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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.03.2000
Aktenzeichen: VI B 119/98
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 76
FGO § 115 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

Streitig ist, ob und in welcher Höhe dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ein geldwerter Vorteil beim Erwerb einer Eigentumswohnung zugeflossen ist.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Verfahrensmängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind Fehler, die dem Finanzgericht (FG) bei der Handhabung des Verfahrens einschließlich der Urteilsfindung durch rechtsfehlerhaftes prozessuales Vorgehen unterlaufen (vgl. Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 115 FGO Rz. 119). Ob ein Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des FG als Tatsacheninstanz. Übt das FG sein Ermessen dahin aus, dass es von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absieht, so liegt darin dann ein Verfahrensfehler, wenn sich ihm bei sachgerechter Ermessensausübung das Erfordernis der Begutachtung durch einen Sachverständigen hätte aufdrängen müssen (vgl. Entscheidungen des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. Dezember 1992 VIII B 52/90, BFH/NV 1994, 243; vom 6. Dezember 1988 VII R 43/86, BFH/NV 1989, 475; Beermann, a.a.O., § 115 FGO Rz. 136). Hat ein FG ein Sachverständigengutachten eingeholt, so kann sich ein Verfahrensfehler (Verstoß gegen die Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nach § 76 FGO) daraus ergeben, dass das Gutachten Unvollständigkeiten, Unklarheiten oder Zweifel enthält (vgl. BFH-Urteil vom 26. Januar 1988 VIII R 29/87, BFH/NV 1988, 788; Beermann, a.a.O., Rz. 136). Die Einholung eines weiteren Gutachtens ist zur Vermeidung eines Verfahrensverstoßes in der Regel nur dann erforderlich, wenn das vorliegende Gutachten mit schweren Mängeln behaftet ist, Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde des Sachverständigen bestehen oder besonders schwierige Fragen Gegenstand des Gutachtens sind (vgl. BFH-Urteile vom 26. Juni 1986 IV R 177/84, BFH/NV 1986, 685; in BFH/NV 1988, 788; Beermann, a.a.O., Rz. 136). Ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachaufklärung kommt nur in Betracht, wenn das FG eine konkrete Möglichkeit, den von seinem Rechtsstandpunkt aus entscheidungserheblichen Sachverhalt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 11. Januar 1990 V B 109/89, BFH/NV 1990, 607; vom 7. Januar 1993 VII B 115/92, BFH/NV 1994, 37; Beermann, a.a.O., § 115 FGO Rz. 134) aufzuklären, nicht genutzt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Dezember 1992 X B 42/91, BFH/NV 1993, 549), obwohl sich ihm die Notwendigkeit der weiteren Aufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1988 III R 288, 289/84, BFH/NV 1989, 507).

Danach ist die Rüge, das FG habe im Streitfall ohne die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens entschieden, sodass das angefochtene Urteil auf mangelnder Sachkunde beruhe, unbegründet. Das FG hat den Rechtsstandpunkt vertreten, weitere Abschläge von dem vom FA mit ... DM ermittelten Verkehrswert der fraglichen Wohnung je nach Erwerb als Kapitalanlage oder zur Eigennutzung seien im Streitfall nicht erforderlich. Der beim Erwerb einer vermieteten Wohnung für die Preisbemessung maßgebende Umstand, dass ein fremder Dritter sich u.U. auf jahrelange Auseinandersetzungen mit den Mietern einstellen müsse, ehe er selbst die Wohnung beziehen könne, spiele angesichts der bereits gegebenen Eigennutzung der Wohnung durch die Kläger keine Rolle. Von diesem materiell-rechtlichen Standpunkt ausgehend, hat das FG anhand der ihm vorliegenden Aufstellung über die Verkaufsfälle für die im Gebäudekomplex ... gelegenen Wohnungen, für die fragliche Wohnung einen qm-Preis von ... DM als Verkehrswert ermittelt. Darin liegt kein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Sachaufklärung. Aufgrund des vom FG vertretenen Rechtsstandpunktes, die Kläger, die die von ihnen erworbene Wohnung als Mieter schon selbst bewohnten, seien wie ein Käufer zu behandeln, der eine bezugsfreie Wohnung erwerbe, bedurfte es der Einholung eines weiteren Gutachtens nicht. Die Preise, die im Gebäudekomplex bei der Veräußerung von leer stehenden Wohnungen erzielt worden sind, waren dem FG jedoch bekannt. Die Einholung eines weiteres Gutachtens wäre nur dann erforderlich gewesen, wenn das FG der Rechtsauffassung der Kläger gefolgt wäre, wonach sich der Preis beim Erwerb einer vermieteten Wohnung durch den Mieter nach den Preisverhältnissen am "eigenständigen Markt" für vermietete Eigentumswohnungen und nicht nach denjenigen für leer stehende Wohnungen bilde.

Sieht man die Rüge fehlender Darlegung der Sachkunde im Urteil (vgl. dazu BFH-Urteile vom 19. Juni 1968 I R 25/67, BFHE 92, 336, BStBl II 1968, 543; vom 21. Februar 1980 V R 146/73, BFHE 129, 569, BStBl II 1980, 283, 286; Offerhaus in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 75) als eigenständige Verfahrensrüge neben der der mangelnden Sachaufklärung an, so ist diese Rüge jedenfalls unbegründet.

Das FG hat in seinem Urteil hinreichend dargelegt, dass es den Verkehrswert der fraglichen Wohnung anhand der ihm vorliegenden Aufstellung über die Verkaufsfälle für Wohnungen aus dem Gebäudekomplex ... ermittelt hat.

Soweit die Kläger die mangelnde Sachkunde des FG als solche rügen, dürfte es sich der Sache nach ebenfalls um die Rüge mangelnder Sachaufklärung infolge der Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens handeln. Sieht man die Rüge mangelnder Sachkunde (so schon BFH-Urteil in BFHE 92, 336, BStBl II 1968, 543; vgl. auch das BFH-Urteil vom 14. Dezember 1976 VIII R 76/75, BFHE 121, 410, BStBl II 1977, 474; BFH-Beschluss vom 28. April 1989 III B 84-85/88, BFH/NV 1990, 124) jedoch als eigenständige Rüge an, so ist sie jedenfalls unbegründet. Ausgehend von der Rechtsauffassung des FG, für die fragliche Wohnung sei bei der vorliegenden Veräußerung an die Kläger als Mieter der Wert zugrunde zu legen, der bei der Veräußerung der Wohnung in unvermietetem Zustand erzielt worden wäre, verfügte das FG über hinreichende Sachkunde. Diese ergab sich aus der dem FG vorliegenden Aufstellung über die Verkaufsfälle unvermieteter Wohnungen aus dem Gebäudekomplex ...

Die erstmals im Schriftsatz vom 17. Juli 1998 erhobene Rüge, das FG habe dadurch den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt, dass sich das Urteil hinsichtlich der vom FG angenommenen eigenen Sachkunde als Überraschungsentscheidung dargestellt habe (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 121, 410, BStBl II 1977, 474), ist unzulässig, da sie erst nach Ablauf der am 20. März 1998 endenden Beschwerdefrist (§ 115 Abs. 3 Satz 1 FGO) erhoben worden ist.

Ende der Entscheidung

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