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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.06.2000
Aktenzeichen: V R 87/99
Rechtsgebiete: UStG 1993, KO, AO 1977


Vorschriften:

UStG 1993 § 2 Abs. 1
UStG 1993 § 16
KO § 6 Abs. 2
AO 1977 § 34
BUNDESFINANZHOF

1. Wird das Unternehmen des Gemeinschuldners zum Teil vom Konkursverwalter im Rahmen des ihm zustehenden Verwaltungs- und Verfügungsrechts und zum Teil vom Unternehmer (Gemeinschuldner) mit Mitteln betrieben, die nicht dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters unterliegen, so ist die Umsatzsteuer für das Unternehmen des Gemeinschuldners in zwei getrennten Umsatzsteuerbescheiden festzusetzen, von denen der eine an den Gemeinschuldner und der andere an den Konkursverwalter zu richten ist.

2. Die Steuerbeträge, die in dem an den Konkursverwalter und in dem an den Gemeinschuldner gerichteten Steuerbescheid festzusetzen sind, richten sich danach, in welchem Unternehmensteil die einzelnen Steuertatbestände, die zur Jahressteuer führen, verwirklicht worden sind. Dementsprechend kann die Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht von der Steuer abgesetzt werden, die für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist.

UStG 1993 § 2 Abs. 1, § 16 KO § 6 Abs. 2 AO 1977 § 34

Urteil vom 28. Juni 2000 - V R 87/99 -

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 2000, 155)


Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen des am 22. September 1993 in Konkurs gefallenen Einzelunternehmers K.S. (Gemeinschuldner). In die Konkursmasse fiel das Betriebsvermögen des Einzelunternehmens, das unter der Firma "K.S., Bausanierung" geführt wurde (Fa. I).

Im Streitjahr (1995) betrieb der Gemeinschuldner ein zweites Geschäft unter der Firma "K.S., Montagebau ..." (Fa. II). Die Eröffnung des Konkurses bezüglich dieses Einzelunternehmens wurde im Jahre 1996 mangels Masse abgelehnt.

Der Kläger gab eine Umsatzsteuererklärung der im Konkurs befindlichen Fa. I für das Kalenderjahr 1995 ab, in der er lediglich abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von ... DM erklärte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) erließ gegenüber dem Gemeinschuldner einen Umsatzsteuerbescheid und bezog die genannten Vorsteuerbeträge in die dort festgesetzte Umsatzsteuer ein. Eine gesonderte Umsatzsteuerveranlagung gegenüber dem Kläger lehnte das FA ab (Negativbescheid vom 23. Januar 1997).

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Es war der Ansicht, dass der Gemeinschuldner Rechtsträger sowohl des vom Konkursbeschlags befallenen Vermögens als auch des konkursfreien Vermögens und damit leistender Unternehmer bleibe, dass die Umsatzsteuer aber gleichwohl für die verschiedenen Tätigkeitsbereiche getrennt festzusetzen sei. Es verpflichtete deshalb das FA, gegenüber dem Kläger für Fa. I einen Umsatzsteuerbescheid für 1995 zu erlassen, mit dem eine negative Umsatzsteuerschuld in Höhe von ... DM festgesetzt wird (vgl. Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2000, 155).

Hiergegen wendet sich das FA mit der vom FG zugelassenen Revision. Es meint, aus dem Grundsatz, dass der Gemeinschuldner umsatzsteuerrechtlich nur ein Unternehmen habe, folge, dass die streitbefangene Vorsteuer von der im konkursfreien Unternehmensteil angefallenen Umsatzsteuer gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) abzuziehen sei.

Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

Das FG hat das FA zu Recht verpflichtet, gegenüber dem Kläger den begehrten Umsatzsteuerbescheid zu erlassen.

