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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 27.11.1997
Aktenzeichen: V R 78/93
Rechtsgebiete: UStG
Vorschriften:
UStG 1980 § 24 Abs. 2 Satz 2 |
Eine Brennerei kann nur dann als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb anerkannt werden, wenn darin überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe verarbeitet werden.
UStG 1980 § 24 Abs. 2 Satz 2
Urteil vom 27. November 1997 - V R 78/93
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz (EFG 1993, 815)
Gründe
I.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt seit 1966 einen Weinbaubetrieb und seit 1972 eine sog. Abfindungsbrennerei. Dabei handelt es sich um eine Kleinbrennerei i.S. des § 34 des Branntweinmonopolgesetzes (BranntwMonG), in der nur eine bestimmte Menge Weingeist im Betriebsjahr hergestellt werden darf.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah die Brennerei zunächst erklärungsgemäß als landwirtschaftlichen Nebenbetrieb an und veranlagte den Kläger mit seinen Umsätzen aus dem Weinbaubetrieb und aus der Brennerei nach Durchschnittsätzen gemäß § 24 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980). Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erließ das FA für die Jahre 1982 bis 1984 (Streitjahre) geänderte Umsatzsteuerbescheide, in denen es die --geschätzten-- Umsätze aus der Brennerei nach den allgemeinen Vorschriften des UStG 1980 besteuerte, weil die Brennerei nicht als Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980, sondern als selbständiger Gewerbebetrieb anzusehen sei. Im Rahmen der Betriebsprüfung war festgestellt worden, daß der Kläger seit dem Brennjahr 1977/78 überwiegend Obst für fremde Unternehmer (sog. Stoffbesitzer) gebrannt hatte. In den Streitjahren war von der Gesamtproduktion nur ein Anteil von 18 % (Brennjahr 1982/83), 35 % (Brennjahr 1983/84) und 32 % (Brennjahr 1984/85) auf Weingeist entfallen, den der Kläger aus eigenen Stoffen hergestellt hatte. Darin enthalten war von fremden Dritten zugekauftes Obst. Als Entgelt für das Brennen des Obstes der Stoffbesitzer hatte der Kläger neben dem Übergabegeld der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMonV) einen Teil des gebrannten Alkohols als Naturalbrennlohn erhalten.
Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren gegen die Änderungsbescheide erhobenen Klage statt. Es führte zur Begründung seines --in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1993, 815 teilweise abgedruckten-- Urteils im wesentlichen aus: Es handele sich im Streitfall um einen (an sich) land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb mit einem (an sich) gewerblichen Nebenbetrieb, der insgesamt als einheitlicher landwirtschaftlicher Betrieb zu würdigen sei. In der Brennerei würden u.a. die in dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb erzeugten Stoffe gebrannt. Die Verwertung der eigenen Ernte in der Brennerei diene ohne Zweifel der Förderung des land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetriebes. Die Verbindung zwischen den beiden Betrieben sei nicht zufällig. Die Betriebe seien nicht wie zwei Fremdbetriebe geführt worden, sondern wie ein gemeinsamer, denn sie seien ineinander verwoben. Es liege keine zufällige Verbindung zwischen ihnen vor, die nur vorübergehend und ohne Nachteile für das Gesamtunternehmen lösbar sei. Das ergebe sich auch daraus, daß es dem Kläger nicht möglich sei, die Betriebsausgaben zwischen dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb und dem Nebenbetrieb zu trennen.
Der Bundesfinanzhof (BFH) gehe in seinem Urteil vom 27. November 1980 IV R 31/76 (BFHE 131, 555, BStBl II 1981, 518) zwar davon aus, daß in der Regel ein einheitlicher Betrieb anzunehmen sei, wenn mehr als 40 % der Erzeugnisse der Land- und Forstwirtschaft in dem Nebenbetrieb verarbeitet würden. Die Betriebseinheit könne durch eine enge Verbindung indes auch bei einem geringeren Anteil hergestellt werden. Allerdings müsse dann der Anteil der eigenen Erzeugnisse an den im Betrieb verarbeiteten (eingesetzten) Mengen einen bedeutenden Umfang haben. Dies sei der Fall, weil der Kläger in den Wirtschaftsjahren 1982/83 bis 1984/85 jeweils 18 %, 35 % bzw. 32 % eigene Stoffe in der Brennerei gebrannt habe.
