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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.08.1998
Aktenzeichen: V R 73/97
Rechtsgebiete: UStG 1980, Richtlinie 77/388/EWG, UStR
Vorschriften:
UStG 1980 § 4 Nr. 21 Buchst. b | |
UStG 1980 § 4 Nr. 22 Buchst. a | |
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i, j | |
UStR Abschn. 112a |
Die Vortragstätigkeit als freier Mitarbeiter von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Verbänden und Unternehmensberatungsgesellschaften im Bereich der Ausbildung, Fortbildung und beruflichen Umschulung ist umsatzsteuerpflichtig.
UStG 1980 § 4 Nr. 21 Buchst. b, § 4 Nr. 22 Buchst. a Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i, j UStR Abschn. 112a
Urteil vom 27. August 1998 - V R 73/97 -
Vorinstanz: FG Düsseldorf
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Rechtsanwalt und Diplom-Kaufmann, war in den Streitjahren (1988 und 1989) freiberuflich als Referent für Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Verbände und eine Unternehmensberatungsgesellschaft tätig. Seine Vorträge im Rahmen der von diesen Institutionen veranstalteten Seminare, Lehrgänge oder Vortragsreihen behandelten Themen der GmbH-Geschäftsführung, Unternehmensführung und -beurteilung, Verhandlungstechnik, des Finanzmanagements sowie der Unterrichtung über kaufmännisch relevante Rechtsgebiete. Ihm wurde u.a. von der zuständigen Landesbehörde bescheinigt, daß bestimmte von ihm gehaltene Vorträge auf einen Beruf oder auf eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
In den Steuererklärungen für die Streitjahre behandelte der Kläger einen Teil seiner Umsätze als steuerfrei gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG). Nach einer Betriebsprüfung unterwarf der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Umsätze in voller Höhe der Steuer. Er war --und ist-- der Auffassung, nach Abschn. 112a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) gehörten zu den Unternehmern, deren Leistungen unter die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG fallen könnten, zwar auch einzelne Personen, die als freie Mitarbeiter an Schulen, Hochschulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilten. Eine Unterrichtstätigkeit liege aber nur vor, wenn Kenntnisse im Rahmen festliegender Lehrprogramme und -pläne vermittelt würden. Die Tätigkeit müsse regelmäßig und für eine gewisse Dauer ausgeübt werden; einzelne Vorträge, wie diejenigen des Klägers, fielen nach Abschn. 112a Abs. 1 Satz 4 UStR nicht unter die Steuerbefreiung.
Einspruch und Klage waren erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im wesentlichen aus: Der Kläger gehöre nicht zum Kreis der von § 4 Nr. 21 UStG begünstigten Unternehmer. Denn danach seien nur private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen --genauer: deren Träger-- mit ihren Leistungen steuerbefreit. Abschn. 112a UStR, der die Steuerbegünstigung auf freie Mitarbeiter erstrecke, enthalte eine rechtlich unvertretbare Auslegung des § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG. Auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG), wonach die Mitgliedstaaten den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht von der Steuer befreiten, könne sich der Kläger nicht berufen. Denn der Kläger übe seine Vortragstätigkeit nicht an Schulen oder Hochschulen aus. Wie er selbst darlege, befaßten sich die Institutionen, bei denen er seine Vorträge gehalten habe, mit Ausbildung, Fortbildung und beruflicher Umschulung der Interessenten gerade außerhalb des normalen und üblichen Schul- oder Hochschulbetriebs.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG. Er beruft sich auf Abschn. 112a UStR und meint, die danach erforderlichen Voraussetzungen seien im Streitfall erfüllt. Er habe insbesondere seine Kenntnisse im Rahmen festliegender Lehrprogramme und Lehrpläne vermittelt und seine Vortragstätigkeit regelmäßig und für eine gewisse Dauer ausgeübt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Umsatzsteuer für 1988 um 2 745,18 DM und für 1989 um 1 975,79 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Vortragsleistungen des Klägers nicht steuerfrei sind.
1. Der Kläger hat durch seine Vortragstätigkeit gegenüber den Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Verbänden und einer Unternehmensberatungsgesellschaft in den Streitjahren sonstige Leistungen erbracht, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG der Umsatzsteuer unterliegen.
2. Die Leistungen des Klägers sind nicht nach § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG von der Steuer befreit.
a) Nach dieser Vorschrift sind steuerfrei die unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dienenden Leistungen privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, daß sie auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereiten.
