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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.05.1998
Aktenzeichen: V R 78/97
Rechtsgebiete: AO 1977, FGO
Vorschriften:
AO 1977 § 42 | |
FGO § 126 Abs. 3 Satz 2 | |
FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 | |
FGO § 120 Abs. 2 Satz 2 | |
FGO § 126 Abs. 4 |
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betreibt eine Weinkommission mit Faßwein. Gesellschafter der KG sind die A-GmbH als Komplementärin und B als Kommanditist. Letzterer ist auch alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH.
Die Klägerin kauft im eigenen Namen Faßwein von den Winzern bzw. Unterkommissionären an und verkauft ihn im eigenen Namen an Kellereien weiter. Sie erhält dafür Provisionen sowohl von den Anbietern als auch von den Abnehmern.
Die Beigeladene, die Ehefrau des Kommanditisten, ist bei der Klägerin als Bürokraft beschäftigt. Daneben betrieb die Beigeladene laut Gewerbeanmeldung in den Streitjahren einen Groß- und Einzelhandel mit Wein, alkoholischen und alkoholfreien Getränken. Die Tätigkeit beschränkte sich darauf, von der Klägerin Kommissionswein anzukaufen und diesen zu einem (in der Regel) höheren Preis an die Klägerin zurückzuverkaufen. Provisionen erhielt sie dafür nicht.
Im Anschluß an eine Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, es liege kein eigenständiger Gewerbebetrieb der Beigeladenen vor. Die von ihr erklärten Umsätze und Gewinne seien vielmehr der Klägerin zuzurechnen. Er erließ daraufhin geänderte Umsatzsteuer-, Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheide sowie geänderte Einheitswertbescheide über das Betriebsvermögen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte 1998, 209). Es vertrat im wesentlichen die Ansicht, daß mit den An- und Verkäufen durch die Beigeladene alle Merkmale einer selbständigen unternehmerischen Betätigung und auch eines Gewerbebetriebs erfüllt seien. Dafür sei in Abgrenzung vom Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Juli 1987 X R 19/80 (BFHE 150, 459, BStBl II 1987, 746) vor allem entscheidend, daß die Klägerin bei diesen Geschäften weisungsfrei und ausschließlich im eigenen Interesse und mit Unternehmerrisiko gehandelt habe. Das FG führte insoweit aus: "Nach Auffassung des Senats steht aufgrund der Schilderung des Ablaufs dieser Geschäfte und der Vorlage von beispielhaften Rechnungen fest, daß die Beigeladene im eigenen Namen und auch auf eigene Rechnung tätig wurde ... ." Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. von § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) liege nicht vor, da es für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe gebe: Die aufgrund der Schwankungen bei den Tagespreisen für Faßwein sich ergebenden Gewinne sollten nach dem Willen der Klägerin nicht Fremden zugute kommen, sondern einer dem Gesellschafter der Klägerin nahestehenden Person, nämlich der Beigeladenen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und sachlichen Rechts.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Annahme des FG, die Beigeladene sei nicht in das Unternehmen der Klägerin eingegliedert gewesen, wird nicht durch den gesamten festgestellten Sachverhalt gestützt (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Das FG hat bei der Prüfung der Frage, ob die Beigeladene selbständig war und der Klägerin Wein geliefert hat, gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO verstoßen. Diesen Verfahrensfehler hat das FA unter eingehender Bezeichnung der Tatsache ordnungsgemäß gerügt (§ 120 Abs. 2 Satz 2 FGO). Es ist nicht ausgeschlossen, daß die Vorentscheidung bei Würdigung des gesamten Akteninhalts aufgrund des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG anders ausgefallen wäre.
Das FG hat der Klage deshalb stattgegeben, weil es u.a. aufgrund der "Vorlage von beispielhaften Rechnungen" davon überzeugt war, daß die Beigeladene im eigenen Namen und auch auf eigene Rechnung tätig geworden ist. Wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt, sind diese Rechnungen in einem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des FG nur zur Einsichtnahme vorgelegt worden und nicht zu den Gerichtsakten gelangt.
Wegen des Grundsatzes der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (vgl. dazu Koch in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 81 Rz. 7) konnten zulässigerweise nur jene Rechnungskopien zur Grundlage der Entscheidung des Vollsenats gemacht werden, welche nach der Vorlage im Erörterungstermin zur Gerichtsakte gegeben wurden und damit in der mündlichen Verhandlung präsent waren. Dabei handelt es sich ausschließlich um Rechnungen, die nicht die Streitjahre, sondern die Jahre 1988 bis 1990 betreffen. Sie erlauben aber keine Rückschlüsse auf das "Ob" und den Umfang einer unternehmerischen Betätigung der Beigeladenen in den Streitjahren.
2. Da schon die Verletzung des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, braucht der Senat nicht darauf einzugehen, ob die angefochtene Entscheidung weitere Rechtsverstöße enthält.
3. Die Vorschrift des § 126 Abs. 4 FGO findet im Streitfall keine Anwendung. Der Senat kann mangels hinreichender Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob sich dessen Entscheidung mit einer vom Verfahrensmangel unabhängigen Begründung rechtfertigen läßt.
Ende der Entscheidung
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