Der mithin einheitliche Betrieb stelle einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb dar, weil der Umsatz der für fremde Stoffbesitzer gebrannten Stoffe in den Streitjahren nicht über 30 % des jeweiligen Gesamtumsatzes gestiegen sei.
Der Kläger sei entgegen seinem Vorbringen allein und nicht zusammen mit seiner Ehefrau Unternehmer sowohl des landwirtschaftlichen Betriebes als auch des Nebenbetriebes, weil er alleine nach außen hin als Unternehmer aufgetreten sei.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980. Es führt im wesentlichen aus: Da in der Brennerei, in der nur Obst gebrannt worden sei, nur ein geringer Anteil der Erzeugnisse des Hauptbetriebes verarbeitet worden sei und zudem die eingesetzte Obstmenge ganz überwiegend von fremden Stoffbesitzern stamme (65 bis 82 %) --bei sachgerechter Würdigung des unstreitigen Tatbestandes sogar 65 % bis 100 %-- sei die Brennerei bei Anwendung der durch die Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze als selbständiger Gewerbebetrieb zu würdigen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet abzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet. Das FG ist von den vom BFH entwickelten Grundsätzen zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb anerkannt werden kann, abgewichen. Der Senat kann wegen des deshalb unvollständig aufgeklärten Sachverhalts nicht abschließend entscheiden, so daß die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen ist (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 kommt die Durchschnittsatzbesteuerung nur für im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ausgeführte Umsätze in Betracht. Als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb gilt nach § 24 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG 1980 auch der Weinbau. Darunter ist die Gewinnung von Weintrauben durch Bodenbewirtschaftung einschließlich der Verarbeitung der Trauben zu Wein zu verstehen (vgl. BFH-Urteile vom 27. Februar 1987 III R 270/83, BFH/NV 1988, 85, und vom 11. Oktober 1988 VIII R 419/83, BFHE 155, 298, BStBl II 1989, 284). Zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gehören nach § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 auch die Nebenbetriebe, die dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sind.
a) Ob ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 vorliegt, ist nach den Grundsätzen zu entscheiden, die auch für die Einkommensteuer und Gewerbesteuer (vgl. § 13 Abs. 2 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes --EStG--) und für das Bewertungsrecht (vgl. § 42 des Bewertungsgesetzes --BewG--) maßgebend sind (vgl. BFH-Urteil vom 12. Januar 1989 V R 129/84, BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432; BFH-Beschluß vom 15. Oktober 1993 V B 72/93, BFH/NV 1994, 666; BFH-Urteil vom 12. Dezember 1996 IV R 78/95, BFHE 182, 155, BStBl II 1997, 427). Danach können folgende Beurteilungsergebnisse gerechtfertigt sein (vgl. BFH in BFHE 156, 281, BStBl II 1989, 432 unter 1. b):
- Betätigt sich eine natürliche Person teils im Rahmen eines Gewerbebetriebes und teils in einem landwirtschaftlichen Betrieb, ohne daß zwischen den beiden Betrieben wirtschaftliche Beziehungen bestehen, so sind der Gewerbebetrieb einerseits und der landwirtschaftliche Betrieb andererseits steuerrechtlich getrennt zu beurteilen.
- Beim Vorhandensein wirtschaftlicher Verbindungen zwischen beiden Betrieben ist ebenfalls eine getrennte steuerrechtliche Beurteilung geboten, wenn die Verbindung zwischen den beiden Betrieben zufällig, vorübergehend und ohne Nachteile für das Gesamtunternehmen lösbar ist.
- Geht die wirtschaftliche Verbindung zwischen den beiden Betrieben über das soeben genannte Maß hinaus und ist sie planmäßig im Interesse des Hauptbetriebes gewollt, so daß die eine Art der Betätigung der anderen zu dienen bestimmt ist und die Betätigung insgesamt auch nach der Verkehrsauffassung als Einheit erscheint, so liegt ein einheitlicher Betrieb vor. Dieser ist entweder ein landwirtschaftlicher Betrieb mit einem gewerblichen Nebenbetrieb, der insgesamt als einheitlicher landwirtschaftlicher Betrieb zu würdigen ist, oder ein gewerblicher Betrieb mit einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb, der insgesamt als einheitlicher Gewerbebetrieb anzusehen ist. Ob das eine oder das andere zutrifft, hängt davon ab, ob die landwirtschaftliche oder die gewerbliche Betätigung dem eigentlichen Betrieb das Gepräge gibt. Maßgebend sind hierbei die Verhältnisse mehrerer Jahre.
