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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.11.2003
Aktenzeichen: V R 59/02
Rechtsgebiete: UStG 1991
Vorschriften:
UStG 1991 § 2 Abs. 1 |
Gründe:
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr 1991 Gesellschafter und/oder Geschäftsführer verschiedener Unternehmen, die sich mit der Errichtung und/oder dem Betrieb von Altenheimen und Kurkliniken befassten. Unter anderem war er zusammen mit seiner Tochter in der Rechtsform einer GbR Mitgesellschafter der H- und der D-Beteiligungs GmbH, die in Norddeutschland Kurkliniken betrieben. Darüber hinaus vermietete bzw. verpachtete er Eigentumswohnungen und eine Tennishalle umsatzsteuerpflichtig.
Mit Verträgen vom 30. Mai 1991 verkauften der Kläger und seine Tochter ihre Beteiligung an der H an die D und anschließend ihre Beteiligungen an der D an die Mitgesellschafter. Zuvor war mit Vertrag zwischen der D und dem Kläger vom 29. Mai 1991 Folgendes vereinbart worden:
"1. Herr ... verzichtet auf jedwede Ansprüche, die sich aus der Durchführung von klinischen Einrichtungen, die die D-Beteiligungs GmbH, ihre Gesellschafter sowie die Tochterunternehmen, insbesondere die Ostseebad ...-Gruppe, durchführen wird.
2. Herr ... verpflichtet sich, vom Zeitpunkt dieses Vertragsabschlusses an weder mittelbar noch unmittelbar für die Dauer von 5 Jahren in den norddeutschen Ländern ... klinische Einrichtungen zu errichten oder zu betreiben. Herr ... darf Konkurrenzunternehmen weder in eigenem oder fremdem Namen noch für eigene oder fremde Rechnung gründen und / oder betreiben, noch beratend tätig werden ...
3. Zur Abgeltung des Verzichts auf Beteiligung der in Anbahnung befindlichen Projekte und für die Wettbewerbsbeschränkungen von Herrn ... verpflichtet sich die D-Beteiligungs GmbH, an ihn einen Betrag von DM 8.000.000,-- zu zahlen ..."
Tatsächlich erfolgte die Zahlung ausschließlich für die Wettbewerbsbeschränkungen des Klägers; dies ist zwischen den Parteien unstreitig.
In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1991 war die am 31. Mai 1991 fällig gewordene Zahlung von 8 000 000 DM nicht erklärt worden, da der Kläger hierin eine nicht steuerbare Leistung sah.
Im Anschluss an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, die Unterlassung des Wettbewerbs sei eine der Umsatzsteuer unterliegende sonstige Leistung. Das FA erließ deshalb gegen den Kläger einen auf § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten Umsatzsteuer-Änderungsbescheid, in dem die steuerpflichtigen Umsätze um 7 017 544 DM (das sind 8 000 000 DM abzüglich darin enthaltene 14 %ige Umsatzsteuer in Höhe von 982 456 DM) erhöht wurden.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) bejahte mit dem FA einen steuerpflichtigen Umsatz im Rahmen des Unternehmens des Klägers; es meinte, entgegen den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Juli 1986 V R 41/76 (BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874) sei der Kläger mit der Unterlassung des Wettbewerbs nachhaltig tätig gewesen (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 271).
Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Revision.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid aufzuheben.
Das FA ist der Revision entgegengetreten.
II.
Die Revision ist unbegründet.
Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1991 (UStG) unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt.
1. Der Kläger hat in Erfüllung des vereinbarten Wettbewerbsverbots eine derartige sonstige Leistung erbracht. Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind; sie können auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustands bestehen (§ 3 Abs. 9 UStG). Dazu gehört gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG auch "der Verzicht, ganz oder teilweise eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit auszuüben".
2. Der Kläger hat den Verzicht auch im Rahmen seines Unternehmens geleistet.
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers, wobei nach § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG gewerblich oder beruflich jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ist.
