Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.12.2001
Aktenzeichen: V R 81/99
Rechtsgebiete: UStG 1993


Vorschriften:

UStG 1993 § 1 Abs. 1 Nr. 1
UStG 1993 § 10 Abs. 1 Satz 2
UStG 1993 § 10 Abs. 1 Satz 3
1. Ein Unternehmer, der die einer Gemeinde nach Landesrecht obliegende Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung einschließlich der Errichtung der dafür benötigten Bauwerke übernimmt und dafür u.a. einen vertraglichen Anspruch auf die Förderungsmittel erlangt, die der Gemeinde zustehen, erbringt eine steuerbare Leistung an die Gemeinde.

2. Ein für Rechnung der Gemeinde vom Land an den Unternehmer gezahlter Investitionszuschuss für die Errichtung einer Kläranlage ist Entgelt (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993) und kein echter Zuschuss.


Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eine Zuwendung im Zusammenhang mit dem Bau einer Kläranlage zur Abwasserbeseitigung umsatzsteuerlich als Entgelt für einen steuerpflichtigen Umsatz oder als einen nicht der Besteuerung unterworfenen echten Zuschuss erhalten hat.

Die Klägerin ist ein regionales Abwasserentsorgungsunternehmen in der Rechtsform einer GmbH, dessen Stammkapital zu 51 v.H. von der Gemeinde F (Gemeinde) und in Höhe von 49 v.H. von der B-GmbH gehalten wird.

Zugleich mit der notariellen Beurkundung des Gründungsvertrages am 6. Januar 1995 schloss die Klägerin mit der Gemeinde einen Entsorgungsvertrag (EV). Darin übernahm sie die grundsätzlich der Gemeinde gemäß § 31 des Landeswassergesetzes (LWG) Schleswig-Holstein in der Fassung vom 7. Februar 1992 (Gesetz- und Verordnungsblatt --GVBl-- für Schleswig-Holstein 1992, 82) obliegende Aufgabe der Abwasserbeseitigung (§ 1 Abs. 1 EV). Die Klägerin war verpflichtet, die dafür erforderlichen Baumaßnahmen durchzuführen und zu finanzieren (§ 3 Abs. 1 EV). In dem EV, in dem die Klägerin als Entsorger und die Gemeinde als Kommune bezeichnet werden, war außerdem vereinbart:

"§ 5 EV

(1) Der Entsorger finanziert die erforderlichen Investitionen im Rahmen der Erfüllung seiner Pflichten aus dem Vertrag selbst.

(2) Die Kommune fördert die Investitionen des Entsorgers in dem Umfang, in dem sie selbst Förderungsmittel erhält. ...

§ 6 EV

(1) Die Kommune zahlt dem Entsorger für die Beseitigung ihrer den Anlagen zugeleiteten Abwässer, Fäkalschlamm und Kanalsedimenten ein vereinbartes Entgelt. Dieses Entgelt umfasst alle Aufwendungen, welche dem Entsorger durch die Pacht, den Betrieb der Anlagen, die Entsorgung und sonstige Maßnahmen zur Erfüllung der gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen entstehen, sowie die Aufwendungen für Planungskosten und die Errichtung von Bauwerken einschl. Ingenieurhonorar nebst einer angemessenen Kapitalverzinsung."

Die Klägerin entsorgte Abwasser der Gemeinde im streitigen Besteuerungszeitraum November 1996 u.a. in den von der Gemeinde gepachteten Altanlagen sowie einer neu hergestellten Anlage.

Mit Bewilligungsbescheid vom 13. September 1996 sagte das Amt für Land- und Wasserwirtschaft der Klägerin eine Zuwendung aus Mitteln des Landeshaushalts (Einzelplan des Ministeriums für Umwelt, Natur und Forsten) von rund 2 Mio. DM für den Neubau einer Kläranlage in der Gemeinde zu. Die Mittel stammten aus dem Aufkommen der Abwasserabgabe für Maßnahmen zur Verbesserung und Erhaltung der Gewässergüte nach § 13 des Abwasserabgabengesetzes (AbwAG) in der Fassung vom 6. November 1990 (BGBl I 1990, 2433). Sie wurden gewährt auf der Grundlage der Richtlinien zur Verwendung des Aufkommens der Abwasserabgabe für Maßnahmen zur Verbesserung oder Erhaltung der Gewässergüte vom 14. Februar 1990 (Amtsblatt für Schleswig-Holstein 1990, 160). Die Zusage erfolgte unter der Voraussetzung, dass bestimmte Überwachungswerte im Kläranlagenablauf nach Klärstufe drei erreicht werden, die damit über den Stand der Technik mit Klärstufe zwei hinausgingen. Die Höhe des Zuschusses wurde in Anlehnung an die voraussichtlichen förderungsfähigen Kosten für die Baumaßnahmen ohne die abziehbaren Vorsteuerbeträge bemessen.