b) Das FG ist zwar von diesen Grundsätzen ausgegangen, hat aber nicht beachtet, daß ein dem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmter Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 nur dann vorliegt, wenn der Nebenbetrieb auf den Zweck des Hauptbetriebes "ausgerichtet" und wenn er von untergeordneter Bedeutung ("Neben"-betrieb) ist (vgl. BFH-Urteil vom 16. Juli 1987 V R 22/78, BFHE 151, 204, BStBl II 1988, 83, unter 3. d).
aa) Danach ist eine Brennerei nur dann ein landwirtschaftlicher Nebenbetrieb, wenn in ihr überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe verarbeitet werden (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 3. Juli 1930 III A 245/29, RStBl 1930, 541; Gleichlautende Erlasse --Entschließung-- der obersten Finanzbehörden der Länder vom 15. Juni 1971, BStBl I 1971, 324, unter II. 1 a; R 135 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1996). Erreicht die Verarbeitung eigener Rohstoffe diesen Umfang nicht, wird der wirtschaftliche Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Betrieb und Brennerei gelöst; diese hat ihre Produktionsgrundlage in der Hauptsache nicht mehr in dem landwirtschaftlichen Hauptbetrieb (vgl. BFH-Urteil vom 7. März 1957 IV 447/55 U, BFHE 64, 441, 449, BStBl III 1957, 165).
Diese Abgrenzung steht im Einklang mit der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Nach Art. 25 Abs. 2 i.V.m. Anhang A V. Richtlinie 77/388/EWG gelten als landwirtschaftliche Erzeugung auch Verarbeitungstätigkeiten, die ein Landwirt "bei im wesentlichen aus seiner landwirtschaftlichen Produktion stammenden Erzeugnissen" mit normalerweise in land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben verwendeten Mitteln ausübt.
bb) Im Streitfall hat der Kläger in der Brennerei in den Streitjahren (und davor) nicht überwiegend im eigenen Hauptbetrieb erzeugte Rohstoffe verarbeitet. Er hat ganz überwiegend für fremde Unternehmer gebrannt. Der Anteil an eigenen Stoffen betrug im streitigen Zeitraum nur 18 %, 35 % bzw. 32 %, wobei darin noch zugekauftes Obst enthalten war.
Deswegen konnte das FG im Streitfall nicht zu dem Ergebnis kommen, die Brennerei sei als landwirtschaftlicher Nebenbetrieb i.S. des § 24 Abs. 2 Satz 2 UStG 1980 anzusehen. Soweit es dies mit der --in der Revisionserwiderung aufgegriffenen-- Erwägung begründet hat, dem Kläger sei eine Trennung der Betriebsausgaben zwischen dem Weinbaubetrieb und der Brennerei nicht möglich gewesen, ist dies für die Frage, ob ein dem Hauptbetrieb dienender Nebenbetrieb vorliegt, nach der vorstehend dargestellten Rechtsprechung unerheblich.
cc) Da sich sowohl das FG als auch das FA in der Revisionsbegründung auf das BFH-Urteil in BFHE 131, 555, BStBl II 1981, 518 bezogen haben, weist der Senat klarstellend darauf hin, daß diese Entscheidung im Streitfall nicht einschlägig ist. Nach diesem Urteil ist für den Fall, daß ein Steuerpflichtiger, der eine Landwirtschaft oder Gärtnerei betreibt und einen Teil seiner Erzeugnisse im eigenen Ladengeschäft umsetzt, in der Regel ein einheitlicher Betrieb anzunehmen, wenn mehr als 40 % der Erzeugnisse der Gärtnerei im Durchschnitt der Jahre im eigenen Ladengeschäft des Steuerpflichtigen umgesetzt wurden und dieses mit der Gärtnerei wirtschaftlich eng verbunden ist. Diese Rechtsprechung betrifft ein Ladengeschäft (vgl. dazu R 135 Abs. 6 EStR 1996), nicht aber einen Verarbeitungsbetrieb (Brennerei). Abgesehen davon ist im Streitfall auch diese 40 %-Grenze nicht erreicht.
2. Der Senat kann nicht durcherkennen. Das FG hat --von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen dazu getroffen, ob die vom FA in den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Umsätze und abziehbaren Vorsteuerbeträge zutreffend sind, was der Kläger mit seiner Klage hilfsweise bestritten hatte.
Ende der Entscheidung
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