sparkassen und Banken) die in diesen Bestimmungen näher bezeichneten Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr sowie Wertpapierumsätze erbrachte. Dabei ging es aber nicht um die Vermittlungstätigkeit; dieser Begriff wird im Urteil CSC Financial Services (Slg. 2001, I-10237) näher untersucht.
Aus dem Urteil SDC in Slg. 1997, I-3017 kann deshalb nicht geschlossen werden, dass ein Kreditvermittler seine Leistungen auch an eine andere Person als eine Partei des (künftigen) Kreditvertrags erbringen kann.
Ende der Entscheidung
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