Im November 1996 erhielt die Klägerin eine Teilzahlung in Höhe von 1 714 427 DM auf Grund des zugesagten Zuschusses. In der am 12. März 1997 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingegangenen berichtigten Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 1996 sah die Klägerin die Zahlung als nicht steuerbaren Investitionszuschuss an. Auf Grund hoher abziehbarer Vorsteuerbeträge ergab sich nach der Erklärung ein Erstattungsanspruch.

Das FA beurteilte den Betrag als zusätzliches Entgelt für steuerpflichtige Leistungen und setzte Umsatzsteuer fest. Den Einspruch wies das FA zurück, weil der Investitionszuschuss ein "steuerpflichtiges Entgelt" eines Dritten i.S. des § 10 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 darstelle.

Die gegen die Steuerfestsetzung gerichtete Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Wegen der Begründung wird auf das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 656 veröffentlichte Urteil des FG Bezug genommen.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung von § 1 und § 10 UStG 1993. Zur Begründung macht sie geltend, für die als Zuschuss bezeichnete Zahlung sei keine Leistung erbracht worden. Sie, die Klägerin, habe die Investitionen auf eigene Rechnung erbringen müssen und die Gemeinde habe keine rechtliche Möglichkeit gehabt, den Bau der Anlage zu fordern. Es fehle insbesondere eine Leistung gegen Entgelt; denn die Zuwendung sei nicht in Erfüllung eines Erstattungsanspruchs, sondern zu dem Zweck gewährt worden, sie, die Klägerin, in die Lage zu versetzen, einem im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zweck, nämlich die Verbesserung der Gewässergüte, nachhaltig zu verfolgen. Das Anliegen des Zuschussgebers habe darin bestanden, die Wasserqualität über die vorhandene gesetzliche Verpflichtung hinaus zu verbessern. Dies komme nicht nur den Gemeindebürgern, sondern der Allgemeinheit zugute.

Die Klägerin begehrt sinngemäß, die Aufhebung der Vorentscheidung und die Änderung der Steuerfestsetzung.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung hält den Angriffen der Revision stand.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1993 unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Im Streitfall hat die Klägerin eine Leistung erbracht und diese auch gegen Entgelt ausgeführt.

Die Annahme einer Leistung gegen Entgelt setzt das Bestehen eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der erbrachten Leistung und dem empfangenen Gegenwert voraus. Der Leistungsempfänger muss identifizierbar sein. Er muss einen Vorteil erhalten, der zu einem Verbrauch im Sinn des gemeinsamen Mehrwertsteuerrechts führt (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften --EuGH--, Urteile vom 16. Oktober 1997 Rs. C-258/95 - Fillibeck, Slg. 1997, I-5577, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht --UVR-- 1997, 430; vom 29. Februar 1996 Rs. C-215/94 - Mohr, Slg. 1996, I-959; vom 18. Dezember 1997 Rs. C-384/95 - Landboden, Slg. 1997, I-7387, UVR 1998, 51; Bundesfinanzhof --BFH--, Urteil vom 22. Juli 1999 V R 74/98, BFH/NV 2000, 240 - Zuschuss für Verkehrsverein).

