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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.11.1998
Aktenzeichen: VI B 120/98
Rechtsgebiete: EStG 1996, FGO, ZPO, BKGG
Vorschriften:
EStG 1996 § 65 Abs. 1 Satz 1 | |
EStG 1996 § 65 Abs. 2 | |
FGO § 142 Abs. 1 | |
ZPO § 114 | |
ZPO § 115 Abs. 1 | |
ZPO § 120 | |
ZPO § 115 Abs. 1 Nr. 2 | |
ZPO § 115 Abs. 2 | |
BKGG § 8 Abs. 2 Satz 1 |
Gründe
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) ist die Mutter der 1986 nichtehelich geborenen Tochter T. Vater ist der in der Schweiz lebende Schweizer Staatsangehörige V. Dieser hat mit Wirkung ab 1. April 1990 aus persönlichen Gründen auf den Bezug der ihm zustehenden Kinderzulage verzichtet.
Die Antragstellerin erhielt von Januar bis April 1996 für ihre Tochter T Teilkindergeld von 47 DM monatlich. Mit Bescheid vom 17. Juni 1996 hob der Beklagte (das Arbeitsamt -Familienkasse- --Arbeitsamt--) die Festsetzung des Teilkindergeldes auf und behielt den Rückforderungsbetrag von 188 DM von dem der Antragstellerin für ihr zweites Kind gezahlten Kindergeld ein.
Hiergegen hat die Antragstellerin nach erfolglosem Einspruch Klage erhoben, über die noch nicht entscheiden ist. Für die Durchführung des Klageverfahrens hat sie Prozeßkostenhilfe (PKH) beantragt.
Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag auf PKH ab, weil die Klage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werde Kindergeld nicht für ein Kind gezahlt, für das Leistungen im Ausland gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar seien. Das sei hier der Fall; denn nach den Mitteilungen des Personalamts der Stadt Z (Schweiz) habe der Kindesvater --soweit eine Unterhaltspflicht bestanden habe oder bestehe-- Anspruch auf eine Kinderzulage in Höhe von 100 bzw. 150 sfr pro Monat, auf die er aus persönlichen Gründen verzichtet habe. Nach dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 Satz 1 EStG reiche es aus, daß ein Anspruch auf das ausländische Kindergeld bestehe; es komme nicht darauf an, ob die Leistung auch in Anspruch genommen werde.
Mit der gegen die Ablehnung der PKH erhobenen Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, es sei dem Gerechtigkeitsempfinden unerträglich, ihr den Kindergeldanspruch zu versagen. Sie habe keine Möglichkeit, eine Unterstützung zu erlangen. Sie könne den Kindesvater nicht zwingen, die entsprechenden Leistungen bei der Stadt Z zu beantragen und dann an sie weiterzugeben. Eine solche Benachteiligung einer Kindesmutter habe der Gesetzgeber gewiß nicht im Auge gehabt. Das Merkmal "bei entsprechender Antragstellung zu zahlen wäre" komme nicht zum Tragen, weil durch den Verzicht des V feststehe, daß keine Kinderzulage von seiten der schweizerischen Behörden gezahlt werde.
Die Antragstellerin beantragt, den angefochtenen Beschluß des FG aufzuheben und ihr PKH zu gewähren.
Das Arbeitsamt trägt vor, nach der Gesetzeslage habe das Arbeitsamt den Kindergeldanspruch der Antragstellerin zu Recht verneint. Im Hinblick auf den Vorlagebeschluß des FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 27. Mai 1997 11 K 194/96 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 998) werde aber von einer weiteren Äußerung zur Beschwerde abgesehen.
Die Beschwerde ist begründet.
Gemäß § 142 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht oder nur zum Teil aufbringen kann, PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.
1. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein an sich bestehender Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen ist, wenn ein Anspruch auf eine ausländische, dem Kindergeld entsprechende Leistung besteht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die andere Leistung tatsächlich erbracht wird und ob sie der nach deutschem Recht kindergeldberechtigten Person oder einem Dritten zusteht (vgl. dazu Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 65 EStG Anm. 6; Ebling/Heuermann, Die Kindergeldauszahlung durch den Arbeitgeber, Rn. 157). Es ist auch nicht zu beanstanden, daß das FG das Bestehen eines Anspruchs auf Kinderzulage für den Kindesvater allein aufgrund der Bestätigungen der Stadt Z bejaht hat, ohne selbst eine Prüfung nach dem im Kanton Z geltenden Gesetz über Kinderzulagen für Arbeitnehmer durchzuführen, und daß es die dortigen Kinderzulagen als Leistungen i.S. des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG angesehen hat.
Obwohl nach der gegenwärtigen Gesetzeslage der Antragstellerin kein Anspruch auf Kindergeld für ihre Tochter T zusteht, hat das FG die hinreichende Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu Unrecht verneint. Denn es bestehen verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, daß im Gegensatz zu § 8 Abs. 2 Satz 1 des Bundeskindergeldgesetzes a.F. (BKGG) § 65 Abs. 2 EStG ab 1996 ein Teilkindergeld als Unterschiedsbetrag zu niedrigeren ausländischen Kinderzulagen nicht mehr vorsieht. Die Frage liegt dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Überprüfung vor (vgl. Vorlagebeschluß des FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, in EFG 1997, 998). Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß nach einer entsprechenden Entscheidung des BVerfG die Klage Erfolg haben wird. Ist aber bei summarischer Prüfung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 142 Anm. 7) der Ausgang des Klageverfahrens offen, sind die Erfolgsaussichten der Klage als hinreichend i.S. des § 114 ZPO anzusehen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 142 FGO Tz. 10).
2. Wegen des geringen monatlichen Einkommens der Antragstellerin wird die PKH ohne Ratenzahlung nach §§ 115 Abs. 1, 120 ZPO bewilligt. Das monatliche Bruttoeinkommen beläuft sich gemäß der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf 1 367 DM. Davon sind nach § 115 Abs. 1 Nr. 2 ZPO für die Antragstellerin 663 DM und ihre beiden unterhaltsberechtigten Kinder jeweils 466 DM abzusetzen (vgl. Bekanntmachung vom 26. Mai 1998, BGBl I, 1162). Da das einzusetzende Einkommen somit unter 30 DM liegt, besteht nach der Tabelle zu § 115 Abs. 1 ZPO keine Verpflichtung zur Ratenzahlung. Einzusetzendes Vermögen (§ 115 Abs. 2 ZPO) ist offensichtlich nicht vorhanden.
3. Dieser Beschluß ergeht ohne Kostenentscheidung (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 142 Anm. 29).
Ende der Entscheidung
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