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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 13.03.2008
Aktenzeichen: V R 70/06
Rechtsgebiete: UStG 1993, Richtlinie 77/388/EWG


Vorschriften:

UStG 1993 § 10 Abs. 1 Satz 1
UStG 1993 § 17 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a
Richtlinie 77/388/EWG Art. 11 Teil C Abs. 1

Entscheidung wurde am 20.08.2008 korrigiert: im Leitsatz muß es statt "Zusatzkonto" richtig "Zusatzskonto" heißen
Preisnachlässe, die eine Einkaufsgenossenschaft (Zentralregulierer) ihren Mitgliedern --zusätzlich zu dem von den Warenlieferanten an die Mitglieder eingeräumten Skonto-- für den Warenbezug gewährt ("Zusatzskonto"), mindern die Bemessungsgrundlage des Umsatzes der von der Einkaufsgenossenschaft gegenüber den Warenlieferanten erbrachten Leistungen (Zentralregulierung, Bürgschaftsübernahme etc.).

Fortführung des BFH-Urteils vom 12. Januar 2006 V R 3/04 (BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479).


Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer Genossenschaft das Zentralregulierungsgeschäft. Ihr sind als Mitglieder zahlreiche Fachhändler angeschlossen, für deren Warenbestellungen sie den gesamten Abrechnungs- und Zahlungsverkehr (sog. Zentralregulierung) einschließlich einer Bürgschaft übernimmt.

Die Rechtsbeziehungen zwischen Mitgliedern, Lieferanten und Klägerin gestalteten sich im Streitjahr (1995) wie folgt:

a) Verhältnis: Mitglieder - Lieferanten

Die Mitglieder bestellten die Waren unmittelbar bei den Lieferanten, die diese an die Mitglieder auslieferten. Die Rechnungen wurden auf den Namen der Mitglieder erstellt und über die Klägerin an die Mitglieder versandt, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, die Kaufpreisforderungen zentral zu regulieren.

b) Verhältnis: Klägerin - Lieferanten

Die Klägerin übernahm nach den vom Finanzgericht (FG) in Bezug genommenen sog. "Kooperationsverträgen" gegenüber den Lieferanten das Delkredere (selbstschuldnerische Bürgschaft) und die Zentralregulierung für die Aufträge ihrer Mitglieder sowie Maßnahmen zur Verkaufsförderung. Als Gegenleistung erhielt sie eine "Leistungs-Provision" in Höhe von 4 % des Warenpreises. Die Klägerin erteilte über ihre Leistungen den Lieferanten eine Rechnung in Höhe der vereinbarten Provision zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer. Die Rechnungen der Lieferanten bezahlte die Klägerin den Lieferanten vereinbarungsgemäß nach Abzug von 3 % Skonto.

c) Verhältnis: Klägerin - Mitglieder

Gegenüber ihren Mitgliedern verpflichtete sich die Klägerin, möglichst günstige Konditionen mit den Lieferanten auszuhandeln und das gesamte Abrechnungs- und Zahlungsgeschäft zu übernehmen. Hierfür zahlten die Mitglieder der Klägerin ein pauschales Monatsentgelt sowie einen umsatzbezogenen Verwaltungsbeitrag. Die Klägerin gab nicht nur das von den Warenlieferanten eingeräumte Skonto von 3 % an ihre Mitglieder, die Empfänger der Warenlieferungen, weiter, sondern gewährte diesen zusätzlich einen Preisnachlass von 1 % des Warenpreises. Die Mitglieder hatten danach nur einen um insgesamt 4 % geminderten Warenpreis zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen.

Die Klägerin behandelte die "Leistungs-Provision" von 4 % als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze. Die von den Lieferanten eingeräumten Skontobeträge in Höhe von 3 % berücksichtigte sie durch eine entsprechende "Vorsteuerkürzung" und die den Mitgliedern gewährten "Skontobeträge" von insgesamt 4 % (das weitergeleitete Lieferantenskonto und der von ihr zusätzlich gewährte Preisnachlass von 1 %) erklärte sie als "negativen Umsatz".

