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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 22.07.2002
Aktenzeichen: V R 55/00
Rechtsgebiete: FGO, HGB
Vorschriften:
FGO § 65 | |
FGO § 124 Abs. 1 | |
FGO § 135 Abs. 2 | |
FGO § 65 Abs. 2 Satz 2 | |
HGB § 10 | |
HGB § 15 Abs. 2 Satz 1 |
Gründe:
I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) --einer GmbH-- als unzulässig ab, weil die Ausschlussfrist nach § 65 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) versäumt worden sei. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 65 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. 56 FGO) sei mangels Darlegung von Wiedereinsetzungsgründen nicht in Betracht gekommen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2000, 1270 veröffentlicht.
Mit der Revision, die am 11. September 2000 durch einen neuen Prozessbevollmächtigten eingelegt wurde, rügt die Klägerin der Sache nach eine Verletzung des § 65 FGO. Sie beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) bezweifelt die Zulässigkeit der Revision: Der gesetzliche Vertreter der Klägerin verliere mit der Löschung der Gesellschaft im Handelsregister seine Prozessfähigkeit, so dass er auch den jetzigen Prozessbevollmächtigten nicht wirksam bestellen könne.
II. Die Revision ist unzulässig und war daher zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).
Sie wurde durch einen von der Klägerin nicht wirksam bevollmächtigten Prozessvertreter eingelegt.
1. Nach § 124 Abs. 1 FGO prüft der Bundesfinanzhof --BFH-- (von Amts wegen), ob die Revision in der gesetzlichen Form eingelegt worden ist. Das Revisionsgericht kann bei der Aufklärung der Zulässigkeitsvoraussetzungen des Rechtsmittelverfahrens aus Gründen der Prozessökonomie nach den Grundsätzen des sog. Freibeweises verfahren (Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 9. Juli 1987 VII ZB 10/86, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1987, 2875, und BGH-Urteil vom 26. April 1990 VII ZR 218/89, NJW 1990, 3088 zu I., betreffend Prozessvollmacht).
2. Eine durch den erkennenden Senat eingeholte Auskunft des Handelsregisters ergab, dass die Klägerin --nach Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens-- bereits am ... Juli 2000 im Handelsregister gelöscht wurde und dass keine (Nachtrags-)Liquidatoren bestellt wurden.
3. Nach Löschung einer GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit (§ 141a Abs. 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit --FGG--) sind zu deren Vertretung nur die Liquidatoren befugt, die gemäß § 66 Abs. 5 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch das Gericht ernannt worden sind (vgl. BFH-Beschluss vom 28. März 2001 VII B 213/00, BFH/NV 2001, 1217, zu II. 2. b, und BGH-Urteile vom 18. April 1985 IX ZR 75/84, NJW 1985, 2479, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1986, 260, sowie vom 18. Januar 1994 XI ZR 95/93, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1994, 542, je betreffend § 2 des Löschungsgesetzes, m.w.N.).
Die am 11. September 2000 vom ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin in deren Namen erteilte Vollmacht für den jetzigen (neuen) Prozessvertreter ist demnach mangels Vertretungsmacht unwirksam (vgl. § 164 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches).
4. Die Entscheidung ergeht gegen die --nicht wirksam vertretene-- Klägerin (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 10. November 1966 V R 46/66, BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5, und vom 27. Juli 1983 II B 68/82, BFHE 138, 529, BStBl II 1983, 644). Daran ändert nichts, dass die Klägerin bereits vor Einlegung der Revision im Handelsregister gelöscht wurde, denn eine solche Löschung führt grundsätzlich nicht zum Verlust der Parteifähigkeit (vgl. BGH-Urteil in NJW-RR 1994, 542).
5. Die Kosten des Revisionsverfahrens waren dem Prozessvertreter der Klägerin aufzuerlegen.
Abweichend von der Regel des § 135 Abs. 2 FGO hat nach ständiger Rechtsprechung des BFH in Fällen vollmachtsloser Vertretung der vollmachtslose Vertreter die Kosten des unzulässigen Rechtsmittels zu tragen, wenn und weil er die erfolglose Prozessführung veranlasst hat (z.B. Beschlüsse in BFHE 87, 1, BStBl III 1967, 5, und vom 21. April 1999 VII B 313/98, BFH/NV 1999, 1358). Auch der BGH entscheidet über die Prozesskosten in solchen Fällen unwirksamer Bevollmächtigung nach diesem Veranlasserprinzip (Beschluss vom 22. Juli 1997 XI ZB 15/97, NJW-RR 1998, 63, m.w.N.).
Veranlasser kann der vollmachtslose Vertreter selbst oder ein anderer Verfahrensbeteiligter, aber auch die Partei sein. Der vollmachtslose Vertreter kommt als Veranlasser in der Regel dann in Betracht, wenn er den Mangel der Vollmacht kennt; nicht aber, wenn er hinsichtlich einer tatsächlich erteilten Vollmacht gutgläubig ist (BGH-Beschluss vom 4. März 1993 V ZB 5/93, BGHZ 121, 397, HFR 1993, 729).
Es kann dahinstehen, ob der Prozessvertreter die Unwirksamkeit seiner Prozessvollmacht kannte, denn diesbezüglich kann er jedenfalls nicht als gutgläubig angesehen werden: Die Löschung der GmbH von Amts wegen auf Grund Vermögenslosigkeit ist in das Handelsregister einzutragen (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 1 FGG) und nach § 10 des Handelsgesetzbuches (HGB) --anders als die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 32 Abs. 2 Satz 1 HGB)-- vom Registergericht bekanntzumachen. Dies rechtfertigt die Anwendung des Rechtsgedankens des § 15 Abs. 2 Satz 1 HGB (vgl. auch § 32 Abs. 2 Satz 2 HGB).
Demnach muss (auch) der Prozessvertreter die Löschung gegen sich gelten lassen, ist also so zu behandeln, als ob er von ihr Kenntnis gehabt hätte. Als Steuerberater muss er weiter die (prozess-)rechtlichen Folgen der Löschung der GmbH kennen, wenn er die Vertretung (vgl. § 33 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes) im Revisionsverfahren übernimmt.
Ende der Entscheidung
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