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. § 4 Nr. 21 Buchst. b UStG begünstigt --wie das FG zutreffend ausgeführt hat-- nur die Träger privater Schulen und anderer allgemeinbildender oder berufsbildender Einrichtungen, nicht aber freie Mitarbeiter, die an diesen Schulen oder ähnlichen Bildungseinrichtungen Unterricht erteilen.
Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und aus deren Entstehungsgeschichte (vgl. dazu Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 21 Rz. 1 bis 3), wonach Leistungen freier Mitarbeiter von § 4 Nr. 21 UStG nicht erfaßt werden sollten. Bestätigt wird diese Auslegung durch den Zweck der Steuerbefreiung, die nicht nur die schulische und berufliche Aus- und Fortbildung fördern, sondern zugleich eine gleichmäßige umsatzsteuerliche Behandlung der privaten und der öffentlichen Schulen herbeiführen soll, da die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterhaltenen Schulen gemäß § 2 Abs. 3 UStG nicht der Umsatzsteuer unterliegen (vgl. Hartmann/Metzenmacher, a.a.O., Rz. 4).
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten von der Steuer zwar
- die Erziehung von Kindern und Jugendlichen, den Schul- oder Hochschulunterricht, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung sowie die damit eng verbundenen Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, oder andere Einrichtungen mit von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannter vergleichbarer Zielsetzung (Buchst. i) sowie
- den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht (Buchst. j).
Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG findet im Streitfall aber keine Anwendung, denn der in dieser Vorschrift verwendete Begriff der "Einrichtung" ist auf juristische Personen beschränkt und erfaßt nicht natürliche Personen wie den Kläger (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 11. August 1995 Rs. C-453/93, Bulthuis-Griffioen, Slg. 1995, I-2341, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 1995, 476, Rdnr. 20). Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG ist vom nationalen Gesetzgeber nicht umgesetzt worden (vgl. Weymüller in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 21 Rz. 3; Handzik in Offerhaus/Söhn/Lange, Umsatzsteuer, § 4 Nr. 21 UStG Rz. 6; Ammann, UR 1992, 116 ff.).
3. Unmittelbar auf Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG kann sich der Kläger nicht mit Erfolg berufen.
Die Vorschrift läßt die Umsatzsteuerbefreiung des von Privatlehrern gehaltenen Unterrichts nur zu, wenn dieser Unterricht an einer Schule oder an einer Hochschule erteilt wird, bzw. wenn er, gemessen an seinen Anforderungen, dem Unterricht entspricht, der üblicherweise an einer Schule oder an einer Hochschule erteilt wird (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Juni 1998 XI R 68/97, unter II. 3.). Dies folgt aus der gebotenen engen Auslegung der Vorschrift (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 XI R 68/97, a.a.O.) und daraus, daß Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG die Steuerbefreiung ausdrücklich nur für den von Privatlehrern erteilten "Schul- und Hochschulunterricht" anordnet, die ferner in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten Tätigkeiten (Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die Ausbildung, die Fortbildung oder die berufliche Umschulung) aber gerade nicht aufgreift.
Die von dem Kläger gehaltenen Vorträge erfüllen diese Voraussetzung nicht. Die Institutionen, an denen er die in Rede stehenden Vorträge gehalten hat, sind keine Schulen oder Hochschulen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hat der Kläger selbst vorgetragen, daß sich diese Institutionen mit Ausbildung, Fortbildung und beruflicher Umschulung der Interessenten gerade außerhalb des normalen und üblichen Schul- oder Hochschulbetriebs befassen. Dies steht im Einklang mit den vom Kläger im Revisionsverfahren vorgelegten Unterlagen.
4. Abschn. 112a UStR vermag das Begehren des Klägers schon deshalb nicht zu stützen, weil --wie dargelegt-- diese Verwaltungsregelung im Umsatzsteuergesetz keine Grundlage hat (vgl. auch Weymüller, a.a.O., Rz. 19), und weil sie ferner Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. j der Richtlinie 77/388/EWG nicht entspricht, soweit sie nicht nur den von Privatlehrern erteilten Schul- und Hochschulunterricht begünstigt.
5. Schließlich scheidet auch eine Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG aus. Danach sind steuerfrei die Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art, die von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, von Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien, von Volkshochschulen oder von Einrichtungen, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen, durchgeführt werden, wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Unkosten verwendet werden.
Die Vorschrift befreit ausschließlich die im Gesetz aufgeführten Unternehmer. Natürliche Personen werden durch sie nicht begünstigt (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 1998 XI R 68/97, unter II. 1.).
Ende der Entscheidung
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