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung zunächst die Rechtsauffassung, dass die den Mitgliedern insgesamt eingeräumten Skontobeträge (4 %) bei der Klägerin lediglich durchlaufende Posten ohne umsatzsteuerrechtliche Auswirkung seien; dementsprechend erhöhte sich die Umsatzsteuer entsprechend dem von der Klägerin den Mitgliedern zusätzlich gewährten Preisnachlass von 1 % des Warenpreises (von den Beteiligten als "Skontounterschuss" bezeichnet). Daraus ergab sich eine Erhöhung der Umsatzsteuer um 28 648,20 DM (14 647,60 €).

Im Verlauf des Einspruchsverfahrens änderte das FA seine Rechtsauffassung und vertrat nunmehr die Meinung, bei der Gewährung des zusätzlichen "Skontobetrages" von 1 % durch die Klägerin an die Mitglieder handele es sich um die Gegenleistung für eine Leistung der Mitglieder an die Klägerin (Verpflichtung zur Abrechnung von Warenbestellungen über die Klägerin). Da die Mitglieder der Klägerin über diese Leistung jedoch keine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis erteilt hätten, sei insoweit --noch-- kein Vorsteuerabzug möglich.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage, mit der die Klägerin in richtlinienkonformer Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) begehrte, in den "Skontounterschüssen" negative Umsätze zu sehen, wies das FG aus den in "Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2006, 1620 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision bringt die Klägerin vor, bei zutreffender Würdigung der Leistungsbeziehungen ergebe sich, dass das von ihr gewährte "Zusatzskonto" von 1 % als Minderung ihrer Provision für ihre Leistungen an die Lieferanten (u.a. Delkredere) nach § 17 UStG berücksichtigt werden müsse.

Entgegen der Ansicht des FG und des FA hätten nicht ihre Mitglieder Leistungen an sie, die Klägerin, erbracht. Vielmehr erbringe sie selbst gegenüber ihren Mitgliedern durch die Zentralregulierung entgeltliche Leistungen an die Mitglieder.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils der Vorinstanz und der Einspruchsentscheidung vom 22. November 2005 die im Umsatzsteuerbescheid 1995 vom 10. September 2003 festgesetzte Umsatzsteuer von 1 773 645,97 € um 14 647,60 € auf 1 758 998,37 € herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Herabsetzung der Steuer (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), denn die Klägerin begehrt zu Recht die Minderung der Bemessungsgrundlage für ihre Leistungen an die Warenlieferanten aufgrund des ihren Mitgliedern gewährten zusätzlichen Preisnachlasses (§§ 10, 17 UStG).

1. Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen und sonstigen Leistungen nach dem Entgelt bemessen. Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, so hat der Unternehmer, der einen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 Nr. 1 UStG).

a) Die Klägerin hat als Einkaufsgenossenschaft gegenüber den Lieferanten sonstige Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) erbracht. Sie hat zugunsten der Lieferanten eine Bürgschaft für die Zahlungsverpflichtungen ihrer Mitglieder sowie die Zentralregulierung übernommen und Verkaufsförderungsaktionen der Lieferanten unterstützt. Als Gegenleistung hierfür erhielt sie die als steuerpflichtig behandelten Provisionen in Höhe von 4 % des Warenpreises (§§ 4 Nr. 8 Buchst. g, 9 Abs. 1 UStG).

Dass die Klägerin als Einkaufsgenossenschaft zugleich auch Leistungen an ihre Mitglieder erbrachte (s. unter II. 2.), steht dieser Beurteilung nicht entgegen.

b) Die Bemessungsgrundlage für die gegenüber den Warenlieferanten ausgeführten Umsätze der Klägerin hat sich geändert, weil die Klägerin deren Kunden, den Mitgliedern der Klägerin, einen zusätzlichen Preisnachlass von 1 % des Kaufpreises gewährt und sich hierdurch ihre Provision gemindert hat.

