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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: VI B 182/03
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 119 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VI B 180/03 VI B 181/03 VI B 182/03 VI B 183/03

Gründe:

Die Beschwerden des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) sind zulässig und begründet. Die angefochtenen Urteile waren wegen eines Verfahrensmangels i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und die Rechtsstreite zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 116 Abs. 6 FGO).

1. Wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Beschwerden (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO) ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Von der Fristversäumnis hat die Prozessbevollmächtigte --ausweislich der Postzustellungsurkunde-- durch Hinweis des Gerichts am 17. Januar 2004 Kenntnis erlangt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist am 30. Januar 2004 und damit innerhalb von zwei Wochen (§ 56 Abs. 2 Satz 1 FGO) unter Beifügung der Beschwerdebegründung bei Gericht eingegangen. Der Vortrag, dass die Beschwerdebegründung rechtzeitig zur Post gegeben wurde, wurde im Einzelnen durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht.

2. Die Beschwerden sind auch begründet. Es liegt ein Verfahrensmangel i.S. des § 119 Nr. 4 FGO vor. Nach dieser Vorschrift ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach den Vorschriften des Gesetzes vertreten war, außer wenn er der Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat.

a) An einer ordnungsgemäßen Vertretung fehlt es, wenn ein Beteiligter oder sein Vertreter zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden und deshalb nicht erschienen ist (vgl. u.a. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2002 III B 29/02, BFH/NV 2002, 1472; Dürr in Schwarz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rz. 32; Spindler in Hübschmann/ Hepp/Spitaler (HHSp), Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 62 FGO Rz. 136). Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten (§ 62 Abs. 3 Satz 5 FGO). Die unterlassene Ladung eines Bevollmächtigten führt deshalb zu einem Verfahrensverstoß, wenn er zum Zeitpunkt der Ladung "bestellt" ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. April 2002 VIII B 64/01, BFH/NV 2002, 1309).

b) Die Bestellung setzt voraus, dass dem Gericht von einem bestehenden Vertretungsverhältnis Kenntnis gegeben wird (BFH-Beschluss vom 16. September 1992 IV R 138/91, BFH/NV 1993, 116; BFH-Urteil vom 27. Februar 1986 IV R 72/85, BFHE 146, 206, BStBl II 1986, 547). Sie ist nicht an eine Form gebunden (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 9. Oktober 1985 IV B ZR 59/84, NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht --NJW-RR-- 1986, 286). Es genügt, dass jemand durch ausdrückliche oder schlüssige Handlung dem Gericht gegenüber als Bevollmächtigter gekennzeichnet worden ist (BFH-Beschluss vom 20. Januar 2003 VI B 138/02, BFH/NV 2003, 788).

c) Danach liegt ein Mangel in der Vertretung des Klägers vor. Denn die Prozessbevollmächtigte des Klägers war zur mündlichen Verhandlung weder geladen noch erschienen. Ihre Bestellung zur Bevollmächtigten ergab sich aus der Mitteilung des früheren Prozessbevollmächtigten an das Finanzgericht (FG), es möge "sich an die neue Prozessbevollmächtigte Stb ..." wenden. In den nachfolgenden Beschwerdeverfahren hat sie eine Vollmacht vorgelegt und den Kläger vor dem BFH vertreten, wie sich --für das FG erkennbar-- aus den BFH-Beschlüssen vom 7. Mai 2003 VI B 148/02, 149, 150, 151/02 ergab, mit denen die Verfahren an das FG zurückverwiesen wurden. Das FG durfte sie daher nach der Zurückverweisung nicht übergehen.

d) Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hat der Prozessführung weder ausdrücklich noch stillschweigend zugestimmt (§ 119 Nr. 4 2. Halbsatz FGO); sie ist mangels Unterrichtung und Ladung nicht tätig geworden.

Eine ausdrückliche oder stillschweigende Zustimmung des Klägers persönlich lässt sich den Akten ebenfalls nicht entnehmen. Das Schreiben, in dem das FG um Mitteilung gebeten hatte, ob und ggf. durch wen er im finanzgerichtlichen Verfahren vertreten werde, hat er nach eigenen Angaben nicht erhalten. Für einen dem Kläger zugegangenen Hinweis des Gerichts (§ 76 Abs. 2 FGO), aus dem auf eine zumindest stillschweigende Zustimmung zur Prozessführung geschlossen werden könnte, gibt es keine weiteren Anhaltspunkte. Die persönliche Teilnahme des nicht einschlägig ausgebildeten oder beruflich tätigen Klägers an der mündlichen Verhandlung allein genügt nicht; denn er war weder ordnungsgemäß vertreten, noch war ihm die Rechtslage bekannt oder musste ihm --ohne einen derartigen Hinweis-- bekannt sein.

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