Nach der Rechtsprechung des BFH können Zahlungen der öffentlichen Hand Entgelt für eine steuerbare Leistung sein, wenn der Zahlungsempfänger im Auftrag des Geldgebers eine Aufgabe aus dessen Kompetenzbereich übernimmt und die Zahlung damit zusammenhängt. Kein Entgelt liegt aber vor, wenn ein sog. Zuschuss lediglich der Förderung des Zahlungsempfängers im allgemeinen Interesse dienen soll und nicht der Gegenwert für eine steuerbare Leistung des Zahlungsempfängers an den Geldgeber sein soll. In Fällen, in denen eine Person des privaten Rechts Aufgaben einer Körperschaft des öffentlichen Rechts übernimmt und im Zusammenhang damit Geldzahlungen erhält, kann je nach den Umständen des Einzelfalls ein Leistungsaustausch zu bejahen oder abzulehnen sein (BFH-Urteil in BFH/NV 2000, 240; vgl. auch BFH-Urteile vom 26. Oktober 2000 V R 10/00, BFHE 193, 165, BFH/NV 2001, 400 - Gebäude-Restwertentschädigung; vom 13. November 1997 V R 11/97, BFHE 184, 137, BStBl II 1998, 169 - Tiefgaragenerrichtung für Stadtgemeinde; vom 25. Januar 1996 V R 61/94, BFH/NV 1996, 715 - Forschung mit öffentlichen Mitteln; vom 28. Juli 1994 V R 19/92, BFHE 176, 66, BStBl II 1995, 86 - Forschungszuschuss; vom 25. März 1993 V R 84/89, BFH/NV 1994, 59 - Pauschale für Übernahme der Luftaufsicht; vom 6. Oktober 1988 V R 101/85, BFH/NV 1989, 327 - Zahlungen eines Sozialhilfeträgers für Leistungen einer GmbH; vom 9. Dezember 1987 X R 39/81, BFHE 152, 280, BStBl II 1988, 471 - Forschungszuschuss).

2. Die Klägerin hat durch den Bau der Kläranlage eine Leistung an die Gemeinde erbracht und dafür u.a. die Teilzahlung als Entgelt erhalten.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des LWG Schleswig-Holstein sind die Gemeinden zur Abwasserbeseitigung im Rahmen der Selbstverwaltung verpflichtet. Sie können sich nach § 31 Abs. 1 Satz 2 des LWG Schleswig-Holstein zur Erfüllung dieser Aufgabe Dritter bedienen.

Die Klägerin hat eine Leistung an die Gemeinde dadurch erbracht, dass sie als Dritte die der Gemeinde nach § 31 Abs. 1 Satz 1 des LWG Schleswig-Holstein obliegende Verpflichtung zur Abwasserbeseitigung, die auch die Errichtung der dafür benötigten Bauwerke einschließt, übernommen hat (§ 31 Abs. 1 Satz 2 des LWG Schleswig-Holstein).

3. Die Zahlung aus Landesmitteln für den Neubau der Kläranlage ist --wie das FG zutreffend entschieden hat-- Entgelt für die von der Klägerin erbrachten (oder Vorauszahlung für noch zu erbringende) Leistungen. Gemäß § 6 Abs. 1 EV konnte die Klägerin --wie zwischen den Beteiligten nicht umstritten ist-- ein Entgelt beanspruchen. Die in § 6 Abs. 1 EV vereinbarte Vergütung umfasst auch Aufwendungen für die Planung und die Errichtung von Bauwerken für die Abwasserbeseitigung. Die Klägerin hat die Verpflichtungen der Gemeinde gegen die vereinbarte Zahlung übernommen und erfüllt.

a) Der steuerbare Umsatz wird nach dem Entgelt bemessen (§ 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1993). Entgelt ist nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993 alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Zum Entgelt gehört auch, was ein anderer als der Leistungsempfänger dem Unternehmer für die Leistung gewährt (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG 1993). Zahlungen für Rechnung und zur Erfüllung von Verpflichtungen des Leistungsempfängers sind Entgelte i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993, auch wenn sie im abgekürzten Zahlungsweg von einem Dritten geleistet werden.

b) Die Klägerin erhielt die auf Grund des Zuwendungsbescheids des Amtes für Land- und Wasserwirtschaft geleistete Zahlung als Entgelt von der Gemeinde (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993).

Nach den Richtlinien für die Verwendung des Aufkommens der Abwasserabgabe für Maßnahmen zur Verbesserung oder Erhaltung der Gewässergüte nach § 13 AbwAG hatte die Gemeinde einen Rechtsanspruch gegen das Land auf die Zahlung des Zuschusses für den Bau der Kläranlage. Die Gemeinde hatte sich der Klägerin vertraglich verpflichtet (§ 5 Abs. 2 EV), die Investitionen zur Abwasserbeseitigung in dem Umfang zu fördern, in dem sie selbst Fördermittel erhielt. In Erfüllung dieser Verpflichtung veranlasste sie, dass der Investitionszuschuss für ihre Rechnung im abgekürzten Zahlungsweg zweckgebunden zur Errichtung der Kläranlage an die Klägerin überwiesen wurde. Somit wendete die Gemeinde den auf ihre Rechnung und zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem EV geleisteten Betrag auf (§ 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1993), um damit die Übernahme der Abwasserbeseitigungslasten, u.a. durch den Bau der Kläranlage durch die Klägerin, zu erlangen.



Ende der Entscheidung

Zurück