aa) Wie der Bundesfinanzhof (BFH) bereits im Zusammenhang mit der Vermittlungsprovision eines Reisebüros (Urteil vom 12. Januar 2006 V R 3/04, BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479) und eines Telefonvermittlers (Urteil vom 13. Juli 2006 V R 46/05, BFHE 214, 463, BStBl II 2007, 186) im Anschluss an die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- (Urteile vom 15. Oktober 2002 C-427/98, Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, und vom 24. Oktober 1996 C-317/94, Elida Gibbs, Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324 zu Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a und Teil C Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG --Richtlinie 77/388/EWG--) entschieden hat, ist es nicht erforderlich, dass ein Preisnachlass oder eine Preiserstattung vom leistenden Unternehmer an den Empfänger seiner Leistung gewährt werden muss, um sich entgeltmindernd nach den §§ 10, 17 UStG auszuwirken. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland in Slg. 2002, I-8315, BStBl II 2004, 328, und Elida Gibbs in Slg. 1996, I-5339, BStBl II 2004, 324) ist der Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer innerhalb der Unternehmerkette --ggf. einschließlich etwaiger Vermittlungsstufen-- zu beachten. Erstattet deshalb z.B. der erste Unternehmer in einer Leistungskette dem Endverbraucher einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz des ersten Unternehmers an den ersten Abnehmer in der Leistungskette. Der erste Unternehmer hat deshalb den für seinen Umsatz geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Gleiches gilt, wenn der erste Unternehmer in der Kette nicht dem Endverbraucher, sondern einem Zwischenhändler den Preisnachlass gewährt. Beim Empfänger des Preisnachlasses mindert sich allerdings auch im entsprechenden Umfang der Vorsteuerabzug bzw. ist im entsprechenden Umfang zu berichtigen (§ 17 Abs. 1 UStG).

bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall vermindert sich die Bemessungsgrundlage für die Leistung der Klägerin an die Warenlieferanten (Delkredere und Zentralregulierung). Die Provision in Höhe von 4 % der Warenpreise vermindert sich um den zusätzlich den Mitgliedern für den Bezug der Waren gewährten Preisnachlass in Höhe von 1 %. Die Rechnung der Klägerin an die Warenlieferanten wird durch diese Änderung der Bemessungsgrundlage (bei der Klägerin) nicht unrichtig, so dass sie die Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 2 UStG (jetzt: § 14c UStG 2005) schulden würde (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 69, BStBl II 2006, 479, unter II. 2.).

cc) Bemessungsgrundlage für die Umsätze der Lieferanten an ihre Kunden (die Mitglieder der Klägerin) ist der um das Skonto von 3 % geminderte Kaufpreis. Den Kunden steht der Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Lieferanten jedoch nur vermindert um das Lieferantenskonto von 3 % und den zusätzlich von der Klägerin eingeräumten Preisnachlass von 1 %, also insgesamt vermindert um 4 % zu. Dass der zusätzliche Preisnachlass von 1 % nicht in der unmittelbaren Leistungsbeziehung zwischen den Warenlieferanten und deren Kunden, den Mitgliedern der Klägerin, sondern von einem anderen Unternehmer in der Vorstufe, der Klägerin, gewährt wird, ist, wie unter II. 1. b aa ausgeführt, nicht entscheidend.

dd) Im Gesamtergebnis wirkt sich die Behandlung in der Unternehmerkette neutral aus und das FA erhält schließlich die Umsatzsteuer, die beim Weiterverkauf der an die Mitglieder der Klägerin (Zwischenhändler) gelieferten Waren an Endkunden enthalten ist.

2. Aus den vorstehend genannten Gründen folgt der Senat nicht der Auffassung des FG und des FA, der von der Klägerin ihren Mitgliedern gewährte zusätzliche Preisnachlass sei Entgelt für eine Leistung der Mitglieder an die Klägerin, nämlich dafür, dass die Mitglieder ihre Bestellungen bei den Warenlieferanten über die Klägerin abrechnen (im Ergebnis bereits BFH-Urteil vom 24. Februar 1966 V 77/63, BFHE 85, 553, BStBl III 1966, 471). Dies verdreht die tatsächliche Leistungsbeziehung. Vorliegend ist es die Klägerin, die als Einkaufsgenossenschaft eine Leistung an ihre Mitglieder erbringt --die Förderung des Erwerbs oder der Wirtschaft ihrer Mitglieder durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb (vgl. § 1 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften)-- und hierfür als Gegenleistung monatliche Mitgliedsbeiträge sowie eine umsatzabhängige Verwaltungsprovision erhält (§ 9 der vom FG in Bezug genommenen "Geschäftsbedingungen der Klägerin").

Danach waren das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Minderung der Bemessungsgrundlage für die Leistungen der Klägerin an die Warenlieferanten durch antragsgemäße Herabsetzung der Umsatzsteuer für 1995 zu berücksichtigen.

Ende der Entscheidung

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