Die nachhaltige Tätigkeit muss auf Dauer angelegt sein. Es muss eine auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Erzielung von Entgelten (im weitesten Sinne gewerbliche oder berufliche Tätigkeit) gegeben sein. Im Einzelfall ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend (BFH-Urteile vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776, und vom 24. November 1992 V R 8/89, BFHE 170, 275, BStBl II 1993, 379). Nach der Rechtsprechung des Senats kann dabei auch die Intensität des Tätigwerdens eine Rolle spielen (BFH-Urteile vom 30. Juli 1986 V R 41/76, BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874, und in BFHE 165, 116, BStBl II 1991, 776).
Im Streitfall kann die Nachhaltigkeit des Unterlassens des Wettbewerbs nicht mit der Begründung verneint werden, dass der Wettbewerbsverzicht keinen engen Zusammenhang mit der sonstigen unternehmerischen Betätigung des Klägers (Wohnraum- und Tennishallenvermietung) hatte, dass es sich nur um einen einmaligen Verzicht gehandelt hat und der Kläger nicht beabsichtigte, sich in weiteren Fällen gegen Vergütung einem Wettbewerbsverbot zu unterwerfen. Diese Gesichtspunkte sind nicht entscheidend.
Entscheidend ist, dass der Kläger auf die Dauer von fünf Jahren zum Unterlassen eines Wettbewerbs verpflichtet war und diese Leistung von wirtschaftlichem Gewicht war, was bereits durch die vereinbarte Vergütung belegt wird.
3. Die anderslautenden Grundsätze des Urteils in BFHE 147, 279, BStBl II 1986, 874 gelten für das Umsatzsteuergesetz 1991 nicht.
Es ist zum Umsatzsteuergesetz 1951 ergangen, das eine dem § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG 1991 entsprechende Vorschrift noch nicht kannte.
Das Umsatzsteuergesetz 1951 betraf die Allphasenbruttoumsatzsteuer. Demgegenüber betrifft das Umsatzsteuergesetz 1991 die Mehrwertsteuer; es ist richtlinienkonform auszulegen. Maßgebend für die Auslegung des § 2 UStG 1991 sind deshalb die Bestimmungen in Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Abs. 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.
Die in Abs. 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe; als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen erfasst. Letztlich ist die Frage, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser Bestimmung vorliegt, nach der Gesamtheit der Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Enkler, Slg. 1996, I-4517). Dafür, dass der entgeltliche Verzicht auf eine unternehmerische Betätigung eine wirtschaftliche Tätigkeit ist, spricht bereits der Umstand, dass ein derartiger Verzicht --wie auch im Streitfall-- prinzipiell nur gegenüber anderen Unternehmern erbracht wird (vgl. Stadie in Rau/ Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz (Mehrwertsteuer), Kommentar, 8. Aufl., § 2 Anm. 347). Hinzu kommt das bereits erwähnte wirtschaftliche Gewicht des Verzichts des Klägers. Nach der Rechtsprechung des EuGH erkennt Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG der Mehrwertsteuer einen sehr weiten Anwendungsbereich zu, der sämtliche Stadien der Erzeugung, des Handels und der Erbringung von Dienstleistungen erfasst (vgl. z.B. EuGH-Urteil vom 6. Februar 1997 Rs. C-80/95, Harnas & Helm, Slg. 1997, I-745, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 1997, 210 Rdnr. 13, m.w.N.). Demnach ist § 2 UStG 1991 ebenfalls weit auszulegen mit der Folge, dass die entgeltliche Unterlassung von Wettbewerb durch einen Steuerpflichtigen eine nachhaltige gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist.
4. Die Leistung des Klägers durch Unterlassung des Wettbewerbs ist zwar nicht nur im Streitjahr 1991, sondern auch in den Folgejahren bis zum Jahre 1996 erbracht worden. Nach der Vorentscheidung ist aber davon auszugehen, dass der Kläger das dafür vereinbarte Entgelt noch im Streitjahr 1991 vereinnahmt hat, so dass die Steuer für die gesamte Unterlassungsleistung in vollem Umfang bereits im Streitjahr entstanden ist (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG).
Ende der Entscheidung
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