1. Die Konkurseröffnung hat auf die Unternehmereigenschaft des Gemeinschuldners (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UStG) keinen Einfluss; sie ändert auch nichts daran, dass das Unternehmen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche und berufliche Tätigkeit des Unternehmers erfasst (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. Mai 1998 V R 74/97, BFHE 185, 552, BStBl II 1998, 634; vom 15. Juni 1999 VII R 3/97, BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46, und vom 16. Juli 1987 V R 80/82, BFHE 150, 211, BStBl II 1987, 691). Dementsprechend bestimmt sich die Umsatzsteuer für das gesamte Unternehmen des Gemeinschuldners zunächst ohne Rücksicht auf die Vorschriften des Konkursrechts ausschließlich nach dem Umsatzsteuerrecht.

2. Gleichwohl ist die Umsatzsteuer nicht gegenüber dem Gemeinschuldner, sondern gegenüber dem Konkursverwalter festzusetzen, soweit das Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters reicht. Nach § 6 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) wird nämlich das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das zur Konkursmasse gehörige Vermögen durch den Konkursverwalter ausgeübt. In diesem Umfang hat er die steuerlichen Pflichten für den Gemeinschuldner zu erfüllen (§ 34 Abs. 3 der Abgabenordnung --AO 1977--). Insoweit ist auch ihm gegenüber die Umsatzsteuer festzusetzen (BFH in BFHE 185, 552, BStBl II 1998, 634).

3. Wird das Unternehmen des Gemeinschuldners zum Teil vom Konkursverwalter im Rahmen des ihm zustehenden Verwaltungs- und Verfügungsrechts und zum Teil vom Unternehmer (Gemeinschuldner) mit Mitteln betrieben, die nicht dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters unterliegen, so ist die Umsatzsteuer in zwei getrennten Umsatzsteuerbescheiden festzusetzen, von denen der eine an den Gemeinschuldner persönlich und der andere an den Konkursverwalter zu richten ist (vgl. BFH in BFHE 189, 14, BStBl II 2000, 46).

4. Die Umsatzsteuer für Umsätze, die im Rahmen des dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht des Konkursverwalters unterliegenden Unternehmensteils ausgeführt wurden, sind in dem an den Konkursverwalter zu richtenden Umsatzsteuerbescheid zu erfassen. Die Vorsteuerbeträge aus Leistungsbezügen für diesen Unternehmensteil sind in diesem Bescheid gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG abzusetzen. Sind im Rahmen dieses Unternehmensteils keine Umsätze ausgeführt worden und ist auch keine sonstige Steuer gemäß § 16 Abs. 1 UStG zu berechnen, führen die Vorsteuerbeträge zu einem Vorsteuerüberschuss, der gegenüber dem Konkursverwalter festzusetzen ist.

Entsprechendes gilt für die Umsatzsteuer, die in dem an den Gemeinschuldner gerichteten Steuerbescheid festzusetzen ist.

Hieraus folgt notwendig, dass die Vorsteuer, die im Bereich der Konkursmasse angefallen ist, nicht gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 UStG von der Steuer abgesetzt werden kann, die gemäß § 16 Abs. 1 UStG für den konkursfreien Unternehmensteil anzusetzen ist.

5. Aus dem Grundsatz, dass der Gemeinschuldner umsatzsteuerrechtlich nur ein einziges Unternehmen hat (vgl. oben unter 1.), folgt nichts anderes. Aus ihm ergibt sich lediglich, dass die Summe der gegenüber dem Konkursverwalter und der gegenüber dem Gemeinschuldner festgesetzten Umsatzsteuer die nach den Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes entstandene Jahresumsatzsteuer für das gesamte Unternehmen ergeben muss. Die Teilbeträge, die in dem an den Konkursverwalter und an den Gemeinschuldner gerichteten Steuerbescheiden festzusetzen sind, können sich nur danach richten, in welchem Unternehmensteil die einzelnen Steuertatbestände, die zur Jahressteuer führen, verwirklicht worden sind. Deshalb ist es auch möglich, dass in dem einen Steuerbescheid eine negative (Teil-)Umsatzsteuer für den einen Unternehmensteil und in dem anderen Steuerbescheid eine positive (Teil-)Umsatzsteuer für den anderen Unternehmensteil festgesetzt wird (anders wohl Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 251 Rn. 77, der nicht hinreichend zwischen der Steuerfestsetzung und den sich aus ihr ergebenden Zahlungsansprüchen unterscheidet).

Ende der Entscheidung

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